In einer 30 Punkte umfassenden gemeinsamen Erklärung beklagen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill, dass weiterhin zahlreiche Hindernisse zwischen den Kirchen und Christen andauerten.
In einer 30 Punkte umfassenden gemeinsamen Erklärung beklagen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill, dass weiterhin zahlreiche Hindernisse zwischen den Kirchen und Christen andauerten.
Franziskus und Kyrill für gemeinsame Stimme der Kirchen zur Verteidigung der verfolgten Christen.
Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kyrill I. haben sich bei ihrem historischen Gipfeltreffen am Freitag, 12. Februar 2016 auf Kuba für die Wiederherstellung der christlichen Einheit und zur Zusammenarbeit bei den Herausforderungen der Welt ausgesprochen. In einer 30 Punkte umfassenden gemeinsamen Erklärung beklagen sie, dass weiterhin zahlreiche Hindernisse zwischen den Kirchen und Christen andauerten. Dennoch müssten Orthodoxe und Katholiken versuchen, ein "einmütiges Zeugnis für die Wahrheit zu geben". "Wird sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister", heißt es in dem achtseitigen Text.
Besorgt äußern sich Franziskus und Kyrill insbesondere über die Verfolgung von Christen in vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. Gemeinsam müssten die Kirchen ihre Stimme zur Verteidigung der verfolgten Christen erheben. Die internationale Gemeinschaft müsse dringend handeln, um einer weiteren Vertreibung der Christen im Nahen Osten zuvorzukommen. Weiter sprechen sich die beiden Kirchenführer für die Achtung der Religionsfreiheit aus. Sie beklagen dabei auch die Beschränkungen von Rechten der Christen in Europa durch einen "oft sehr aggressiven Säkularismus".
Weiter fordern sie ein gemeinsames Vorgehen gegen die Armut in der Welt sowie Solidarität mit allen Leidenden. Eindringlich unterstreichen beide die zentrale Rolle der auf der Ehe von Mann und Frau gegründeten Familie. Schließlich fordern sie, das unveräußerliche Recht auf Leben zu respektieren, sie verurteilen Euthanasie und äußeren sich besorgt über biomedizinische Experimente.
Nach einer zweistündigen privaten Unterredung in einer Flughafen-Lounge hatten Franziskus und Kyrill I. die gemeinsame Erklärung in einer italienischen und einer russischen Fassung unterzeichnet. Zum Abschluss umarmten sich die beiden Kirchenführer sichtlich bewegt erneut.
In dem Text fordern Papst und Patriarch, der Gewalt und dem Terrorismus in Syrien und dem Irak ein Ende zu setzen und durch Dialog zu einer raschen Wiederherstellung des inneren Frieden beizutragen. Ausdrücklich bitten sie, die beiden seit April 2013 verschleppten Metropoliten Pavlos und Yohanna Ibrahim von Aleppo freizulassen. Sie verneigten sich von den Märtyrern. Gerade in diesen beunruhigenden Zeiten sei ein interreligiöser Dialog unerlässlich.
Der Text geht auch auf die alten Streitpunkte zwischen katholischer Kirche und russischer Orthodoxie ein. Er verurteilt jede Form von Proselytismus, das Abwerben von Christen anderer Kirche, sowie die frühere Methode des "Uniatismus", der die Herauslösung von Gläubigen von ihrer Kirche betrieb. "Dennoch haben die kirchlichen Gemeinschaften, die unter diesen historischen Umständen entstanden sind, das Recht zu existieren und alles zu unternehmen, was notwendig ist, um die geistlichen Ansprüche ihrer Gläubigen zu befriedigen, bei gleichzeitigem Bemühen, mit ihren Nachbarn in Frieden zu leben", heißt es in dem Text etwa mit Blick auf die Unierten in der Ukraine. Orthodoxe und Griechisch-Katholische müssten sich miteinander versöhnen und Formen des Zusammenlebens finden, die beiderseitig annehmbar seien.
Eindringlich bedauern die Kirchenoberhäupter dabei auch die Auseinandersetzungen in der Ukraine mit ihren vielen Opfern und Verwundungen bei friedlichen Einwohnern. "Wir laden alle Konfliktparteien zur Besonnenheit, zur sozialen Solidarität und zum Handeln ein, um den Frieden aufzubauen." Dabei fordern Franziskus und Kyrill auch ihre Kirchen in der Ukraine zur Zusammenarbeit auf, "um zur gesellschaftlichen Eintracht zu gelangen, sich einer Beteiligung an der Auseinandersetzung zu enthalten und nicht eine weitere Entwicklung des Konfliktes zu unterstützen".
Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kyrill I. haben zum Abschluss ihres historischen Treffens auf Kuba eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. "Kathpress" dokumentiert Auszüge des achtseitigen Textes in der offiziellen vatikanischen Übersetzung:
5. Trotz dieser gemeinsamen Tradition der ersten zehn Jahrhunderte sind Katholiken und Orthodoxe seit ungefähr tausend Jahren der Gemeinschaft in der Eucharistie beraubt. Wir sind getrennt durch Wunden, die durch Konflikte in ferner oder naher Vergangenheit hervorgerufen wurden, durch von den Vorfahren ererbte Gegensätze im Verständnis und in der Ausübung unseres Glaubens an Gott (...).
6. Im Bewusstsein, dass zahlreiche Hindernisse andauern, hoffen wir, dass unsere Begegnung zur Wiederherstellung dieser von Gott gewollten Einheit, für die Christus gebetet hat, beitragen kann. (...)
8. Unser Augenmerk richtet sich in erster Linie auf die Gebiete in der Welt, wo die Christen Opfer von Verfolgung sind. In vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas werden Familien, Dörfer und ganze Stände unserer Brüder und Schwestern in Christus ausgelöscht. Ihre Kirchen werden verwüstet und barbarisch ausgeplündert, ihre sakralen Gegenstände profaniert, ihre Denkmale zerstört. In Syrien, im Irak und in anderen Ländern des Nahen Ostens stellen wir mit Schmerz eine massenhafte Abwanderung der Christen fest. (...)
10. In Syrien und im Irak hat die Gewalt bereits Tausende von Opfern gefordert sowie Millionen von Menschen obdachlos und ohne Mittel zurückgelassen. Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, sich zu vereinen, um der Gewalt und dem Terrorismus ein Ende zu setzen, und zugleich durch den Dialog zu einer raschen Wiederherstellung des inneren Friedens beizutragen. (...) Wir bitten alle, die auf das Schicksal der Entführten, unter ihnen die Metropoliten von Aleppo Pavlos und Yohanna Ibrahim, die im April 2013 verschleppt wurden, Einfluss nehmen können, alles zu unternehmen, was für ihre rasche Befreiung nötig ist.
11. (...) Einen dringenden Appell richten wir an alle Parteien, die in die Konflikte verwickelt sein können, auf dass sie guten Willen zeigen und sich an den Verhandlungstisch setzen. Zugleich ist es nötig, dass die internationale Gemeinschaft alle möglichen Anstrengungen unternimmt, um dem Terrorismus mit Hilfe von gemeinsamen, vereinten und abgestimmten Aktionen ein Ende zu setzen. Wir rufen alle Länder auf, die in den Kampf gegen den Terrorismus involviert sind, in verantwortungsvoller und umsichtiger Weise zu handeln. Wir ermahnen alle Christen und alle Gottgläubigen, mit Inbrunst den sorgenden Schöpfer der Welt zu bitten, auf dass er seine Schöpfung vor der Vernichtung bewahre und keinen neuen Weltkrieg zulasse. (...)
13. In dieser beunruhigenden Zeit ist der interreligiöse Dialog unerlässlich. Die Unterschiede im Verständnis der religiösen Wahrheiten dürfen die Menschen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen nicht davon abhalten, in Frieden und Eintracht zu leben. Unter den aktuellen Umständen haben die Leiter der Religionsgemeinschaften die besondere Verantwortung (...). Absolut inakzeptabel sind die Versuche, kriminelle Handlungen mit religiösen Slogans zu rechtfertigen. Kein Verbrechen kann im Namen Gottes begangen werden (...).
14. Indem wir den hohen Wert der Religionsfreiheit bekräftigen, danken wir Gott für die noch nie dagewesene Erneuerung des christlichen Glaubens, die gerade in Russland und in vielen Ländern Osteuropas geschieht, wo über Jahrzehnte hinweg atheistische Regime vorgeherrscht haben. (...)
15. Gleichzeitig sind wir über die Situation in vielen Ländern besorgt, in denen die Christen immer häufiger mit einer Einschränkung der religiösen Freiheit, des Rechts, die eigenen Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen, und der Möglichkeit, ihnen entsprechend zu leben, konfrontiert sind. Besonders stellen wir fest, dass die Transformation einiger Länder in säkularisierte Gesellschaften, die jedem Bezug zu Gott und seiner Wahrheit fernstehen, eine schwere Bedrohung für die Religionsfreiheit darstellt. (...)
16. Der Prozess der Integration Europas, der nach Jahrhunderten blutiger Konflikte begonnen wurde, ist von vielen mit Hoffnung aufgenommen worden, wie eine Garantie für Frieden und Sicherheit. Wir möchten allerdings dazu einladen, gegenüber einer Integration, die die religiöse Identität nicht achtet, wachsam zu sein. Auch wenn wir für den Beitrag anderer Religionen zu unserer Kultur offen sind, sind wir davon überzeugt, dass Europa seinen christlichen Wurzeln treu bleiben muss. (...)
17. Unser Blick richtet sich auf die Menschen, die sich in großer Schwierigkeit befinden, die unter Bedingungen extremer Bedürftigkeit und Armut leben, während der materielle Reichtum der Menschheit zunimmt. Wir können nicht gleichgültig gegenüber dem Los von Millionen von Migranten und Flüchtlingen sein, die an die Tür der reichen Länder klopfen. (...)
19. Die Familie ist die natürliche Mitte des menschlichen Lebens und der Gesellschaft. Wir sind über die Krise der Familien in vielen Ländern besorgt. Orthodoxe und Katholiken teilen die gleiche Auffassung über die Familie. Sie sind aufgerufen zu bezeugen, dass sie ein Weg zur Heiligkeit darstellt, der in der Treue der Eheleute in ihren gegenseitigen Beziehungen, in ihrer Offenheit für den Nachwuchs und für die Erziehung der Kinder, in der Solidarität zwischen den Generationen und der Achtung der Schwächsten zum Ausdruck kommt.
21. Wir bitten alle, das unveräußerliche Recht auf Leben zu respektieren. Millionen Kindern ist selbst die Möglichkeit versagt, zur Welt zu kommen. (...) Die Entwicklung der sogenannten Euthanasie führt dazu, dass die alten Menschen und die Kranken beginnen, sich als eine übermäßige Last für ihre Familien und die Gesellschaft allgemein zu fühlen. Wir sind auch besorgt über die Entwicklung der technischen Entwicklung der biomedizinischen Fortpflanzung, denn die Manipulierung des menschlichen Lebens ist ein Angriff auf die Grundlagen der Existenz des Menschen, der als Abbild Gottes erschaffen ist. (...)
24. Orthodoxe und Katholiken sind nicht nur durch die gemeinsame Tradition der Kirche des ersten Jahrtausends miteinander verbunden, sondern auch durch die Sendung, das Evangelium Christi in der Welt von heute zu verkünden. Diese Sendung beinhaltet die gegenseitige Achtung für die Mitglieder der christlichen Gemeinschaften und schließt jede Form von Proselytismus aus. Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister, (...) So darf man nicht zulassen, dass unlautere Mittel eingesetzt werden, um die Gläubigen zum Übertritt von einer Kirche zur anderen zu bewegen, und so ihre Religionsfreiheit und ihre Traditionen verneint werden. (...)
25. Wir hoffen, dass unsere Begegnung auch dort zur Versöhnung beitragen möge, wo Spannungen zwischen Griechisch-Katholischen und Orthodoxen bestehen. Heute ist klar, dass die Methode des "Uniatismus" aus der Vergangenheit, der als Vereinigung einer Gemeinschaft mit der anderen durch ihre Loslösung von ihrer Kirche verstanden wurde, nicht eine Weise ist, die es ermöglicht, die Einheit wiederherzustellen. Dennoch haben die kirchlichen Gemeinschaften, die unter diesen historischen Umständen entstanden sind, das Recht zu existieren und alles zu unternehmen, was notwendig ist, um die geistlichen Ansprüche ihrer Gläubigen zu befriedigen (...).
26. Wir bedauern die Auseinandersetzung in der Ukraine, die bereits viele Opfer gefordert hat (...). Wir laden alle Konfliktparteien zur Besonnenheit, zur sozialen Solidarität und zum Handeln ein, um den Frieden aufzubauen. Wir laden unsere Kirchen in der Ukraine ein zu arbeiten, um zur gesellschaftlichen Eintracht zu gelangen, sich einer Beteiligung an der Auseinandersetzung zu enthalten und nicht eine weitere Entwicklung des Konfliktes zu unterstützen. (...)