Die nahenden Olympischen Sommerspiele verschlechtern die Lebenssituation und Perspektiven vieler junger Menschen von Rio de Janeiro. Darauf weist die Kampagne Nosso Jogo hin.
Die nahenden Olympischen Sommerspiele verschlechtern die Lebenssituation und Perspektiven vieler junger Menschen von Rio de Janeiro. Darauf weist die Kampagne Nosso Jogo hin.
Vorbereitungen des Sportevents gehen zulasten von Schulen, Gesundheitsversorgung oder des sozialen Friedens in der Millionenstadt.
Die nahenden Olympischen Sommerspiele verschlechtern die Lebenssituation und Perspektiven vieler junger Menschen von Rio de Janeiro: Das haben zwei Kinder aus der brasilianischen Millionenstadt, Ricardo da Conceicao Aquino und Leticia Silva Farias, am Dienstag 24. Mai 2016 bei einer "Kinderpressekonferenz" in Wien dargelegt.
Die beiden 13-Jährigen sind Mitglieder des Zirkus- und Kinderrechteprojekts "Se essa rua fosse minha" (SER). Bei ihrem Österreich-Besuch auf Einladung der Dreikönigsaktion bewarben sie die Initiative "Nosso Jogo" für Menschenrechtsstandards bei großen Sportereignissen.
Wie schon 2014 bei der Fußball-WM wendet Rios Stadtverwaltung auch heuer für die Vorbereitung und Austragung von Olympia immens viel Steuergeld auf, das anderwärtig fehlt. In zahlreichen Schulen würden schon seit Monaten Schulmaterialien, Bücher oder sogar die Lehrergehälter nicht ausbezahlt, berichtete Ricardo. Selbst viele Schulbüchereien, Theatersäle oder Schwimmbäder seien aufgrund fehlender Mittel für die Instandhaltung geschlossen. An manchen Schulen hätten die Schüler bereits Protestbesetzungen gestartet.
"Die Stadt sagt den Leuten: Seid glücklich, dass ihr für Olympia ausgewählt worden seid. Doch man hätte sich vorher schon fragen sollen: Können wir uns das überhaupt leisten?", kritisierte Ricardo. Auch in Krankenhäusern fehle das Geld an allen Ecken und Enden, wodurch man bei Notfällen stundenlang warten müsse; durch das Sparen bei der Müllabfuhr verwandelten sich viele Straßen in Müllhalden und vielerorts gebe es kein sauberes Trinkwasser. Der öffentliche Verkehr sei abseits von Touristenzonen katastrophal, womit es an den Hauptstraßen täglich zu stundenlangen Staus komme. "Das ärgert mich - und auch die anderen Leute von Rio", so der 13-Jährige, der selbst in einem Armenviertel lebt.
Besonders tragisch für Kinder sind jedoch die vielen Umsiedlungen von Armenvierteln, die die Stadt für Sportstätten oder zum bloßen Aufpolieren ihres Erscheinungsbildes durchführt. Den Angaben zufolge waren allein in Rio bereits 70.000 Menschen für die WM und für Olympia davon betroffen, manche mussten ihr Zuhause sogar binnen Stunden räumen. Ricardo: "Schlimm ist für die Kinder, dass sie damit auf einen Schlag alle Freunde verlieren und in der neuen Wohnumgebung oft nicht wieder in die Schule einsteigen können."
Damit Gästen ein "sauberes Rio" präsentiert werden kann, geht die Polizei brutal vor. "Brasilianische Kinder leben daher oft in Angst und müssen Schlimmes mitansehen", so die Kritik von Leticia. Sie selbst erlebte einen Vorfall mit, bei dem Polizisten ein Kind mit Drogen erwischten und es schlugen, wogegen sich der Junge zur Wehr setzte. Als ihm Nachbarn zu Hilfe eilten, eskalierte die Situation völlig, wobei die Polizei den Buben mit Pfefferspray am Auge verletzte. Immer wieder werden Kinder und Jugendliche von der Polizei sogar einfach erschossen. Leticias Wunsch: "dass es weniger Gewalt gibt".
Den Blick hinter die Kulissen von Olympia zu werfen ist Hauptanliegen der Aktion "Nosso Jogo", verdeutlichte Ute Mayrhofer von der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar (DKA) gegenüber "Kathpress". Den brasilianischen Projektpartnern zufolge sei deren Einsatz für Menschenrechte vor Ort erst dann überhaupt wahrgenommen worden, "als die ersten Artikel in Europa über ihr Engagement erschienen sind". Es sei daher von großer Bedeutung, genau auf das Umfeld der Spiele zu schauen, denn "niemand soll leiden, wenn es Großsportereignisse gibt".
Ein Dazulernen seit der WM 2014 in Brasilien, als die Menschenrechte bereits im Fokus der Kritiker standen, habe es vor allem auf Seiten der Zivilgesellschaft gegeben, so Mayrhofers Eindruck. "Es gibt immer mehr Proteste und die Menschen organisieren sich. Einige Erfolge konnten so erreicht werden, wenn etwa Favelas nicht oder bloß zu einem geringerem Teil vertrieben wurden." Auf Ebene der großen Politik seien viele Missstände jedoch gleich geblieben, etwa "der polizeiliche Druck oder die Kriminalisierung der sozialen Bewegung". Man müsse daher "am Ball bleiben", so die NGO-Expertin.
Der Initiative "Nosso Jogo" gehören über 100 österreichische und 20 internationale Partner sowie die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit an. Im Rahmen der Kampagne wurde u.a. eine Petition an das Internationale Olympische Komitee (IOC) für bindende Menschenrechtsstandards bei Sportgroßevents gestartet, das auch bereits von Sportminister Hans Peter Doskozil und zahlreichen Olympia-Athleten unterstützt wurde.