Stärker als alle Gewalten dieser Welt.
Stärker als alle Gewalten dieser Welt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 2. Sonntag im Jahreskreis,
20. Januar 2008 (Joh 1,29-34)
Nicht als Löwen sondern als Lamm bezeichnet der Täufer Johannes Jesus. Das ist überraschend. Jahrhunderte lang war der Löwe das Symbol des Herrschers. Und Jesus soll doch der Messias-König, der Befreier und Friedens-König sein. Warum nennt ihn Johannes "Lamm Gottes"? Löwe und Lamm - welcher Kontrast!
Der Löwe ist ein Bild der Kraft, der Macht und Majestät. Er ziert heute noch die Kaiserlichen Paläste, die Denkmäler großer Schlachten. Bis in die Werbung hinein ist der Löwe gegenwärtig, wenn etwas als besonders stark angepriesen werden soll. Nie vergesse ich den Eindruck, den mir, in einem Zelt am Sambesi-Fluss in Afrika übernachtend, das ferne Brüllen eines Löwen machte.
Im Brevier, dem Gebetsbuch der Kirche, in dem wir Priester, aber auch viele Laien täglich beten, stand dieser Tage folgendes "Gebet eines Verfolgten", ein Bittpsalm in großer Not: "Herr, mein Gott, ich flüchte mich zu dir; hilf mir vor allen Verfolgern und rette mich, damit mir niemand wie ein Löwe das Leben raubt, mich zerreißt, und keiner ist da, der mich rettet".
Nicht als reißender Löwe, sondern als Lamm wird uns Jesus heute gezeigt. Ein Bild der Schwäche, der Unschuld, wehrlos der Gewalt ausgeliefert. Wie soll ein Lamm Retter sein? Wie soll jemand, der "wie ein Lamm" ist, irgendetwas gegen die Mächte ausrichten, die diese Welt beherrschen? Und wie soll jemand in den harten Kämpfen des Lebens bestehen, der den Weg des Lammes geht und nicht "mit den Wölfen heult" und mit dem Löwen sich seine Beute holt?
Am Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu steht das Bild vom Lamm. Und am Ende, im letzten Buch der Bibel, der "Offenbarung des Johannes", wird das Lamm als der Sieger über alle Mächte gezeigt, stärker als alle Gewalten dieser Welt. Ist das eine fromme Täuschung, eine irrige Hoffnung?
Johannes nennt Jesus "das Lamm, das die Sünde der Welt hinweg nimmt". Er soll also nicht nur ein bisschen etwas an dieser Welt reparieren, sie ein klein wenig besser machen, sondern gleich das ganze Gewicht des Negativen, die riesige Last alles Bösen "hinweg nehmen", sie regelrecht "entsorgen", uns wirklich von ihr befreien. Wie soll Er das tun? Woher die Kraft dazu nehmen?
Es gibt nur eine Macht, die dazu fähig ist. Sie ist stärker als alle Gewalten dieser Welt. Sie schaut ohnmächtig aus, und ist doch die einzige Kraft, die die Welt wirklich verändert: Es ist die Macht der Liebe. Sie allein öffnet die Herzen. Nur sie schafft Versöhnung. Sie kann Kriege beenden und einen Neuanfang ermöglichen.
Denn allein die Liebe kann die Spirale der Gewalt durchbrechen. Jesus hat das Böse nicht mit Gegengewalt bekämpft, er hat zu keinen heiligen Kriegen und zu keinen Kreuzzügen gegen die Übel dieser Welt aufgerufen, sondern dazu, das Böse mit dem Guten zu überwinden. Wo Menschen sich an seinen Weg gehalten haben, da konnte der Frieden gedeihen.
Übrigens bezeichnet die Bibel einmal Jesus doch auch als Löwen. "Gesiegt hat der Löwe von Juda", heißt es von Jesu Kreuz und Auferstehung im schon genannten letzten Buch der Bibel. Nicht mit dem Schwert, nicht mit roher Gewalt, sondern mit der Hingabe seines Lebens für die anderen, für uns alle, hat Er gesiegt, das Lamm, der Löwe, Jesus. Denn in Ihm war die Liebe stärker als alles.
In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt.
Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.
Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekannt zu machen. Und Johannes bezeugte: Ich sah. dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb.
Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt:
Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.
Das habe ich gesehen. und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes