Die Wiedererweckung der Tochter des Jaïrus.
Die Wiedererweckung der Tochter des Jaïrus.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 28. Juni, 2015 (Markus 5,21-43).
Jesus heilt heute eine Frau, die zwölf Jahre gelitten hat. Jesus erweckt heute ein Mädchen vom Tod, das zwölf Jahre alt war. Zwei Wunder. Zwei von vielen, die Jesus vollbracht hat. Oft hat er Kranke geheilt. Mehrmals hat er Tote auferweckt. So erfreulich das ist, eine Frage drängt sich doch auf: warum gerade diese? Warum nicht mehr? Warum nicht alle?
Das heutige Evangelium gibt keine Antwort auf die allgemeine Frage, warum es Leid und Tod gibt. Aber es zeigt uns, dass Jesus Menschen begegnet, die von Leid und Tod betroffen sind, und dass er ihnen hilft. Da ist Jairus, der Synagogenvorsteher. Sein Töchterlein liegt im Sterben. Er vertraut, dass Jesus sie noch retten kann. Und Jesus lässt sich von seinem Kummer berühren.
Doch sie kommen nur langsam vorwärts. Eine dichte Menschenmenge macht es unmöglich, schnell zu dem sterbenden Kind zu gelangen. In der Menge ist auch diese seit zwölf Jahren leidende Frau. Sie hat alles versucht, ist zu vielen Ärzten gerannt, hat ihr Vermögen vergeblich für ihre Heilung ausgegeben. Sie drängt sich an Jesus heran, berührt sein Gewand und spürt, dass sie geheilt ist.
Jesus hat ebenfalls gespürt, dass etwas geschehen ist, dass „eine Kraft von ihm ausströmte“. Er will wissen, wer ihn berührt hat. Die Frau meldet sich „zitternd vor Furcht“, und Jesus tröstet sie, lobt ihren Glauben, ihr Vertrauen, dass seine Kraft sie heilen kann.
Das alles hat Jesus aufgehalten. Ich stelle mir vor, wie der Vater des sterbenden Kindes verzweifelt war. Da meldet man ihm: Deine Tochter ist schon tot. Es lohnt sich nicht mehr, Jesus zu bemühen. Doch Jairus hat Hoffnung gefasst. Eben ist er Zeuge der Heilung dieser Frau geworden. Wieso soll Jesus nicht auch seine Tochter retten können! Und tatsächlich ruft Jesus das Kind wieder ins Leben zurück.
Die Eltern und drei der zwölf Apostel wurden Zeugen dieses Wunders, wie es uns der Evangelist überliefert hat. Aber was heißt das für mich? Nur wenige erleben Wunder wie diese Menschen im Evangelium. Aber allen ist es möglich, auch heute Jesus zu begegnen. Wir können ihn berühren, erleben, wie von ihm eine Kraft ausgeht, die heilt, aufrichtet und hoffen lässt.
In jener Zeit fuhr Jesus im Boot wieder ans andere Ufer hinüber, und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war, kam ein Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt. Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt. Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden. Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. Sofort hörte die Blutung auf, und sie spürte deutlich, dass sie von ihrem Leiden geheilt war. Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt? Seine Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt? Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte. Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein. Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten (zu Jaïrus): Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger? Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Sei ohne Furcht; glaube nur! Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Lärm bemerkte und hörte, wie die Leute laut weinten und jammerten, trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur. Da lachten sie ihn aus. Er aber schickte alle hinaus und nahm außer seinen Begleitern nur die Eltern mit in den Raum, in dem das Kind lag. Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen. Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn