Erkenne dich selbst! Das bleibt ein Lebensauftrag. Eine unschätzbare Hilfe dabei ist das Vertrauen: Gott kennt mich! Auch wenn ich mir oft ein Rätsel bin, Er weiß um mich. Bei Ihm bin ich geborgen.
Erkenne dich selbst! Das bleibt ein Lebensauftrag. Eine unschätzbare Hilfe dabei ist das Vertrauen: Gott kennt mich! Auch wenn ich mir oft ein Rätsel bin, Er weiß um mich. Bei Ihm bin ich geborgen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am 17. April 2016 (Joh 10,27-30)
„Erkenne dich selbst und erschrick nicht“: So lautet der Titel eines Buches von Andreas Salcher (2013). Er greift damit ein uraltes Thema der Menschheitsgeschichte auf. Ein Leben lang können wir uns bemühen und kommen doch an kein Ende mit der Frage: Wer bin ich eigentlich? Kenne ich mich selbst? Und immer ist die Frage mit einer anderen verbunden: Wer bist du? Wer ist der Andere? Kenne ich mich? Kenne ich dich? Bin ich mir selbst ein unbekanntes Wesen? Ist mir mein Nächster ein Rätsel?
Es gibt Momente und Situationen, wo wir vor uns selber erschrecken. Wir fragen uns: Wie konnte mir das passieren? Wie konnte ich mich so vergessen? Was gibt es da alles in mir, was ich gar nicht kannte? Was schlummert in mir, das da plötzlich erwachen konnte? „Erkenne dich selbst!“ – dieser Spruch stand über dem Tor des Apollo-Tempels in Delphi im alten Griechenland. Es ist eine Lebensaufgabe, denn nur wer sich selber halbwegs kennt, kann sich und anderen helfen.
Aber wie kommen wir zur Selbsterkenntnis? Sicher nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit und viel Erfahrung. Und eines ist sicher: durch und durch erkennen werden wir uns nie selber. Immer bleiben wir uns selber in vieler Hinsicht „ein unbekanntes Wesen“, wie wir ja auch andere Menschen nur sehr begrenzt erkennen können. Das erfahren Eheleute, die sich seit vielen Jahren intim kennen – und einander doch immer auch ein Rätsel bleiben.
Anders ist das mit Jesus. Er sagt schlicht und einfach über „seine Schafe“: „Ich kenne sie!“ Ist das anmaßend? Kennt uns Jesus wirklich? Kennt er uns besser, als wir uns selber kennen? Besser als unsere Eltern, Geschwister, Partner, Freunde uns jemals kennen können?
Es gehört zu den schönsten und trostvollsten Gewissheiten des Glaubens, dass Gott uns ganz und gar kennt. Das ist keine Drohung, denn er kennt uns nicht, um uns zu richten und zu verurteilen. Er ist nicht der Spion, der unsere innersten Geheimnisse herausfindet, um uns anzuklagen.
In einem Psalm, einem Gebet der Bibel, kommt das besonders schön zum Ausdruck: „Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern kennst du meine Gedanken. Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen … Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich. Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen … Denn du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter. Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast. Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke“ (Psalm 139).
Erkenne dich selbst! Das bleibt ein Lebensauftrag. Eine unschätzbare Hilfe dabei ist das Vertrauen: Gott kennt mich! Auch wenn ich mir oft ein Rätsel bin, Er weiß um mich. Bei Ihm bin ich geborgen. Das sagt Jesus mit dem Bild des Hirten: „Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen.“ Diese Zusage tut gut. Sie ist tragfähig für das ganze Leben.
Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle, und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins.
Ostern - Jesus ist auferstanden!
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