Das Vorgehen bei den Grenzschließungen kritisierte Kardinal Christoph Schönborn in der "Pressestunde" im ORF wie schon bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Bischofs-Frühjahrsvollversammlung scharf.
Das Vorgehen bei den Grenzschließungen kritisierte Kardinal Christoph Schönborn in der "Pressestunde" im ORF wie schon bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Bischofs-Frühjahrsvollversammlung scharf.
"Immer mehr Muslime wollen Christen werden, wir prüfen sehr genau, ob es eine ehrliche Konversion ist", so Kardinal Christoph Schönborn in der ORF Pressestunde.
Kardinal Christoph Schönborn hat sich dafür ausgesprochen, die Idee "humanitärer Korridore" für Flüchtlinge in Österreich wieder verstärkt aufzugreifen, d.h. ihnen die Möglichkeit zu geben, jenseits von "Fluchtdramen" und in Sicherheit ins Land zu kommen. Er erinnerte in der "ORF-Pressestunde" am Sonntag, 13. März 2016 an 1.500 Syrer, die im Vorjahr im Einvernehmen mit dem Innenministerium direkt aus den Krisengebieten aufgenommen wurden und sich mittlerweile gut in Österreich integriert hätten. Ein solches "geordnetes Resettlement" - die dauerhafte Neuansiedlung von Flüchtlingen in einem Drittland - würde nach den Worten des Kardinals auch dem Schlepperwesen entgegenwirken, da sich seit dem Schließen der Balkanroute wieder im Aufwind befindet.
Das Vorgehen bei den Grenzschließungen kritisierte Kardinal Schönborn in der "Pressestunde" im Gespräch mit Andreas Pfeifer (ORF) und Petra Stuiber ("Der Standard") wie schon bei der Pressekonferenz am Freitag zum Abschluss der Bischofs-Frühjahrsvollversammlung scharf: Das eigenmächtige Vorgehen europäischer Nationalstaaten ohne Berücksichtigung deutscher Vorbehalte und ohne Einbindung Griechenlands halte er für einen "Akt mangelnder europäischer Solidarität", sagte der Wiener Erzbischof. Österreich müsse sich diesen Vorwurf ebenso gefallen lassen wie einige seiner Nachbarstaaten und Länder auf dem Balkan.
Zugleich äußerte Kardinal Schönborn Verständnis für politische "Notmaßnahmen", wenn sich EU-Staaten beharrlich solidarischen Lösungen verweigerten. Bundeskanzler Werner Faymann habe ihm im persönlichen Gespräch dargelegt, dass neuerliche 90.000 Asylanträge im Jahr 2016 nicht verkraftbar wären. Die Politik als "die Kunst des Möglichen" habe jedenfalls eine humanitäre Verantwortung für Heimatvertriebene, der sie sich nicht entziehen könne. "Wie geht es weiter mit den Menschen in Idomeni? Das ist unsere gemeinsame Verantwortung, nicht nur ein griechisches Problem", betonte der Kardinal.
Kardinal Schönborn brach eine Lanze für die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die mit einem "tiefen Gespür für Menschlichkeit" agiert habe. Sie sage am deutlichsten, dass Europa die derzeitige Krise gemeinsam schultern müsse - eine Haltung, die auch Politikern anderer Länder gut anstünde, wie Schönborn anmerkte. Er äußerte Freude darüber, dass die deutschen Bischöfe der Kanzlerin - "eine mutige, kluge Frau" - trotz innenpolitischem Gegenwind die Stange halten.
Die jüngst veröffentlichte Stellungnahme, in der Theologen, Ordensvertretern und Repräsentanten katholischer Organisationen gegen ein Schüren fremdenfeindlicher Ressentiments aus politischem Kalkül aufgetreten waren, schätze er und stimme inhaltlich voll zu, so der Kardinal. Er teile die Kritik an einer "Politik der Angst und der Inhumanität" und halte daran fest, dass Asyl - in allen Religionen, wie der Wiener Erzbischof erklärte - ein "heiliges Recht" sei.
Im Verhältnis zum Islam sind Gewissens- und Religionsfreiheit als "Schlüsselbegriffe der Menschenrechte" unaufgebbar, und sie müssen hier und in islamischen Ländern eingefordert werden. Das unterstrich Kardinal Christoph Schönborn am Sonntag in der "ORF-Pressestunde". Muslime, die nach Österreich kommen, müssten diese Werte kennenlernen und auch akzeptieren. Deswegen sage er auch deutlich Ja zur Vermittlung eines entsprechenden Wertekatalogs an Flüchtlinge. Anders als dem Christentum und dem Judentum fehle im Islam eine Aufklärung, die in Europa mühsam Stück für Stück errungen werden musste, wies Schönborn hin. In islamischen Ländern bestehe "Religionsfreiheit bestenfalls auf dem Papier".
Angesprochen auf die am Montagabend in Wien-Liesing geplante Bürgerinitiative-Demonstration gegen ein neues Asylquartier, auf das katholische und evangelische Pfarrgemeinden mit einem Friedensgebet und gemeinsamen Glockengeläut reagieren wollen, sagte Kardinal Schönborn: "Flüchtlinge haben ein Recht auf Obdach", bis ihr Asylverfahren abgeschlossen sei. "Sollen sie sich in Luft auflösen?" Der Sorge von Anrainern müsse mit einem Betonen des Miteinanders und nicht mit dem Schüren von Angst begegnet werden. Nichts anderes sei da Anliegen des Gebets in Liesing, zu dem wie üblich mit Glockengeläut eingeladen werde.
Er selbst habe im persönlichen Kontakt mit Flüchtlingen immer wieder seinen Horizont erweitert. "Es ändert die Perspektive", wenn man Fluchtgeschichten konkreter Menschen höre. Wer die trostlose Situation in Flüchtlingslagern im Umkreis Syriens - die zuletzt immer weniger internationale Unterstützung erfuhren - mitbekomme, könne nachvollziehen, dass Betroffene "nichts wie weg" wollten.
Papst Franziskus hat in der Kirche eine "Revolution der Barmherzigkeit" in Gang gesetzt. So lautet die Zwischenbilanz von Kardinal Christoph Schönborn am dritten Jahrestag der erstmaligen Wahl eines Südamerikaners auf den Stuhl Petri. "Wer bin ich, dass ich meinen Nächsten verurteile?": Diese Worte des Papstes seien kennzeichnend für seine barmherzige Haltung, sagte der Wiener Erzbischof im Rahmen der "ORF-Pressestunde“.
Es sei richtig, dass es gegen die Linie des Papstes "auch echte Opposition in Teilen der Kirche" und nicht nur in der Kurie gebe. Franziskus sei aber nicht alleine, wie oft behauptet, sondern habe "enormen Zuspruch" - ach außerhalb der Kirche. "Er kann hervorragend mit seinen Gegnern umgehen, in dem wie er sie einbindet", und sei "ein mutiger Mann", so der Kardinal.
Bei der Kurienreform seien deutliche Fortschritte im Finanzbereich erfolgt, so Schönborn in seiner Eigenschaft als Mitglied der Kardinalskommission zur Aufsicht der Vatikanbank IOR. Ein weiteres Verdienst des Papst sei es, dass er die diplomatische Rolle des Vatikans "wieder auf Vordermann gebracht hat", was bei den kirchlichen Bemühungen um eine Annäherung zwischen den USA und Kuba erkennbar gewesen sei.
Auf die Frage über einen möglichen Wechsel in den Vatikan sagte Kardinal Schönborn: "Ich habe kein Fernweh nach Rom und bin sehr dankbar, dass Wien meine Heimat geworden ist."