Wir brauchen heute vor allem mehr Pfingstgeist. Er stärkt das Gemeinsame, weckt Wohlwollen füreinander, baut Ängste voreinander ab.
Wir brauchen heute vor allem mehr Pfingstgeist. Er stärkt das Gemeinsame, weckt Wohlwollen füreinander, baut Ängste voreinander ab.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zur Lesung am Pfingstsonntag, 15. Mai 2016 (Apg 2,1-11)
Von Johann Wolfgang Goethe gibt es ein berühmtes Gedicht auf den heutigen Tag: „Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen; es grünten und blühten Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken, übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel; Jede Wiese sprosste von Blumen in duftenden Gründen, festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.“
Möge diese liebliche Schilderung zutreffen! Dass das Wetter passt und nicht die Eisheiligen uns kalte, gar frostige Temperaturen bescheren. Möge das „verlängerte Wochenende“ nicht durch Autostaus und Verkehrsunfälle getrübt sein! Eine Wanderung, ein Spaziergang in pfingstlicher Natur, wie Goethe sie so ansprechend schildert, kann eine tiefe Freude schenken.
Von einer intensiven Erfahrung ist in den biblischen Texten des heutigen Pfingstfestes die Rede. Ein starkes Naturerlebnis kann davon eine Ahnung geben. Es ist die Erfahrung des Heiligen Geistes. Pfingstfest in Jerusalem, vermutlich im Jahr 30: Zahlreiche Pilger aus aller Welt sind zum jüdischen Pfingstfest nach Jerusalem hinaufgepilgert. „Schawuot“ heißt es auf Hebräisch. Fünfzig Tage nach Pessach, dem jüdischen Osterfest, wird für die Weizenernte gedankt (im Heiligen Land viel früher als bei uns), vor allem aber dafür, dass Gott sich am Sinai geoffenbart und die Zehn Gebote gegeben hat.
Neu ist, was damals die ganz junge Kirche erlebte, und was seither Sinn des christlichen Pfingstfestes ist: die stürmische und feurige Erfahrung des Geistes Gottes. Wie lässt sie sich beschreiben? Und gibt es sie heute noch? „Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt“, heißt es von dieser ersten christlichen Gemeinschaft, die aus etwa hundertzwanzig Personen bestand. Brach da unter ihnen eine Art Massenhysterie aus? Manche der vielen Menschen, die da neugierig zusammenliefen, meinten, diese Leute seien betrunken. Die meisten aber staunten, weil alle verstehen konnten, was die Anhänger Jesu sagten.
Das Sprachenwunder von Pfingsten! „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“ Was wirkt der Heilige Geist? Woran erkennt man ihn? Er ist dort am Werk, wo Menschen beginnen, einander zuzuhören und sich gegenseitig verstehen können. Das Gegenteil von Pfingsten ist die in der Bibel beschriebene Sprachverwirrung nach dem Turmbau von Babel. Da werden Sprachen zum Trennenden. Da wächst das Gegeneinander. Hass und Feindschaft zerstören das Miteinander. Kriege im Kleinen wie im Großen sind die Folge, und mit ihnen kommen Not, Armut, Hunger und Elend.
Wir brauchen heute vor allem mehr Pfingstgeist. Er stärkt das Gemeinsame, weckt Wohlwollen füreinander, baut Ängste voreinander ab. Ist es nicht angebracht, gerade in diesen Tagen für unser Land von Gott den Pfingstgeist zu erbitten? Wir brauchen ihn höchst nötig!
Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.
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