Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prokschi
Theologie und Geschichte des christlichen Orients
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prokschi
Theologie und Geschichte des christlichen Orients
Sommer-Serie zum Universitätsjubiläum (Folge 6): Univ.-Prof. Rudolf Prokschi (Ostkirchen-Kunde) über das Pontifikat von Papst Franziskus und seine Erwartungen an die Bischofssynode im Oktober.
Grundsätzlich bin ich der festen Überzeugung, dass die Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergolio zum Bischof von Rom und damit zum Papst der Katholischen Kirche ein Werk des Heiligen Geistes und ein Segen für unsere Kirche war. Schon die ersten Gesten und Worte des Neuerwählten ließen aufhorchen. Alles war anders als bisher – einfach und klar: sein äußeres Erscheinungsbild (einfaches Brustkreuz, keine Prunkgewänder, keine roten maßgeschneiderten Schuhe) und auch seine Rede.
Schnell wurde deutlich: Das ist ein Papst zum Angreifen! Er will unten Menschen leben und für sie da sein. Besondere Zuneigung hat für jene, die am Rande unserer Gesellschaft stehen: die Armen, die Kranken, die Flüchtlinge, die Außenseiter; einfach für alle, die unsere Hilfe brauchen. Das ist für Papst Franziskus (der Name ist Programm – bewusst gewählt) eine gelebte Wirklichkeit.
Als er relativ bald eine Bischofssynode zum Thema „Ehe und Familie“ ankündigte, war klar, dass er keine „heiße Eisen“ scheut, wenn er überzeugt ist, dass ein Überdenken der bisherigen kirchlichen Praxis im Blick auf die Nöte der Menschen heute einfach nötig ist.
Allein aufgrund des neuen formalen Rahmens (Umfragebögen aus allen Teilen der Bevölkerung und allen Ländern der Erde, die neue Diskussionskultur unter den Bischöfen und der zeitliche Rahmen), schöpften viele Menschen neue Hoffnung. Natürlich haben diese Veränderungen nicht nur Begeisterung ausgelöst, sondern auch Ängste und Sorgen hervorgerufen. Und so laufen einige Bischöfe schon im Vorfeld der Synode Sturm, mit der Aussage, dass sich ja ohnehin nichts an der kirchlichen Lehre und Praxis ändern könne.
Gewiss steht die Kirche in einem zweitausendjährigen Traditionsstrom, der von Jesus, seinen Aposteln und deren Schülern begründet wurde. Trotzdem: Wer aufmerksam diesen ganzen Traditionsstrom der Kirche durch die Jahrhunderte verfolgt, der muss feststellen, dass es erstens immer auch Veränderungen gab und dass es bei unserer orthodoxen Schwesterkirche – bei aller Wertschätzung der Unauflöslichkeit einer christlichen Ehe (selbst über den Tod hinaus) – eine andere Praxis im Umgang mit gescheiterten Eheleuten gibt.
In der Anwendung der kirchlichen Gesetze (Kanones) kennt die Orthodoxie die sogenannte „Heilsökonomie“, d. h. konkret: Im Hinblick auf das Seelenheil des einzelnen kann die Kirche in begründeten Fällen von der strikten Anwendung der Rechtsvorschriften absehen und der Bischof den Segen für eine Zweit-Ehe geben. Dafür gibt es einen eigens geschaffenen Ritus mit Bußcharakter, in dem diese Zweit-Ehe öffentlich geschlossen wird und der die Eheleute mit allen kirchlichen Rechten und Pflichten ausstattet.
Damit wird die Unauflöslichkeit der Ehe aber keinesfalls in Frage gestellt und auch kein Präzedenzfall für andere Ehepaare geschaffen. Die Kirche versucht mit dieser Anwendung die Barmherzigkeit Gottes im Scheitern sichtbar zu machen, die Zuwendung des Herrn zu den Sündern. Es geht hier nicht um ein billiges Anbiedern an den Zeitgeist, sondern um das Erfahrbarmachen des grenzenlosen Erbarmens Gottes und seiner maßlosen Liebe zu den Menschen. Und gerade darin liegt der zeitlose Auftrag der Kirche und das ist sicher ein großes Anliegen von Papst Franziskus.
Zum Nachlesen:
Kommende Beiträge:
23. 8.: Hans Schelkshorn (Philosophie)
30. 8.: Ludger Schwienhorst-Schönberger (Altes Testament)
6. 9.: Regina Polak (Pastoraltheologie)
Katholisch Theologische Fakultät der Universität Wien
Die Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag"