"Bei euch spüre ich, dass ihr echte Christen seid", berichtete Kardinal Schönborn, von einem muslimischen Flüchtling aus Syrien "Im Journal zu Gast".
"Bei euch spüre ich, dass ihr echte Christen seid", berichtete Kardinal Schönborn, von einem muslimischen Flüchtling aus Syrien "Im Journal zu Gast".
Wiener Erzbischof im "Journal zu Gast": "Auch ich habe manchmal Angst".
Für eine massive Stärkung der Entwicklungshilfe hat sich der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation ausgesprochen. Aktiver Umgang mit der Realität sei besser als Rückzug, erklärte Kardinal Schönborn am Samstag, 26. September 2015 in der Ö1-Radioreihe "Journal zu Gast". Kostspielige Grenzzäune würden die Migrationsbewegungen nicht stoppen, vielmehr sei es notwendig, Schutzsuchende aufzunehmen und gleichzeitig zu Frieden und Entwicklung in den Krisenregionen beizutragen, betonte der Kardinal.
Dass Österreich und die meisten EU-Länder die Entwicklungshilfe in den letzten Jahren massiv zurückgeschraubt hätten, sei "sicher ein Fehler" gewesen, betonte Kardinal Schönborn. Die nun erforderlichen Flüchtlings-Hilfeleistungen im Inland würden deutlich umfassender und kostspieliger ausfallen als rechtzeitige Maßnahmen, um Menschen ein Bleiben in der Heimat zu ermöglichen, erfordert hätten. Frieden in den Kriegsregionen sei eine weitaus bessere Lösung als Waffenlieferungen, so der Kardinal. Erfreut zeigte er sich darüber, dass in Europa nun umzudenken beginne und dass "klar gesagt wird, dass man an die Quellen der Flüchtlingsströme gehen muss."
Ebenso wie die Politik von den Flüchtlingen überrascht worden sei, habe es auch in der katholischen Kirche "eine Weile gedauert, bis die Gemüter, Herzen und Hände wach geworden sind", gestand der Kardinal ein. Nun sei man jedoch in Bewegung gekommen. In der Erzdiözese Wien gebe es bereits deutlich mehr als 1.000 Flüchtlingsquartiere, rechne man auch die Notquartiere dazu. Auch in mehreren bischöflichen und diözesanen Gebäuden und Wohnungen - darunter ein großes Flüchtlingsquartier am Wiener Stephansplatz - seien Flüchtlinge untergebracht. Dies werde allerdings "nicht immer mit großem Geschrei verkündet", so Schönborn. Weiterhin gebe es bei den Quartieren in Kirchengebäuden jedoch noch "Luft nach oben".
Ängste der Bevölkerung angesichts der Migrationsströme verstehe er, denn "auch ich habe manchmal Angst", so der Erzbischof. Statt sich weiter zu ängstigen sei es dennoch besser, aktiv die Realität zu akzeptieren und in ihr auch Chancen zu sehen. Schon jetzt könnte etwa Österreichs Gesundheitssystem ohne Migration nicht funktionieren, verdeutlichte der Kardinal.
Dass in Europa das Christentum auf dem "Rückzug" sei, liege nicht an den muslimischen Migranten sondern eher am eigenen "Schwächeln" des Christentums, erklärte der Wiener Erzbischof. Dennoch stehe es um das Christentum nicht so schlecht: Zwar sei der christliche Glaube vielfach "verdunstet", die christlichen Grundhaltungen aber zugleich "hineinverdunstet" in die Zivilgesellschaft und hier auch sichtbar. Schönborn: "Die Frage ist nicht, ob in deinem Buch 'Christ' drinnensteht oder nicht, sondern wie du dich verhältst."
So würden derzeit viele Menschen, die oft nicht kirchlich gebunden, distanziert zur Kirche oder aus ihr ausgetreten sind, mit großem Einsatz den in Österreich ankommenden Flüchtlingen helfen. Dennoch habe ihm ein muslimischer Flüchtling aus Syrien beim Besuch des Flüchtlingsquartiers am Stephansplatz gesagt: "Bei euch spüre ich, dass ihr echte Christen seid", berichtete der Kardinal. Europa sei stolz auf die europäischen Werte, diese bestünden jedoch vor allem auch darin, Schutzsuchende nicht vor die Tür zu weisen.
Interview mit Kardinal Schönborn "Im Journal zu Gast"
Flüchtlingshilfe der Erzdiözese Wien
Berichte zum Thema Flucht und Asyl auf erzdioezese-wien.at
Diözesankoordinator für die Suche von Flüchtlingsquartieren:
E-Mail: fluechtlingshilfe@edw.or.at
Telefon: 0676 502 81 91
Asylhilfe Überblick Österreichweit
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn