Wallfahrtskirche „Maria Blanca Estrella de la Mar“ an der Pazifikküste von Ecuador.
Wallfahrtskirche „Maria Blanca Estrella de la Mar“ an der Pazifikküste von Ecuador.
Auch nach seiner Pensionierung ist er unermüdlich in der Seelsorge im südamerikanischen Land tätig. Im Interview erzählt Helmut Nagorziansky, wie es dazu kam, dass er in die Mission ging.
In seiner Wahlheimat Ecuador wird er liebevoll „Padre Helmut“ genannt. Seit 1987 ist er im südamerikanischen Land am Äquator missionarisch tätig. Bei einem seiner seltenen Besuche in Wien treffen wir unseren Evangeliumskommentator Helmut Nagorziansky und plaudern mit ihm anlässlich des Weltmissionssonntages bei einer guten Schale Kaffee über sein bewegtes Leben.
Padre Helmut Nagorziansky beim Gottesdienstist. Er ist nun Rektor der Wallfahrtskirche „Maria Blanca Estrella de la Mar“ an der Pazifikküste von Ecuador.
Eine der ersten Fragen, die sich uns aufdrängt: War es ihm bald nach der Priesterweihe klar, dass er in die Mission gehen wollte?
„Ich war schon viele Jahre in verschiedenen Pfarren tätig und habe mich während meiner seelsorglichen Tätigkeit in der Pfarre St. Christoph am Rennbahnweg drei Wochen zur Kur nach Marienkron zurückgezogen“, erzählt der Padre.
„Ich hatte Unterlagen von der Jugendstelle am Stephansplatz mitgenommen. Was habe ich darunter gefunden? Notizen von Herbert Leuthner und Josef Heißenberger. Beide in der Mission in Ecuador tätig.“
Nagorziansky sieht es heute noch als ein Zeichen von oben, denn dies alles geschah rund um den Missionssonntag. Und noch eine Fügung: Er versuchte, Josef Heißenberger in Ecuador zu erreichen, erfuhr am Telefon, dass sich dieser gerade in Österreich aufhielt. Er traf sich mit ihm und bekam eine Einladung nach Ecuador.
Zurück von der großen Reise in Südamerika erzählte er dem neuen Wiener Erzbischof Hans Hermann Groer in dessen ersten Sprechstunde über seinen Wunsch, Missionar in Ecuador zu werden. „Er war wenig begeistert und sagte: ‚Überlege dir das bitte noch einmal.“
Helmut Nagorziansky gab nicht gleich auf. „Ich habe schon eine Professorin aus Spanien in meiner Pfarre gefunden, die mir die Sprache lehren möchte.“ Die Antwort des Erzbischofs: „Dann beginne halt schon einmal, Spanisch zu lernen.“
Was hat Sie beim Start in Ecuador erwartet?
Ich bin sofort in einer Pfarre eingesetzt worden, wo auch Ordensschwestern tätig waren. Das erste Jahr war sehr schwierig, weil ich geglaubt habe, ich kann schon Spanisch, dabei konnte ich es nicht wirklich.
In der Messe habe ich das Evangelium selber vorgelesen und danach mit meiner Predigt begonnen. Nach ein paar Sätzen habe ich aber eine der Schwestern gebeten, zu sagen, was ich der Gemeinde mitteilen möchte. Wir haben das am Freitag davor im Teamgespräch abgestimmt.
Ein Jahr lang hat sie mich immer wieder bei der Predigt unterstützt. Oft habe ich sie unterbrochen und in meinen Worten fortgesetzt. So haben wir gemeinsam gepredigt. Die Leute haben das angenommen und nach einem Jahr haben wir schon eine Kirche gebaut.
Wie können wir uns Seelsorge in diesem lateinamerikanischen Land vorstellen?
Ganz wichtig sind unsere ausgebildeten ehrenamtlichen Katecheten. Wir haben immer wieder versucht, dass sie nicht nur die Erstkommunionskinder oder die Firmlinge im Blick haben, sondern dass sie auch mithelfen, in ihrem Bereich in einer anderen Form mitzuarbeiten, und sei es als „Briefträger“.
Wir haben z.B. ein Pfarrblatt herausgeben und nicht nur in der Kirche aufgelegt. Wir haben einen Verteilerkreis gebildet, damit jedes Haus monatlich das Blatt bekommt. Es war die Aufgabe der Catechistas oder ihrer Helfer, an die Menschen heranzukommen, sie zu informieren und sie zum Gottesdienst einzuladen.
Manchmal haben wir Rückmeldungen bekommen, dass die Menschen froh sind, dass sie Nachrichten von ihrer Pfarre bekommen. Ein anderes Mal stießen wir auf pure Ablehnung.
Gelingt es, die Jugendlichen für den Glauben zu begeistern?
Leider gibt es nur in manchen Gegenden Jugendgruppen. In meiner letzten Pfarre in Guaquil hatte ich das Glück, dass ich, wie ich hingekommen bin, drei Jugendgruppen vorgefunden habe. Ich war begeistert und habe stark Werbung gemacht. Zum Schluss waren es sechs Jugendgruppen.
In einem Viertel, das neu zu besiedeln war, habe ich regelmäßig Messe gefeiert, das ganze Jahr im Freien, um 10 Uhr. Der Zustrom war und ist so groß, dass sie jetzt schon an einer Kirche bauen. Jugendgruppen sind enorm wichtig, nicht nur Erstkommunions- oder Firmgruppen.
Die jungen Menschen haben zwei Jahre Firmvorbereitung, dann verabschieden sie sich meist von der Kirche.
Was sind die Gründe?
Es fehlt uns einfach die Energie, auf die Leute immer wieder zuzugehen. Und wir sind zu wenig Seelsorger.
Der junge Pfarrer vom Santuario Santa Maria de Olón betreut 17 Dörfer, ich helfe in sechs mit. Ich bin sehr dankbar: Unser Erzbischof, Kardinal Schönborn, hat mir erlaubt, dass ich noch weitere fünf Jahre in Ecuador dienen darf.
Wir schauen, dass wir Seelsorge im weitesten Sinne betreiben können: Gottesdienste, Begräbnisse, Taufen, Firmungen. Wir hatten zuletzt 180 Firmlinge, eine sehr große Zahl. Wir machen einmal im Jahr eine Aktion, um die geistliche Berufung der Jugend zu fördern. Es hat schon bessere Zeiten gegeben, aber wir geben nicht auf und beten weiterhin für Berufungen, die dringend nötig sind.
Kommen wir zurück zu Ihrer Jugend.
Hat der Glaube in Ihrer Familie eine Rolle gespielt?
Meine Eltern sind in die Kirche gegangen - wie damals eine große Anzahl von Österreichern auch. Wir haben im dritten Bezirk in einem sozialistischen Gemeindebau aus den Dreißiger Jahren gewohnt. Die Bewohner waren durch die Bank nicht nur kirchenfern, sondern kirchengegnerisch.
Wie ich am Sonntag mit dem feschen Gewand durch die Wohnanlage gegangen bin, habe ich ein paar Mal gesehen, wie Bewohner die Vorhänge auf die Seite gezogen haben und flüsterten: „Wohin geht der denn jetzt?“
Wohin führte der Weg?
In die Pfarre Maria Geburt am Rennweg. Zwei Jahre vor der Matura war ich pfarrlich sehr aktiv, mit 16 Jahren vergleichsweise relativ spät. Ich war Mitglied der Jugendgruppe, Jungscharführer und Ministrant: Ich bin vor allem mit unserem Kaplan zum Südbahnhof gegangen, weil er dort zwei Frühmessen hatte: um 6 Uhr und 6 Uhr 30. Eine Sonntagsmesse für die Menschen, die wegfahren sind und nicht in eine Pfarre kommen konnten.
Wann haben Sie die Berufung zum Priester gespürt?
Ausschlaggebend war eine Reise nach Frankreich. Es war ein tiefes Erlebnis, den großen Wallfahrtsort Lourdes zu besuchen. Es hat mich alles sehr angesprochen. Wahrscheinlich das erste Zeichen, das mir der Himmel gegeben hat – unbewusst.
An dem freien Nachmittag wollte ich unbedingt in die Berge rund um Lourdes gehen. Ein Mädchen aus der Jugendgruppe von Simmering begleitete mich. Wir haben uns angefreundet und während der Wanderung über alles Mögliche gesprochen. Den Rest der Reise ist sie immer neben mir gesessen. Am Bahnhof zuhause war großer Abschied von allen Mitfahrenden.
„Helmut, wann sehen wir uns wieder?“, fragte mich meine neue Freundin. Ich habe geantwortet: „Wir werden uns nicht mehr sehen. Denn ich werde Religionsprofessor und nicht Mathematikprofessor.“ Das hat damals bedeutet, dass man dafür Priester werden musste. Warum ich ihr es als erste gesagt habe, weiß ich bis heute nicht. Die Eltern daheim wussten noch nichts von meiner Entscheidung.
Wie haben die Eltern die Nachricht aufgenommen?
Sie wollten es zunächst nicht akzeptieren. Mein Vater hat geglaubt, ich werde jetzt wie er ein Schneider oder Professor für Mathematik, Physik oder Chemie.
Aber schlussendlich haben sie mich unterstützt. Bei meinem Studium hatte ich alle schwierigen Themen, die mich in der Schule nicht interessiert haben: Geschichte, Philosophie, Psychologie und nichts von meinen geliebten Naturwissenschaften. Aber ich habe mich durchgekämpft.
Meine mathematischen und geometrischen Fähigkeiten konnte ich später in Ecuador bei der Planung des Baus von Kirchen und Häusern einsetzen.
zur Person
Padre Helmut Nagorziansky,
geboren in Wien am 5. November 1942,
Realgymnasium Hagenmüllergasse mit Matura Mai 1960, Eintritt ins Priesterseminar,
Priesterweihe 29. Juni 1965,
danach Kaplan in Gloggnitz, ab Oktober 1969 Pfarrer am Semmering, ab September 1977 Pfarrexpositus in St. Christoph am Rennbahnweg bis 1987.
September 1987: Beginn der Mission in Daule, Pfarrer in Nuestra Señora del Carmen
September 1989: Ernennung zum Bischofsvikar des Vikariates Daule-Balzar und Pfarrer in Señor de los Milagros, Daule.
September 2000: Ernennung zum Generalvikar in Guayaquil und Pfarrer in Las Orquideas.
März 2003: Einreichung um die Pension und Übersiedlung nach Olon am Pazifischen Ozean, bis heute Kirchenrektor von Santa Maria, Blanca Estrella de la Mar
Ein „Missio“-Buch zeigt die Vielfalt der Weltkirche.
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at