Du wirst dein Leben nur gewinnen, wenn du bereit bist, es zu verlieren! "Um meinetwillen!"
Du wirst dein Leben nur gewinnen, wenn du bereit bist, es zu verlieren! "Um meinetwillen!"
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 24. Sonntag im Jahreskreis,
16. September 2012 (Mk 8,27-35)
In jedem Leben gibt es Wendepunkte. Manche dramatisch, manche ganz unscheinbar. Da ist dann ein Vorher und ein Nachher. Und die Umstellung nach einer Lebenswende ist gar nicht leicht. Für einen selber und für die anderen. Es kann zu Missverständnissen kommen, zu Konflikten, ja zu Brüchen.
Auch im Leben Jesu gab es solche Wendepunkte. Von einem ist heute im Evangelium die Rede. Wie sah er aus? Was geschah damals? Worin bestand die Wende? Der große Wendepunkt im Leben Jesu war zweifellos der Moment, als er seine Heimatstadt Nazareth, seinen Beruf, seine Familie verließ und das Leben eines Wanderpredigers begann. Er war damals dreißig Jahre alt, in der vollen Lebenskraft. Nach seiner Taufe im Jordan und einer Zeit in der Wüste begann sein "öffentliches Leben", und es war unglaublich "erfolgreich". Seine Heilungen machten ihn schnell berühmt, seine Predigt zog Tausende Menschen an. Manche wollten ihn schon zum König machen. Seine Anhänger, die Jünger, die Apostel, hofften wohl insgeheim auf eine solche "Karriere" ihres Meisters.
Aber es kam anders. Er machte nichts aus seinem Erfolg. Er zog sich zurück in die Stille. Er baute keine Machtposition auf. Im Gegenteil: er provozierte die Menschen durch hohe Ansprüche, steile Forderungen, strenge Worte. Und so bröckelten die Scharen langsam ab, blieben weg, und die Feindschaft gegen ihn begann sich zu formieren. Man wollte ihn sogar umbringen.
Da, in dieser ernsten Stunde seines Lebens, zieht er sich an den nördlichsten Punkt von Galiläa zurück, dorthin, wo der Jordan aus einer hohen Felswand entspringt. Jetzt, in dieser Einsamkeit, spricht er seine Jünger an. "Für wen haltet ihr mich?" Die Antwort des Petrus ist klar: "Du bist der Messias!"
Das Kommen des Messias galt dem jüdischen Volk als der entscheidende Wendepunkt der Geschichte. Mit ihm, dem Gesandten Gottes, wird die neue Zeit beginnen, die endgültige Wende zum Guten, die Erfüllung langer Sehnsucht und Hoffnung.
Doch da gibt Jesus dieser Erwartung eine völlig unerwartete Wende: Der Messias, der Gesandte Gottes, wird nicht triumphieren, sondern leiden. Er wird nicht siegreich Erfolge einbringen, sondern schrecklich verworfen werden. Jesus spricht von seiner Lebenswende, und sie geht in Richtung Leid und Tod.
Völliges Unverständnis auf Seiten der Jünger. Sie haben sich die Wende anders vorgestellt, genau das Gegenteil. Selten scharf reagiert Jesus: "Hinter mich, du Satan!" Petrus hat menschliche Ideen im Kopf, nicht Gottes Willen.
Und dann macht Jesus daraus ein allgemeines Lebensgesetz: Nimm dein Kreuz auf dich! Folge mir nach! Du wirst dein Leben nur gewinnen, wenn du bereit bist, es zu verlieren! "Um meinetwillen!" fügt Jesus hinzu und nennt damit die entscheidende Lebenswende.
Ich glaube, für jeden Menschen kommt der Zeitpunkt, wo es nicht mehr weiter und höher geht, im Beruf, in der Laufbahn, mit der Gesundheit. Dann gilt es loszulassen, frei zu werden von Plänen und eigenen Wünschen. Das tut oft weh. Wie eben das Kreuz. Aber es ist Jesu Weg. Und er führt zur Auferstehung, zum Leben.
In jener Zeit ging Jesus mit seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi.
Unterwegs fragte er die Jünger: Für wen halten mich die Menschen? Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten.
Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias!
Doch er verbot ihnen, mit jemand über ihn zu sprechen. Dann begann er, sie darüber zu belehren, der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen. Und er redete ganz offen darüber.
Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe.
Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.