Auf Gottes Wort hören, es mit dem Herzen aufnehmen: Das ist es, was Maria von Betanien bis heute zum Vorbild macht.
Auf Gottes Wort hören, es mit dem Herzen aufnehmen: Das ist es, was Maria von Betanien bis heute zum Vorbild macht.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 17. Juli 2016 (Lk 10,38-42)
Eine kurze, kleine Geschichte mit großer Tragweite: Jesus als Gast im Haus von Marta und Maria. In wenigen Worten wird eine Situation geschildert, die seither wie ein Modellfall betrachtet wird. Zwei Arten der Gastfreundschaft, die zwei Lebenseinstellungen widerspiegeln. Schauen wir sie uns näher an. Sie haben jedem etwas zu sagen. Sie sprechen mitten ins Leben hinein.
Wer waren die beiden Schwestern? Sie sind uns aus den Evangelien gut bekannt. Sie leben in einem Dorf nahe Jerusalem, das Betanien heißt. Sie haben einen Bruder namens Lazarus. Jesus war mit den drei Geschwistern befreundet. Wenn er nach Jerusalem kam, hat er immer wieder ihre Gastfreundschaft genossen und wohl auch zeitweise bei ihnen gewohnt.
Zu jedem der drei hatte Jesus eine besondere, persönliche Freundschaft. Marta war offensichtlich die Hausfrau, die „Chefin“ in diesem gastlichen Haus. Sie ist es auch, die im heutigen Evangelium Jesus einlädt. Als ihr Bruder Lazarus schwer erkrankt und schließlich stirbt, lässt sie Jesus bitten, doch zu ihnen zu kommen. Und Jesus tut, als er schließlich ankommt, etwas Außergewöhnliches. Er ruft Lazarus, der schon seit vier Tagen im Grab liegt, ins Leben zurück.
Maria hatte eine besondere Nähe zu Jesus, ähnlich wie eine andere Maria, die aus Magdala, Maria Magdalena genannt, die aber nicht mit ihr verwechselt werden darf. Marta ist die geschäftige, tüchtige, häusliche. Sie will, dass Jesus sich wohlfühlt. Sie sorgt für gutes Essen, eilt hin und her zwischen Küche und Esszimmer, tischt auf, bietet an, sorgt sich um alles, übersieht aber vor lauter Eifer das Wichtigste: den Gast mit dem Herzen aufzunehmen.
Maria setzt sich zu Jesus und hört ihm zu. Sie wirbelt nicht herum, sie ist ganz für den Gast da, still und offen. Auf ihre Art will sie, dass der Gast sich angenommen und willkommen fühlt.
Jesus hat Marta liebevoll, aber deutlich gesagt, dass die Art der Gastfreundschaft ihrer Schwester Maria ihm lieber ist, als die etwas übereifrige, aufdringliche Bewirtung durch Marta.
Die beiden Schwestern stehen für zwei Lebenseinstellungen. Es braucht beide. Aber sie haben eine Rangordnung. Zuerst geht es ums Hören. Dann ums Handeln. Zuerst den anderen anhören und ihn nicht gleich mit den eigenen Aktivitäten überschütten. Marta meint es gut, aber sie nimmt den Gast gar nicht richtig wahr. Maria empfängt ihn mit dem Herzen. Das ist „das erste Notwendige“, von dem Jesus spricht. Wie anders sähen unsere Beziehungen aus, wenn wir einander zuerst so begegnen würden, wie Maria es Jesus gegenüber tut! Zuhören, anhören, aufnehmen, sich einlassen auf das, was dem anderen am Herzen liegt: Diese „Gastfreundschaft des Herzens“ brauchen wir mehr als alle noch so gut gemeinte Bewirtung.
Maria hat Jesus zugehört. Jesus war nicht nur ein lieber Freund und Gast, er ist „der Herr“, der Christus, in dem Gott bei uns zu Gast ist. Mehr auf Gottes Wort hören, es mit dem Herzen aufnehmen: Das ist es, was Maria von Betanien bis heute zum Vorbild macht. Sie hat „das Bessere gewählt“.
In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf, und eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.
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