In den „inclusive schools“ müssen alle Kinder neben Amharisch auch die Gebärdensprache lernen.
In den „inclusive schools“ müssen alle Kinder neben Amharisch auch die Gebärdensprache lernen.
Die Organisation „Licht für die Welt“ setzt sich für blinde, anders behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen in den Armutsgebieten weltweit ein. Wie wird etwa in Äthiopien mit behinderten Menschen umgegangen und wie hilft „Licht für die Welt“?
Die Reise beginnt in Wolisso, eineinhalb Stunden südwestlich von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt. Wir besuchen dort ein 13-jähriges Mädchen, das aufgrund seiner Behinderung im Rollstuhl sitzt und das Alphabet lernt.
Vor drei Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Denn die 13-jährige Misikir Yoseph leidet an Zerebralparese. Allgemein werden diese Menschen – leider oft abwertend – Spastiker genannt. Die Krankheit umfasst unterschiedliche Formen gestörter Bewegungen und Sprachstörungen.
Shewayé Teshome, Misikirs Mutter, sitzt neben ihr und hält ihre Hand: „Bevor ich Hilfe bekommen habe, war es wirklich schwierig für mich“, erzählt die 30-Jährige. „Mein Kind konnte nicht einmal selbständig sitzen, geschweige denn seine Hände oder Füße benützen.“
Misikirs Krankheit führte dazu, dass das Mädchen und seine Mutter von ihrem Umfeld vollkommen gemieden wurden. Nicht nur die Nachbarn haben sie schlecht behandelt, sondern auch die Verwandten.
In Äthiopien ist es noch weit verbreitet, dass wenn eine Mutter ein behindertes Kind auf die Welt bringt, dies als eine Bestrafung Gottes gilt. Ein Zeichen dafür, dass die Mutter oder ihre Vorfahren schlechte Menschen waren:
„Natürlich haben mir viele gesagt: ‚Gib dieses Kind doch einfach weg.‘ Sogar mein Mann“, erzählt die Mutter mit den Händen auf ihren Kopf gestützt. Weil sie Misikir behalten wollte, hat er sie schlussendlich verlassen: „Heute bin ich froh, dass meine Kleine nun endlich sitzen und ihre Hände benützen kann. Nun hilft sie mir auch bei Kleinigkeiten. Wie zum Beispiel beim Hausputz oder beim Kaffeekochen.“
Das alles war aber nur möglich durch die Unterstützung von „VCBRA“, die für gemeindenahe Rehabilitation von Kindern mit Behinderung zuständig ist. Die Organisation wird direkt und gänzlich von „Licht für die Welt“ finanziert.
Ziel ist es, diese Kinder fit für die Schule zu machen und zu integrieren. „Damit sie eben nicht aus Scham vor den Dorfbewohnern versteckt und eingesperrt werden“, erklärt die VCBRA-Mitarbeiterin Abaynesh Zewede.
Sie hat Misikir auf ihren Weg dorthin begleitet: „Als wir Misikir das erste Mal besucht haben, war sie in einem miserablen Zustand. Wir haben sofort mit der Physiotherapie begonnen. Aber auch mit den Nachbarn und Familienangehörigen gesprochen. Durch die regelmäßigen Übungen kann Misikirnun seit einigen Monaten in die Schule gehen.“
Zudem wird die Mutter Shewayé Teshome in einem Projekt für wirtschaftliche Unabhängigkeit von VCBRA unterstützt. Dadurch habe sich ihr gesamtes Leben zum Besseren geändert, bedankt sich die Mutter: „Vorher waren wir wirklich arm und hatten gar nichts. Ich war Alleinerzieherin. Nun haben wir viele neue Sachen. Ein Bett für Misikir und einen Fernseher.“
„Pity Trade“ heißt das Projekt, das Shewaye Teshome ermöglicht, günstige Getreidesorten und Feuerholz zu kaufen. Diese Waren verkauft sie wiederum mit Gewinn weiter. Nun kann die Mutter endlich etwas für die Familie zurücklegen, 80 Birr im Monat. Das entspricht 3,50 Euro. Davor konnte sie sich nicht einmal genug zu essen kaufen.
In der Region Woliso leben 225.000 Menschen. 1.686 davon haben offiziell eine Behinderung. Die Dunkelziffer ist aber mindestens doppelt so hoch. Der nächste Besuch in Wolisso gilt Eba Lema.
Der Bub ist erst drei Jahre alt und leidet an Down-Syndrom. Die VCBRA-Rehabilitationshelferin Marshet Kebede ist für die Physiotherapie zuständig. Ebas Muskeln wurden durch die Übungen bereits gestärkt.
Alltägliche Bewegungsabläufe wie selber zu essen verbessern sich kontinuierlich. Doch selbständig gehen kann der Dreijährige noch nicht. Die Eltern haben bereits selber Rehabilitations-Fähigkeiten erworben und trainieren täglich mit ihm. Allen voran die Mutter Atsede Gemehu: „Ich war panisch, als ich gehört habe, dass mein Sohn an Downsyndrom leidet. Ich habe mein Glück in Frage gestellt. Nun weiß ich dank VCBRA, dass mein Sohn ein Geschenk Gottes ist. Und bevor ich ihn verstecke, suche ich lieber Hilfe.“
Auch die Familie von Eba Lema musste erfahren, dass Ausgrenzung durchaus ein Problem ist in Äthiopien. Atsede Gemehu weiß nun, dass Eba Lema dank ihrer Fieldworkerin eines Tages selbständig wird, und das gibt ihr Kraft: „Ich wünsche mir, dass Eba Lema alleine zurechtkommt und in die Schule gehen kann wie jedes andere Kind auch. Das würde mich sehr glücklich machen.“
Um dieses Ziel zu erreichen, wird fleißig trainiert und das übernimmt Marshet Kebede: „Als ich Eba zuerst bekommen habe, konnte er nicht sitzen. Das hat er aber jetzt schon gelernt. Nun geht es weiter mit Sprachübungen. Damit er kommunizieren kann, wann er auf die Toilette muss. Und Hauptziel natürlich ist, dass er gehen lernt. Wenn das erreicht wird, können wir ihn in die Schule schicken.“
Im Vorfeld haben wir schon gehört, wie Familien mit behinderten Kindern geholfen wird.
Dass Umfeld muss aufgeklärt werden und die Kinder werden fit für die sogenannte „Inclusive School“ gemacht.
Eine solche gibt es in der Hauptstadt Addis Abeba, die „Del Betegel Primary and First Cycle School˝.
Von den 700 Schülerinnen und Schülern haben 60 eine Behinderung. Viele von ihnen sind schwerhörig oder gehörlos. Der Unterricht findet immer zweisprachig statt: auf Amharisch, die hiesige Amtssprache, und in der Gebärdensprache.
Im Gegensatz zum österreichischen Bildungssystem wird hier nicht zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern getrennt. Unterschiede im Lernstoff gibt ebenfalls keine. Verantwortlich für die Integration ist Mekonen Maneaye: „Meiner Meinung nach ist Inklusion die beste Art, Kinder zu unterrichten.
Jeder Schüler muss die Zeichensprache lernen. Zudem unterrichten auch unsere Lehrer synchron in Zeichensprache.“
In der „First Cycle School“ werden die Schüler im Kindergartenalter bis zur achten Schulstufe, das entspricht der 5. Klasse Gymnasium, unterrichtet.
Die Schule mit Inklusionsklassen ist ein landesweites Vorzeigeprojekt. Mekonen Maneaye deutet auf eine Klassenwand. Hier sind Fotos von den Kindern abgebildet und darunter stehen ihre Wünsche für das zukünftige Leben: „Sie wollen Doktor oder Pilot werden, wie all die anderen Kinder auch. Das macht uns stolz.
Weil auch die Kinder mit Einschränkungen gleiche Traumvorstellungen haben. Hinten im Klassenraum sehen Sie noch eine kleine Bibliothek, die gibt es in jeder Klasse. Denn Bildung muss zu den Schülern gebracht werden und nicht die Schüler zur Bildung.“
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