In „Der junge Messias“ ist Jesus (gespielt von Adam Greaves-Neal) ein wundertätiges Kind, das Maria und Joseph mit Fragen bestürmt.
In „Der junge Messias“ ist Jesus (gespielt von Adam Greaves-Neal) ein wundertätiges Kind, das Maria und Joseph mit Fragen bestürmt.
Über Jesu Kindheit ist nicht viel bekannt. Der neue Kinofilm „Der junge Messias“ zeigt einen wundertätigen Buben, der nicht versteht, warum er anders ist als andere Kinder. Wie war das Kind Jesus wirklich? Bibelwissenschaftler Martin Stowasser bringt Licht ins Dunkel der Kindheit des Gottessohnes.
Eines gleich vorweg: Über die Kindheit Jesu weiß man fast nichts. „Wir besitzen dazu so gut wie keine Quellen, die historisch auswertbar sind“, sagt Martin Stowasser, Professor für neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
Die einzig halbwegs verlässlichen Angaben finden sich im Neuen Testament.
Daraus kann man ablesen, dass Jesus in einer traditionell jüdisch orientierten Familie aufwuchs und Geschwister hatte. „Aus dem Beruf seines Vaters, der Bauhandwerker genannt wird, können wir schließen – und da fangen schon die indirekten Schlüsse an –, dass vermutlich auch Jesus dieses Handwerk gelernt und ausgeübt hat“, so Martin Stowasser, „viel mehr wissen wir über den historischen Jesus als Kind nicht.“
Im Matthäus- und im Lukasevangelium wird von Jesu Geburt in Bethlehem berichtet. „Im Frühjudentum erwartete man den Messias aus Bethlehem“, erklärt Universitätsprofessor Stowasser, „die frühchristlichen Autoren versuchten, ihren Glauben, dass Jesus der Messias ist, auch auszudrücken, indem sie eine Erzählung schufen, die seine Geburt in Bethlehem bezeugen soll.“
Die Texte widersprechen einander allerdings.
Den Kindermord habe es übrigens nie gegeben, versichert Martin Stowasser.
Die neutestamentliche Überlieferung beginnt ihre Erzählung von Jesus im Grunde erst mit seinem Auftreten als 30-Jähriger. Die lange Zeitspanne davor bot viel Raum für Spekulationen.
Die neutestamentlichen Apokryphen – religiöse Schriften, die ab dem zweiten Jahrhundert entstanden und nicht Teil der Bibel sind – knüpfen an die wenigen Bemerkungen zu Jesu Kindheit bei Matthäus und Lukas an. Sie erzählen aber auch von Dingen, die im Neuen Testament nicht zu finden sind.
Die apokryphe Tradition macht Jesus schon als Kind zum Wundertäter, dessen Weisheit alles übertrifft. Einen Lehrer, der ihn schimpft, bestraft er, der Bub, der ihn rempelt, fällt tot um – und wird nachher wieder zum Leben erweckt.
„Wir haben das Bild eines Kindes vor uns, das uns aufs Erste gar nicht sympathisch ist“, meint Neutestamentler Martin Stowasser, „es entspricht aber der antiken Vorstellung, dass sich die Größe eines späteren Helden, Kaisers, Philosophen schon in den Besonderheiten seiner Geburt und Kindheit manifestiert.“
Geschichtlich gesehen haben diese Berichte keinen Wert, betont Martin Stowasser, sie verschieben außerdem die theologische Ausrichtung der biblischen Kindheitsberichte: „Die Erzählungen im Neuen Testament kreisen um zwei Themen: sie versuchen, die Messianität Jesu durch das Bethlehem-Motiv zu unterstreichen und seine Gottessohnschaft durch eine geistgewirkte Zeugung.“
Im Mittelalter wurden einzelne Geschichten in die „Legenda Aurea“, das weitest verbreitete geistliche Volksbuch jener Zeit, aufgenommen. Darin finden sich viele Elemente, die bis heute unsere Vorstellungen prägen, etwa von Weihnachten mit Ochs und Esel im Stall.
Auf die Apokryphen greift der Film „Der junge Messias“ (Kinostart: 13. Mai) unreflektiert zurück, ohne den geistesgeschichtlichen Wandel zwischen Antike und Neuzeit zu berücksichtigen, kritisiert Martin Stowasser: „Bei einem modernen Menschen ruft ein Kind, das Tote erwecken kann und andere Kinder tot umfallen lässt, vermutlich mehr Verwunderung als Bewunderung hervor.“
Regisseur Cyrus Nowrasteh versteht sein Werk als Familienfilm, dafür stellt er aber einiges zu drastisch und blutig dar.
zur Person
Martin Stowasser lehrt am Institut für Bibelwissenschaft der Universität Wien Neutestamentliche Bibelwissenschaft.
Vorlage für den Film:
Anne Rice
Rückkehr ins Heilige Land
2007, Hoffmann Und Campe
Übersetzt von Monika Köpfer
Fester Einband
352 Seiten
ISBN: 978-3-455-40042-7
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