Franziskus kritisierte, dass die armen Länder von den Industrienationen zu "bloßen Rohstofflieferanten und Zulieferern kostengünstiger Arbeit" herabgewürdigt würden.
Franziskus kritisierte, dass die armen Länder von den Industrienationen zu "bloßen Rohstofflieferanten und Zulieferern kostengünstiger Arbeit" herabgewürdigt würden.
Franziskus wiederholt in Bolivien seine Kapitalismus-Kritik - "Diese Wirtschaft schließt Menschen aus, diese Wirtschaft zerstört die Mutter Erde".
Papst Franziskus hat in Bolivien Bürgerinitiativen, Basisgruppen, Kooperativen und indigenen Bevölkerungsgruppen den Rücken gestärkt und scharfe Kritik am "neuen Kolonialismus" der reichen Länder geübt. Die Benachteiligten müssten sich zusammenschließen, um für ihre Rechte einzutreten und sich an den Wandlungsprozessen auf nationaler, regionaler und weltweiter Ebene zu beteiligen. "Lassen Sie sich nicht einschüchtern!", sagte der Papst Freitagfrüh österreichischer Zeit beim Welttreffen der Volksbewegungen in Santa Cruz.
Das gegenwärtige Wirtschaftssystem verstoße gegen den "Plan Jesu", betonte das Kirchenoberhaupt. "Die landlosen Bauern ertragen es nicht, die Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertragen es nicht, die Völker ertragen es nicht - und ebenso wenig erträgt es die Erde." Das Auferlegen von Sparprogrammen gehe immer nur zu Lasten der Arbeiter und der Armen.
Franziskus kritisierte, dass die armen Länder von den Industrienationen zu "bloßen Rohstofflieferanten und Zulieferern kostengünstiger Arbeit" herabgewürdigt würden. Dies seien "neue Formen des Kolonialismus". Sie erzeugten Gewalt, "die weder mit polizeilichen noch mit militärischen oder geheimdienstlichen Mitteln aufgehalten werden kann".
In Santa Cruz wie schon in seinem Schreiben "Evangelii gaudium" sprach der Papst ausdrücklich von einer Wirtschaft, die "tötet", und er fügte hinzu: "Diese Wirtschaft schließt Menschen aus. Diese Wirtschaft zerstört die Mutter Erde."
In einer Welt, "in der es so viele Kleinbauern ohne Grund und Boden, so viele Familien ohne Wohnung, so viele Arbeiter ohne Rechte gibt, so viele Menschen, die in ihrer Würde verletzt sind", sei etwas "nicht in Ordnung", so Franziskus weiter. Er fuhr fort: "Sagen wir es ganz unerschrocken: Wir wollen eine Veränderung; eine wirkliche Veränderung, eine Veränderung der Strukturen."
Die Völker Lateinamerikas erinnerte er an die früheren Visionen eines "Großen Vaterlandes" aus der Ära nach der Kolonialherrschaft. Er rief sie auf, ihre Zusammenarbeit im gegenseitigen Respekt zu stärken; nur so könnten Frieden und Gerechtigkeit in der Region wachsen.
Die katholische Kirche ermahnte Franziskus zu konsequenter Unterstützung der vielfältigen Volksbewegungen, Kooperativen und Sozialinitiativen. "Die Kirche kann und darf in ihrer Verkündigung des Evangeliums diesem Prozess nicht fern stehen", so der Papst. "Alle Bischöfe, Priester und Laien" müssten die Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen in den städtischen und ländlichen Randgebieten vertiefen. Es müsse in jeder Diözese und in jeder kirchlichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden eine "echte, dauerhafte und verbindliche Zusammenarbeit mit den Volksbewegungen geben".
Ausdrücklich dankte der Papst dem anwesenden Staatspräsidenten Evo Morales für dessen Unterstützung des Zweiten Welttreffens der Volksbewegungen. Das erste hatte im Oktober 2014 auf Einladung des afrikanischen Kurienkardinals Peter Turkson im Vatikan stattgefunden. Turkson, der auch in Santa Cruz zu den Teilnehmern zählte, leitet im Vatikan die Päpstliche Kommission für Gerechtigkeit und Frieden.
Weiters bat der Papst bei dem Treffen um Vergebung für das Unrecht, das katholische Missionare an der Urbevölkerung Lateinamerikas begangen haben. "Wie Johannes Paul II. bitte ich, dass die Kirche 'vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht'", sagte Franziskus. Er bitte auch um Vergebung "für die Verbrechen gegen die Urbevölkerungen während der sogenannten Eroberung Amerikas". Ein Papst, der vom Kolonialismus rede, dürfe dies nicht vergessen, so Franziskus.
Zugleich erinnerte der Papst an zahlreiche positive Beispiele christlicher Mission in Lateinamerika. Er rief "Gläubige und Nichtgläubige" auf, die vielen Bischöfe, Priester und Laien nicht zu vergessen, die die Jesus-Botschaft "mutig und sanftmütig, respektvoll und friedlich verkündet haben und verkünden".
Franziskus wiederholte damit die Vergebungsbitte, die Johannes Paul II. (1978-2005) in der Verkündigungsbulle (November 1998) für das Heilige Jahr 2000 formuliert hatte. In dem umfassenden Schuldbekenntnis des Papstes im Heiligen Jahr selber hieß es: "Oft haben die Christen das Evangelium verleugnet und der Logik der Gewalt nachgegeben. Die Rechte von Stämmen und Völkern haben sie verletzt, deren Kulturen und religiöse Traditionen verachtet."
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