Jesus ist voll Freude, dass die „Unmündigen“ Zugang zu Gott haben, dass Gott in ihrem Leben Platz hat, sich ihnen „offenbaren“ kann.
Jesus ist voll Freude, dass die „Unmündigen“ Zugang zu Gott haben, dass Gott in ihrem Leben Platz hat, sich ihnen „offenbaren“ kann.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 14. Sonntag im Jahreskreis,
3. Juli 2011 (Mt 11,25-30)
Die „Großkopferten“ haben bei ihm keine gute Presse! Jesus hat es nicht mit denen, die „die Großen dieser Welt“ sind. Die Kleinen, die „Unmündigen“ hebt er hervor, sie sind seine Lieblinge. Für sie dankt er Gott seinem Vater. Die sich im Leben abplagen und an schweren Lasten zu tragen haben, lädt er zu sich ein. Ihnen verspricht er Erleichterung und ein wenig Verschnaufen. So steht es zumindest heute im Evangelium. Aber wie steht es in der Wirklichkeit, in den harten Fakten des Alltags?
Es klingt ja schön, wenn Jesus die kleinen Leute, die Benachteiligten und Bedrückten hervorhebt. Aber sieht das im Leben der Welt (und auch der Kirche) nicht ganz anders aus? Gelten da nicht ganz andere Spielregeln? Ist Jesus mit seiner Botschaft nicht hoffnungslos „im Out“, an der Wirklichkeit vorbei?
Manche gingen und gehen noch weiter (so Friedrich Nietzsche, der Philosoph und große Kritiker des Christentums im 19. Jahrhundert): Jesus habe eine Religion der Schwachen gelehrt und damit alles Starke, Gesunde, Erfolgreiche schlecht gemacht. Das Christentum sei eine Sklavenreligion, nichts für Herrenmenschen. Es verherrliche das Elend und fördere Unmündigkeit. Und tatsächlich ist dieser Vorwurf bis heute zu hören. Wenn Jesus die Unmündigen preist und die Weisen und Klugen abschätzig behandelt, fördert er dann nicht alle Abhängigkeiten? Ist das Ideal des Christentums der Mensch, der unselbständig und gehorsam alles hinnimmt? Hindert der christliche Lebensentwurf die Emanzipation, das eigene kritische Denken?
So sehen viele bis heute das Christentum: Als Christ, speziell als Katholik, darfst du nicht selbständig denken und handeln, sondern musst „Hände falten und Goschn halten“! Hat Jesus das gemeint? War das sein „Projekt“? Sicher wurde es immer wieder so verstanden. Ich wage aber zu sagen: Sicher ist das nicht sein Weg.
Wie sieht er dann aus? Jesus dankt Gott, seinem Vater, dafür, dass er „all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart“ hat. Jesus ist voll Freude, dass die „Unmündigen“ Zugang zu Gott haben, dass Gott in ihrem Leben Platz hat, sich ihnen „offenbaren“ kann. Es gibt Menschen, die für Gott offen sind. Und Jesus weiß: das sind nicht die, die von sich so eingenommen sind, dass sie nur sich selber sehen.
Ich glaube, Jesus spricht von den „Weisen und Klugen“ mit ein wenig Ironie: die Leute, die sich selber für weise und klug halten, sind so voll von sich selber, dass Gott sich ihnen nicht zeigen kann. Und es gibt die Menschen, die ein einfaches und gerades Herz haben, die im guten Sinne „kindlich“ sind, nicht eingebildet, sondern gerade und aufrichtig: ihnen kann Gott sich zeigen. Sie sind offen für Gottes Gegenwart.
Jesus liebte stets ganz besonders solche gerade Menschen, Kinder oder Alte, hohe Ratsherren (wie Nikodemus) oder arme Witwen. Und er hatte immer wieder harte Worte für die eingebildeten Wichtigtuer. Deshalb kann er auch allen Mühseligen und beladenen sagen, sie sollen zu ihm kommen, bei ihm werden sie Frieden und Trost finden.
In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.
Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.
Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.