Aber „am Ende des Tunnels“ der Geduld leuchtet das Licht der Gegenwart Gottes
Aber „am Ende des Tunnels“ der Geduld leuchtet das Licht der Gegenwart Gottes
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Fest der Heiligen Familie,
28. Dezember 2008 ((Lk 2,22-40)
„Fest der Begegnung“ nennt die Ostkirche die „Darstellung Jesu im Tempel“. Es ist eine Begegnung der Generationen. Zwei betagte Menschen, Simeon und Hanna, begegnen einem jungen Ehepaar, das sein Kind zum Tempel bringt, vierzig Tage nach der Geburt, nach jüdischem Brauch. Schon von daher berührt diese Szene. Bis heute gehört es zu den schönsten Seiten des Lebens, wenn die Generationen einander begegnen. Und es ist schmerzlich, wenn diese Begegnung auslässt, wenn der „Generationenvertrag“ reißt, weil immer mehr ältere Menschen immer weniger jungen Menschen begegnen.
Simeon, der Greis: Wer wagt heute noch, dieses schöne, ehrwürdige Wort zu gebrauchen? Wir sind nur mehr Senioren, niemand will ein Greis sein! Simeon ist alt geworden in Treue zu Gott, im Warten auf Gottes Verheißung. Sein Alter ist erfüllt, weil es ein Ziel hat. Er lebt nicht vor sich hin, weil er eine große Hoffnung im Herzen trägt: einmal den zu schauen, den sein Volk seit langem erwartet: den Messias.
Als er das Jesuskind in seinen Händen hält, kann er, ganz in Frieden, sein Abschiedslied singen, seinen „Heimgang“ begrüßen: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast.“
So sterben können! Simeon ist zum Bild, zur Symbolgestalt eines erfüllten Lebens geworden. Jetzt kann er „in Frieden aus dieser Welt scheiden“. Aber was macht das erfüllte Leben aus? Für viele ist es schon ein großes, beglückendes Geschenk, „die Kinder der eigenen Kinder“ zu erleben, die Enkel. Was fehlt einem Land, wenn das Lachen der Kinder rar wird! Mich macht es besorgt zu sehen, wie Europa kinderarm geworden ist.
Aber Simeons und Hannas Freude hat noch einen tieferen Grund: Gott verwirklicht, was er versprochen hat. Das Kind, das Maria und Josef zum Tempel bringen, ist die Erfüllung einer alten Sehnsucht. Einmal wird Gott kommen. Einmal wird er Frieden bringen. Simeon und Hanna sind die Träger einer Jahrhunderte alten Hoffnung eines Volkes, das viel Leid gesehen hat. Beide sind des Wartens nicht müde geworden. Sie haben sich nicht von den Enttäuschungen entmutigen lassen. In diesem kleinen, vierzig Tage alten Kind erkennen sie den verheißenen Erlöser.
Wie aktuell ist die Haltung dieser beiden alten Menschen! Wie sehr brauchen wir heute solche geduldige Hoffnung! Ausharren in Geduld, in den Anfechtungen in Partnerschaft, Ehe und Beruf, in den Krisen der Wirtschaft wie der Politik! Diese Geduld kann bisweilen so schmerzlich sein wie das Schwert des Leidens, das Simeon Maria verheißt. Aber „am Ende des Tunnels“ der Geduld leuchtet das Licht der Gegenwart Gottes – im Kind, das Simeon in Händen hält.
Es kam für die Eltern Jesu der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung.
Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen, gemäß dem Gesetz des Herrn, in dem es heißt: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.
In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm.
Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe. Jetzt wurde er vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.
Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.
Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selber aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.
Damals lebte auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Pénuels, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück. Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm.