Medizin – das Heilgeschäft – ist interpersonal, es passiert zwischen zwei Personen. Weil das in der heutigen Medizin oft unterbelichtet ist, kommen ganzheitliche Medizinsysteme zum Zug.
Medizin – das Heilgeschäft – ist interpersonal, es passiert zwischen zwei Personen. Weil das in der heutigen Medizin oft unterbelichtet ist, kommen ganzheitliche Medizinsysteme zum Zug.
Warum faszinieren Heilpraktiken aus Asien? Weil sie ein Bedürfnis wahrnehmen, das in Europa zu kurz kommt: als ganzer Mensch wahrgenommen zu werden.
DER SONNTAG: Warum boomen Heilpraktiken aus Fernost bei uns?
Karl-Heinz Steinmetz: Medizin ist eine ganzheitliche Sache. In den letzten 150 Jahre wurde in der Medizin aber sehr auf die naturwissenschaftliche Methode und auf Apparatemedizin fokussiert.
Manche Menschen spüren, dass Heilkunst und Heilkunde weiter ist. Weil ihr Bedürfnis in Europa nicht bedient werden kann, suchen sie nach anderen therapeutischen Angeboten.
Asien ist schick, modern, „das Andere“ und Traditionelle Chinesische oder Tibetische Medizin, Shiatsu oder Ayurveda faszinieren. Es gibt eine bunte Szene, die kritisch zu prüfen ist.
Es werden tatsächlich wichtige Inhalte transportiert, aber auch solche, die aus dem Ruder laufen.
Was können asiatische Angebote, was unsere Medizin nicht kann?
Karl-Heinz Steinmetz: Die allermodernste Medizin an Hochleistungsuniversitäten und -spitälern weiß: Letztendlich ist Medizin immer personenzentriert. Aber bei der Gesundheitsversorgung steht das nicht immer an erster Stelle.
Viele Patienten haben den Eindruck, sie werden in der klassischen Medizin als Person nicht ganz ernst genommen – man hat sechs Minuten Zeit und der Arzt tippt mehr auf dem Computer herum als er einen anfasst.
Manche Patienten haben Sehnsucht danach, dass der Arzt sich ihnen zuwendet. Das fällt in vielen Bereichen aus und da haben Patienten – meiner Ansicht nach berechtigte – Bedürfnisse.
Medizin – das Heilgeschäft – ist interpersonal, es passiert zwischen zwei Personen. Weil das in der heutigen Medizin oft unterbelichtet ist, kommen ganzheitliche Medizinsysteme zum Zug.
Inwieweit geht es dabei nicht nur um den Körper, sondern auch um die Seele?
Karl-Heinz Steinmetz: Ich glaube, alle Ärzte würden zustimmen, dass Krankheit und Gesundheit ein ganzheitliches Phänomen ist, das hat immer mit Leib, Seele und Geist zu tun. Deswegen gibt es die psychosomatische Medizin.
Neueste Forschungen zeigen, dass auch Spiritualität gesundheitsrelevant ist. Die Umsetzung in der Praxis ist schwierig.
Asiatische Heilverfahren sind spannend und provokant, weil sie die spirituelle Dimension von Haus aus mit ins Spiel bringen. Bei Ayurveda und Shiatsu ist das ganz explizit nach außen sichtbar.
Inwieweit transportieren Heilpraktiken wie Ayurveda eine Ideologie?
Karl-Heinz Steinmetz: Auf Grundlage des Paulusspruches „Prüfet alles und das Gute behaltet“ glaube ich, wir dürfen therapeutische Angebote aus Asien ganz angstfrei und unverkrampft anschauen.
Ayurveda ist die traditionelle Ganzheitsmedizin Indiens. Schon im Mittelalter gab es einen regen Austausch von indischen und europäischen Rezepten, Teile der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) wurden also schon zu dieser Zeit von Indien inspiriert.
Damalige Christen hatten kein Problem, Kräutertees aus Indien für Europa neu zu interpretieren. Man braucht vor Ayurveda also keine Angst zu haben.
Es gibt allerdings Grenzen, an denen wir Christen innehalten können. Zu Ayurveda gehört das Singen von therapeutischen Mantras, Gebeten, in die die Namen hinduistischer Gottheiten integriert sind.
Ich als Christ würde eher den Namen Jesu singen wollen. Es gibt also Bereiche des Ayurveda, wo man den Hinduismus betritt.
Aber Kräutertee, Massage, Ausleitung und Entgiftung sind, glaube ich, unproblematische Bereiche.
Was kann ich beachten, damit ich mich als Christ/in dabei wohl fühle, wenn ich eine solches Therapieangebot nutze?
Karl-Heinz Steinmetz: Es kommt auf den Therapeuten, sein Selbstverständnis und die konkrete Form des Angebots an.
Shiatsu, zum Beispiel, finde ich an sich unproblematisch. Es ist der japanische Versuch aus den 1920/30er Jahren, energetisches, spirituelles Heilen neu zu formulieren. Es wird mit Energie gearbeitet, das gibt es auch im europäischen Bereich. Psychosomatik, die sogar offen ist für Spiritualität. Mit einem verantwortungsbewussten Therapeuten ist das ein spannender therapeutischer Zugang.
Ich als Christ und Europäer würde fragen: Wieso kann es nicht auch TEM sein, die ja ebenso energetische Bereiche hat.
Beim Sakrament der Krankensalbung mit Handauflegung ist diese therapeutische Dimension auch vorhanden. Da könnte man in einen spannenden Dialog treten zwischen TEM und Shiatsu. Grundsätzlich gilt: Bei einem seriösen Therapeuten darf man sich schon wohl fühlen.
Karl-Heinz Steinmetz
Der Theologe gründete 2010 das Projekt ArcAnime zur Neuinterpretation der Traditionellen Europäischen Medizin, Gesundheitslehre und Spiritualität.
ArcAnime - Arche der Seele
Dr. Karl-Heinz Steinmetz, Leitung: +43 699 1946 4227
Dr. Maurizio Cavagnini, Produktion: +43 699 1828 0296
Nussdorfer Str. 37/5,
A - 1090 Wien
office@arcanime.at
Internet: www.arcanime.at
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