Der Vater wartet auf den verlorenen Sohn, trotz allem, was er getan hat. Kein Wort des Vorwurfs. Nur eine feste, lange Umarmung!
(Bild: Die Heimkehr des verlorenen Sohns von B.E. Murillo, 18. J.h.)
Der Vater wartet auf den verlorenen Sohn, trotz allem, was er getan hat. Kein Wort des Vorwurfs. Nur eine feste, lange Umarmung!
(Bild: Die Heimkehr des verlorenen Sohns von B.E. Murillo, 18. J.h.)
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am 6. März 2016 (Lk 15,1-3.11-32)
Man nennt es: Das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Selten hat Jesus so klar gesagt, was sein Herzensanliegen ist. Um es zu verstehen, empfehle ich einen einfachen Test: Versuchen wir uns in jede er drei Hauptpersonen hineinzudenken. Was entdecke ich dabei über mich selber, mein Verhalten, meine Einstellungen?
Der jüngere Sohn will frei sein, selbständig, unabhängig. Obwohl der Vater noch lebt, verlangt er jetzt schon sein Erbteil. Der ältere Bruder muss ansehen, wie der Vater dem frechen Jüngeren das Erbe ausbezahlt. Unerfahren, leichtsinnig, lebenshungrig verjubelt dieser schnell sein Vermögen. In der Not denkt er an zu Hause. Testfrage: Habe ich Ähnliches erlebt? Leichtsinn mit schmerzlichen Folgen? Haben mich leidvolle Erfahrungen zu Besinnung und Reue bewegt? Kenne ich die Sehnsucht nach Heimkehr?
Der Vater wartet auf den verlorenen Sohn, trotz allem, was er getan hat. Kein Wort des Vorwurfs. Nur eine feste, lange Umarmung! Und riesige Freude! Es ist ein Fest! Testfrage: Kann ich so verzeihen? So auf den zugehen, der mich enttäuscht hat? Ohne Bitterkein? Obwohl doch viel Vermögen dabei verloren ging! Was sagt mir die Haltung des Vaters?
Den Zorn und die Bitterkeit des älteren Bruders kann ich gut verstehen. Ich hätte wohl ähnlich reagiert. Zornig ist er vor allem auf den Vater. Ihm wirft er vor, seinem nichtsnutzigen Sohn alles zu verzeihen. Jetzt muss er, der brav zu Hause geblieben war und stets gearbeitet hat, sein Erbe mit dem anderen teilen. Testfrage: Bin ich bereit, wie der Vater von Herzen zu verzeihen? Oder bleibe ich bei meinem Zorn? Unversöhnt und hart?
Lassen wir jeden der Drei auf uns wirken! Sie stellen mein eigenes Verhalten ordentlich in Frage. Aber genau das wollte ja Jesus.
In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land, und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand, und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her, und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden.
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn