Die Menschenrechte stellen einen Rahmen für das Recht zwischen den Völkern dar und sie bilden eine Art Basisethos, eine moralische Orientierung für das Zusammenleben in der Einen Welt.“
Die Menschenrechte stellen einen Rahmen für das Recht zwischen den Völkern dar und sie bilden eine Art Basisethos, eine moralische Orientierung für das Zusammenleben in der Einen Welt.“
Marianne Heimbach-Steins über die Bedeutung der Menschenrechte aus christlicher Sicht – und warum die Kirche damit Probleme hatte.
Mit der Formulierung von allgemeinen Menschenrechten hat die Staatengemeinschaft auf die Katastrophenerfahrungen der Weltkriege des 20. Jahrhunderts reagiert“, sagt die Münsteraner Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins, sie spricht im April bei den „Theologischen Kursen in Wien, im Gespräch mit dem „Sonntag“.
Die Präambel der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ besage, dass die Menschenrechte das „gemeinsame Ideal“ darstellen, an dem sich die Völkergemeinschaft für ein rechtlich geordnetes Zusammenleben in Frieden und Freiheit orientieren soll.
Heimbach-Steins: „Die Menschenrechte sind also ein anspruchsvolles Instrument: Sie stellen einen Rahmen für das Recht zwischen den Völkern dar, sie drängen darauf, in den nationalen Verfassungen als Grundrechte verankert zu werden, und sie bilden eine Art Basisethos, eine moralische Orientierung für das Zusammenleben in der Einen Welt.“
Damit umzugehen und an dessen Umsetzung zu arbeiten, werde „immer wichtiger, je vielfältiger und zerklüfteter unsere globalisierte Welt in kultureller und religiöser, in sozialer und ökonomischer Hinsicht wird“.
Der lang anhaltende Widerstand des römischen Lehramtes gegen die Anerkennung der Freiheitsrechte im Nachgang der Französischen Revolution habe „seinen tiefsten Grund in dem Anspruch, nur die religiöse Wahrheit besitze ein Recht auf Geltung“.
„Die Kirche beanspruchte nicht nur, diese Wahrheit selbst zu repräsentieren, sondern erwartete auch vom Staat, dieser Wahrheit zur Durchsetzung zu verhelfen, d. h. Positionen, die nicht als wahr akzeptiert waren, zu diskriminieren“, sagt die Sozialethikerin: „Diese Position eines ,Rechts der Wahrheit‘ führte zu scharfen Verurteilungen der geistigen Freiheitsrechte – insbesondere der Religions- und Gewissensfreiheit – durch die Päpste im 19. Jahrhundert.“
Mit der Enzyklika „Pacem in terris" habe Papst Johannes XXIII. 1963 „nicht nur ausdrücklich die Vereinten Nationen und deren Menschenrechtsansatz gewürdigt, sondern auch eine Aneignung der Menschenrechte für die Gesellschafts- und Friedensethik der katholischen Kirche formuliert“.
Heimbach-Steins: „Er hat gezeigt, dass es auf dem Boden eines christlichen Menschenbildes und mit dem Bezug auf die Vernunft und die Offenbarung nicht nur möglich, sondern geboten sei, die grundlegenden Menschenrechte anzuerkennen und sie als Grundlage für eine weltweite Friedensordnung zu stärken.“
Damit habe er „in der katholischen Lehre die Basis geschaffen für den Einsatz zugunsten der Menschenrechte, der seither zum Programm des öffentlichen Redens der Päpste gehört, und hat das vielfältige Engagement von Christen für Menschenrechte deutlich gestärkt“.
„Im Recht auf religiöse Freiheit geht es ganz konkret um das Verhältnis von Wahrheit und Freiheit“, sagt Heimbach-Steins: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit der Erklärung über die Religionsfreiheit das Recht der Person auf religiöse Freiheit anerkannt und damit der Einsicht Ausdruck gegeben, dass der Glaube, die persönliche Aneignung der religiösen Wahrheit, nur auf dem Boden der Freiheit gedeihen kann. In Dingen des Glaubens ist Freiheit von Zwang elementar. Ein Glaube, der nicht frei angenommen wird, ist kein Glaube.“
Für Christen sei „die biblische Botschaft von der Erschaffung des Menschen als gottesbildliches Geschöpf zentral für das Menschenverständnis und eine starke Grundlage für die Anerkennung der gleichen Freiheit aller Menschen, nicht nur aller Christen“. Heimbach-Steins: „Wenn alle Menschen Geschöpfe des einen göttlichen Schöpfers sind, sind sie untereinander in Bezug auf Gott Geschwister und gleichgestellt.
Das biblische Wort vom Menschen als Bild Gottes würdigt den Menschen – als Mann und Frau – als Repräsentanten Gottes, als verantwortlichen Verwalter der Angelegenheiten Gottes in der Schöpfung.“ Mit diesem Bild sei „Entscheidendes zur Würde des Menschen und zugleich etwas über die sittliche Beanspruchung gesagt“, die nur auf der Grundlage einer Freiheit zum Handeln und Gestalten wahrgenommen werden kann.
Heimbach-Steins: „Diese beiden Gedanken zusammengenommen bilden einen starken Zugang zu den Menschenrechten aus dem christlichen Glauben heraus.“
Im Jahresbericht 2014/15 von „Amnesty International“ werden Menschenrechtsverletzungen in weltweit 160 Ländern und Territorien dokumentiert. 2014 wurde die Meinungsfreiheit in mindestens 119 dieser Staaten eingeschränkt, in mindestens 62 Staaten befanden sich Gewissensgefangene in Haft, in mindestens 131 Staaten wurden weiterhin Menschen Opfer von Folter und Misshandlungen und in mindestens 93 Staaten gab es unfaire Gerichtsverfahren. Millionen von Menschen waren auf der Flucht vor Gewalt und Verfolgung.
In den nächsten Jahren werden immer mehr Menschen gezwungen sein, unter „quasi-staatlicher“ Kontrolle von bewaffneten Gruppierungen zu leben und Opfer von brutalen Übergriffen und Diskriminierung zu werden. Die Meinungsfreiheit und andere Grundrechte würden noch mehr unter Druck geraten, nicht zuletzt auch durch neue drakonische Anti-Terror-Gesetze und ungerechtfertigte Massenüberwachung.
Die brutalen Konflikte in Syrien und im Irak, in Nigeria oder der Ukraine lassen laut „Amnesty International“ einen beunruhigenden Trend erkennen: Staaten, die bewaffneten Gruppen unterliegen und außer Stande sind, die Bevölkerung vor unfassbaren Gräueltaten zu schützen.
Diese Staaten zeichnet auch ein schon langjähriges massives Korruptionsproblem aus. Auch wurde nie nachhaltig in den Aufbau wirksamer menschenrechtlicher und rechtsstaatlicher Strukturen investiert. In Syrien und dem Irak, in Nigeria oder in der Ukraine ist die Zivilbevölkerung in der Gewaltspirale von staatlichen Sicherheitskräften und Milizen gefangen. Allein in Syrien sind rund vier Millionen Menschen vor dem Krieg geflohen, 95 Prozent von ihnen in die Nachbarstaaten.
„Amnesty International“ fordert zudem auch die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats auf, auf ihr Vetorecht in Fällen von Völkermord und anderen in großem Umfang begangenen Gräueltaten dauerhaft zu verzichten.
Den Vereinten Nationen werde zum einen mehr Handlungsspielraum gegeben, neue Interventionsmöglichkeiten zu entwickeln. Und es wäre zum anderen ein unmissverständliches Signal an jene, die Menschenrechtsverletzungen begehen.
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
Das Zweite Vatikanische Konzil
Univ.-Prof. Marianne Heimbach-Steins, Universität Münster ist im April Vortragende bei den Theologischen Kursen in Wien. |
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Nach den „letzten Fragen“ (Himmel und Hölle, „Gericht“ und „ewiges Leben“) stehen jetzt bei den Theologischen Kursen „vorletzte“ ethische Fragen im Mittelpunkt.
„Die Menschenrechte. Universalethos oder Instrument westlicher Vorherrschaft?"
8. April, 18.30-21 Uhr,
mit Univ.-Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins, Uni Münster.
„Wer bestimmt, was Frauen glauben. Religionsfreiheit und Gleichstellung der Geschlechter“
9. April, 9-11.30 Uhr,
mit Univ.-Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins.
„Faszination Dschihad?“
15. April, 18.30-21 Uhr,
mit Prof. Jürgen Manemann, Hannover.
„Suizid. Die Abwesenheit des Anderen“
22. April, 18.30-21 Uhr,
mit Dr. Claudius Stein.
„Die Würde des Menschen wird angetastet. Menschenhandel und moderne Sklaverei in Westeuropa"
29. April, 18.30-21 Uhr,
mit Sr. Anna Mayrhofer FMM (Solwodi Österreich).
Info, Anmeldung: Wiener Theologische Kurse
1010 Wien
Stephansplatz 3
Tel. 01/51552-3708.
E-Mail: wienerkurs@theologischekurse.at oder www.theologischekurse.at
Webseite: "Der Sonntag"
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