"Der Schlüssel, damit die Jugend mit der Kirche verbunden bleibt, sind Beziehungen", sagt Jugendleiter Chris Wesley.
"Der Schlüssel, damit die Jugend mit der Kirche verbunden bleibt, sind Beziehungen", sagt Jugendleiter Chris Wesley.
"Wenn die Menschen am Sonntag zur Messe kommen, sollen sie etwas Unvergessliches erleben“, sagt Christopher Wesley von der "Church of the Nativity", einer wachsenden Pfarre in den USA im SONNTAG-Interview. "Unsere große Vision: Wir bringen Katholiken, die die Kirche verlassen haben, wieder zurück."
Was bedeutete als Teenager für Sie die Zeit in der katholischen Jugend?
Christopher Wesley: Es war mich eine Art Fluchtort, weil meine Eltern zu dieser Zeit sich scheiden ließen. Das Leben zu Hause war nicht immer leicht. Die Kirche war ein Platz, wo ich geliebt und unterstützt wurde und ich den Streitigkeiten zuhause entkommen konnte. Ich traf mich mit Freunden und lernte Gott besser kennen.
Trotzdem erlebten Sie eine Enttäuschung in Ihrer Gemeinde.
Christopher Wesley: Bis zu meinem letzten Jahr in der High School war alles großartig. Ich erwartete, dass ich Mitglied des Leitungsteams einer Einkehr- und Besinnungsveranstaltung werden würde. Die damalige Jugendleiterin rief mich in ihr Büro: „Chris, wir denken nicht, dass du stabil genug bist, um Leiter zu sein.“ Ich war sehr enttäuscht. Das, was sie sagte, war vielleicht nicht falsch, aber wie sie es sagte, war nicht sehr pastoral. Ich wurde wütend auf sie, auf die Jugend, auf die Kirche, und ich verließ die Gemeinschaft.
Wie kamen Sie aber wieder zurück?
Christopher Wesley: Glücklicherweise besuchte ich nach der High School die Xavier University, eine katholische Universität der Jesuiten in Cincinnati, Ohio. Hier konnte ich Männer und Frauen kennenlernen, die mir zeigten, warum ich die Kirche als Kind so sehr liebte. Sie sind ein Grund, warum ich heute Jugendleiter bin, obwohl meine ursprüngliche Absicht war, nach meinem Studium der Kommunikationswissenschaften etwas im Bereich Radio oder Fernsehen zu machen. Es war ein Weg Gottes mir zu sagen: "Ich habe andere, bessere Pläne für dich. Ich möchte, dass du in einer Pfarrgemeinde Dienst tust."
Im College hatten Sie einen spirituellen Mentor. Was haben Sie von ihm gelernt?
Christopher Wesley: Father Al Bischoff sah immer das Gute in den Menschen, und das ist etwas, das ich in meiner Jugendarbeit weiterführe. Jedes Mal, wenn ich Teenager mit Tätowierungen oder buntem Haar sehe – das sind nicht die regulären Pfarrjugendlichen – versuche ich die potentielle Heiligkeit in ihnen zu sehen. Wie Father Bischoff damals mich fragte: "Wie geht es dir, Heiliger?" Und meine Antwort war: "Warum nennen Sie mich einen Heiligen? Ich komme gerade von einer Party. Ich bin alles andere als ein Heiliger." Er wiederum zu mir: "Grundsätzlich bist du einer."
Viele Menschen in Europa und den USA sind Teil der Kirche in ihren Teenagerjahren, später sind sie nicht mehr am kirchlichen Leben interessiert. Wie kann man sie dazu bewegen, in der Kirche zu bleiben?
Christopher Wesley: Der Schlüssel, damit die Jugend mit der Kirche verbunden bleibt, sind Beziehungen. Wir als Erwachsene müssen uns vergewissern, dass sie sich nicht nur anderen Jugendlichen in der Kirche anschließen, sondern auch Erwachsenen, die ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenken, so dass sie auch ein Teil der Kirche sein wollen. Es gilt Erwachsene zu finden, die die Kirche so sehr lieben, dass sie ganz aufgeregt sind, diese Liebe weiterzugeben. Es ist dasselbe, wenn du eine gewisse Musik, einen bestimmten Sport oder Film liebst. Du teilst es all deinen Freunden mit. So sollen Erwachsene mit der Jugend den Glauben teilen und nicht sagen, wie die Jugendlichen glauben müssen, sondern sie einfach einladen, dies zu tun.
Welche Vision hat Ihre Pfarre?
Christopher Wesley: Wir wollen, dass Kirche wieder zu einer Bedeutung gelangt. Machen wir die Kirche wieder relevant für das Leben der Menschen und ziehen wir Jünger heran, die wiederum Jünger heranziehen, und tun wir das unter den Katholiken, die die Kirche verlassen haben! Wir wollen sie zurückbringen und auch anderen Gemeinden beibringen, dasselbe zu tun. Alle Treffen unserer Pfarrgemeinde sind auf das Wochenende konzentriert. Es geht darum, wenn du am Sonntag zur Messe kommst, dass du etwas Unvergessliches erlebst und ermutigt wirst, die nächste Woche für noch mehr zurückzukommen. Ein wichtiger Teil ist, sicherzustellen, dass sie in kleinen Gruppen zusammentreffen, denen wir pastorale Dienste zukommen lassen. Wir sehen es als entscheidend an, einen klaren Weg der Jüngerschaft zu zeigen, der es den Menschen nicht nur erlaubt, sich als Teil der Gemeinschaft zu fühlen. Sie sollen auch sehen, dass sie im Glauben wachsen und lernen können, mehr wie Christus zu werden.
Gibt es eine besondere Strategie, um verloren gegangenen Katholiken wieder eine Heimat zu bieten?
Christopher Wesley: Eine unserer Hauptzielgruppen nennen wir „Timonium Tim“. Um Tim zu erreichen, müssen wir seine Geschichte kennen: Er ist einem katholischen Haus aufgewachsen. Tim ging in die katholische Schule, er wurde gefirmt, aber jemand sagte zu ihm, nachdem er gefirmt worden war, dass er nicht mehr in die Kirche gehen müsse. Also entschied er, nicht mehr in die Kirche zu gehen, weil die Gemeinde, in der er aufwuchs, ihm nicht wirklich irgendetwas mehr als die Firmung anbot.
Aber wie können wir Tim wieder zurück in die Glaubensgemeinschaft holen? Er ist ein guter Mann, er liebt seine Familie, er arbeitet hart, aber er meint, dass ihm etwas fehlt. Es ist schwierig, herauszufinden, was er genau vermisst, um diesen Bereich in seinem Leben anzusprechen. So stellen wir verschiedene Arten von Diensten innerhalb der Gemeinde auf: Wir helfen den Leuten, ihre Autos zu parken, wir begrüßen sie an der Tür, wir bieten Programme für ihre Kinder. Wenn Tim zum ersten Mal wieder nach langer Zeit in die Messe kommt, braucht er sich keine Sorgen machen, verurteilt zu werden oder muss nicht gestresst sein, weil er nicht weiß, was zu tun ist.
Wie lässt sich Ihr reichhaltiges Pfarrprogamm finanzieren?
Christopher Wesley: Es braucht Geld für die verschiedenen Dienste, und die Art, wie wir zu Geld kommen, ist die Kollekte, das, was die Pfarrmitglieder bereit sind, der Pfarre zu geben. Wir sprechen in der Gemeinde sehr offen über finanzielle Dinge. In der Bibel wird von Geld über 800-mal geredet, es ist eine wichtige Angelegenheit. Gott will, dass wir eine gesunde Beziehung zu Geld haben. Wir sagen den Leuten, dass sie nicht zugleich Gott und dem Mammon, dem Geld dienen können. Die Weise, Gott zu dienen, geschieht dadurch, dass wir ihm unser Geld anvertrauen. Wir helfen den Pfarrmitgliedern bei ihren persönlichen Finanzen, indem wir einen Kurs der Financial Peace University von Dave Ramsey, einem berühmten Finanzplaner in den Vereinigten Staaten, anbieten. Wir wollen, dass sich Leute wohl und erfolgreich mit ihrem eigenen Geld fühlen, und wir bitten sie darum, der Kirche ihr Geld sorgenfrei zu geben.
In der US-amerikanischen Pfarre "Church of the Nativity" in Timonium, Baltimore County, Maryland arbeiten etwa 25 Menschen In Voll- oder Teilzeit. Außerdem sind ungefähr 800 Freiwillige in der Pfarrgemeinde tätig: von Parkplatzeinweisern, Mitarbeiter/innen im Welcome-Service und im Pfarrcafé bis hin zu den Ehrenamtlichen in der Kinder- und Jugendpastoral.
Die katholische Pfarre zählt etwa 4000 Mitglieder. Am Wochenende gibt es fünf verschiedene Messen, eine am Samstag und vier am Sonntag. In der umliegenden Gemeinde leben etwa 20.000 Katholiken. Aber nicht jeder, der zur Kirche kommt, stammt aus dem Pfarrgebiet. Einige Leute fahren bis zu einer Stunde, um die Messe mitzufeiern. Im Augenblick hat die wachsende Pfarre eine Kapazitätsgrenze erreicht und möchte einen neuen Kirchenraum errichten. Zurzeit kann die Kirche 500 bis 600 Menschen fassen, in den neuen Kirchenraum passen etwa 1500 Gläubige.
Für die Jugendlichen gibt es zwei Hauptprogramme: für mittlere Schüler (10 bis 13 Jahre) und höhere Schüler (14 bis 18 Jahre). Bevor sie sich in kleinen Gruppen – getrennt nach Alter und Geschlecht – treffen, gibt ihnen der Jugendleiter eine Botschaft, basierend auf den Bibelstellen der Sonntagslesungen, mit. In der Gruppenarbeit diskutieren sie die Botschaft und eine Reihe von Fragen dazu.
Weitere Informationen zu Der SONNTAG, die Zeitung der Erzdiözese Wien