Radikal wie Jesus: Mutter Teresa von Kalkutta.
Radikal wie Jesus: Mutter Teresa von Kalkutta.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 26. Juni 2016 (Lk 9,51-62)
Radikalismus ist das Thema unserer Tage. Terrorismus wird von Radikalen betrieben. Sie sprengen sich in die Luft und reißen möglichst viele mit sich in den Tod. Sie schießen blindlings um sich und erschießen, wen sie erwischen können. Sie ziehen in den Krieg, um einen islamischen „Gottesstaat“ zu errichten und schrecken vor keiner Brutalität zurück, um ihr Ziel zu erreichen. Radikalisierung erleben wir auch in der Politik. Die Worte werden härter, die Forderungen schärfer, die Mittel unmenschlicher. Wo führt das hin? Wie wird das enden?
Zwei Wege der Radikalisierung begegnen uns heute im Evangelium. Sie führen in eine ganz entgegengesetzte Richtung. Niemand kann beide gleichzeitig gehen. Alle müssen wir uns entscheiden. Denn in Zeiten der Radikalisierung ist es kaum möglich, neutral zu bleiben. Das macht unsere Zeit so schwierig, aber auch so spannend. Gerade junge Menschen suchen oft Entschiedenheit, Klarheit. Deshalb neigen sie zur Radikalität, in beide Richtungen. Deshalb sind sie auch leichter verführbar für Radikalisierung. Sie lassen sich schneller begeistern für einen radikalen Weg.
Auch die Jünger Jesu erlebten das. Sie waren von ihrem Meister und Lehrer begeistert. Aber sie mussten erst mühsam lernen, seinen Weg von dem üblichen Weg zu unterscheiden. Auch Jesus war radikal, und das zog sie zu ihm hin. Aber er war anders als die Radikalen seiner Zeit.
Auf ihrem Weg von Galiläa nach Jerusalem müssen sie durch Samarien. Den Juden galten die Samariter als halbe Heiden. Und so waren die beiden einander feindlich gesonnen. Jesus will in einem ihrer Dörfer übernachten. Dort wird ihnen die Gastfreundschaft verweigert, weil sie Juden sind und Pilger auf dem Weg nach Jerusalem. Grund genug für die beiden Brüder, Jakobus und Johannes, radikale Rache an diesem feindlichen Dorf üben zu wollen. Genau so geschieht es heute hundertfach. Das Feuer kommt auch „vom Himmel“, aus Flugzeugen, die alles zusammenbomben und niederbrennen, nur weil die Menschen vor Ort eine andere Religion, eine verschiedene politische Richtung haben. Diese Art von Radikalismus hat Jesus entschieden abgelehnt. Bis heute müssen seine Anhänger es immer neu lernen, dass das nicht sein Weg ist.
Sein Weg ist nicht weniger radikal, aber ganz anders. Drei Menschen werden genannt, die gerne mit Jesus gehen wollen. Allen dreien macht es Jesus nicht leicht. Er lockt nicht mit verführerischen Versprechungen. Wenn du mit mir gehst, wirst du nicht ein gemütliches Nest vorfinden. Du musst bereit sein, dich aus den Bindungen der Familie zu lösen. Du darfst nicht nostalgisch zurückblicken. Tu nur dies eine: Folge mir nach!
Bis heute hat die Radikalität Jesu immer Menschen angezogen. Jesus nachfolgen, sich ganz auf ihn und seinen Weg einlassen: dieses Wagnis hat die Kirche immer jung und frisch gemacht. Es hat Menschen wie Mutter Teresa von Kalkutta hervorgebracht. Es hat Herzen und Hände für die Nächstenliebe geöffnet. Es hat Feindschaften überwunden, Versöhnung gebracht. Dieses radikale Wagnis wandelt die Welt zum Guten.
Als die Zeit herankam, in der er in den Himmel aufgenommen werden sollte, entschloss sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen. Und er schickte Boten vor sich her. Diese kamen in ein samaritisches Dorf und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war. Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet? Da wandte er sich um und wies sie zurecht. Und sie gingen zusammen in ein anderes Dorf. Als sie auf ihrem Weg weiterzogen, redete ein Mann Jesus an und sagte: Ich will dir folgen, wohin du auch gehst. Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben. Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes! Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich von meiner Familie Abschied nehmen. Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
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