Viele Kurzbiographien erzählen uns davon, wie Menschen Ämter und Ehren ausgeschlagen haben, um lieber in Tat und Gebet für die Bedürftigen da zu sein.
Viele Kurzbiographien erzählen uns davon, wie Menschen Ämter und Ehren ausgeschlagen haben, um lieber in Tat und Gebet für die Bedürftigen da zu sein.
Ein neues Buch, passend zum Fest Allerheiligen, zeigt die faszinierende Vielfalt der katholischen Heiligen: „Von Bischofsstab bis Besenstiel“. Bernadette Spitzer lässt eine parallele Weltgeschichte greifbar werden, die nicht von Macht und Eroberung berichtet, sondern von Zuwendung und Hingabe.
Das Fest Allerheiligen richtet, seit es im Jahr 835 von Papst Gregor IV. auf den 1. November festgesetzt wurde, den Blick auf einen besonderen Schatz der katholischen Kirche: ihre Heiligen. Für rund 15.000 von ihnen hat die Kirche mit einer Selig- oder Heiligsprechung die offizielle Verehrung bestätigt. Und noch viele mehr haben ohne ein solches „Gütesiegel“ durch einen Papst ein überzeugendes und beeindruckendes Leben aus ihrem Glauben an Jesus Christus geführt.
Rechtzeitig zum heurigen Fest hat der Wiener Dom-Verlag das Buch „Von Bischofsstab bis Besenstiel – mit 365 Heiligen durchs Jahr“ herausgebracht. Bernadette Spitzer, die seit Jahren für radio klassik Stephansdom im Rahmen der Sendung „Vorbilder“, sowie in der Wochenzeitung „Der SONNTAG“ Heiligenporträts verfasst, schreibt mit leichter Hand und Augenzwinkern und großem Respekt über bekannte und weniger bekannte Heilige aus der Kirchengeschichte, ihre Großtaten, aber auch die oft überraschenden Details.
Die Bruderschaft der Jongleure und die Patronin des Fernsehens
So erfährt man, warum Wilhelm von Dijon eine Bruderschaft für Jongleure gegründet hat und wer Maria Merkert Zigarren geschenkt hat, wer Österreichs erster Physiker und wer der erste Musikwissenschaftler war. Und welche Heilige die Patronin des Fernsehens ist. Man lernt etwa den Namenspatron aller Ildefonsos kennen und den heiligen Kevin, ebenso die Patronin des Umweltschutzes, Kateri Tekakwitha, die erste heiliggesprochene Indianerin, aus dem Stamm der Mohawk, über die Leonard Cohen den Roman „Beautiful Losers“ geschrieben hat.
Das Buch ist aber alles andere als ein Kuriositätenkabinett. Es vereint zahlreiche auch heute noch beeindruckende Zeugnisse einer Mitmenschlichkeit, die von den Machthabern oft mit Folter und Tod beantwortet worden sind. Viele sind hierzulande bisher so gut wie unbekannt, wie etwa Sára Salkaházi, die 1944 in Budapest erschossen wurde, weil sie Juden versteckte oder Alojzy Liguda, den die Nazis ins KZ sperrten, weil er Priester war und die ihn auf Intervention seines Blockführers grausam ermordeten, weil er die Frechheit besessen hatte, diesen darum zu bitten, das Essen gerecht zu verteilen.
Viele Kurzbiographien erzählen uns davon, wie Menschen Ämter und Ehren ausgeschlagen haben, um lieber in Tat und Gebet für die Bedürftigen da zu sein. Von Paola Elisabette Cerioli, die mit 38 Jahren alle vier Kinder und ihren Mann verloren hatte und sich als wohlhabende Witwe ganz in den Dienst der Waisenkinder stellte, bis zu Edith von Wilton, die man 978 zur Königin von England krönen wollte, die sich aber lieber als Nonne weiterhin um Arme und Kranke kümmerte.
Die andere Weltgeschichte
In der Zusammenschau der Heiligenporträts entsteht so etwas wie eine alternative Weltgeschichte, die nicht von den Mächtigen und Erfolgreichen und den Eroberern geschrieben wird, sondern von Menschen, die auf unterschiedlichste Weise anderen gedient haben. Die Autorin Bernadette Spitzer, Theologin, Lehrerin und Redakteurin in Wien: „Heilige sind Menschen, die die Nähe und Liebe Gottes besonders ausstrahlen. Das merkt man meistens bereits zu deren Lebzeiten, denn es ist spürbar, wenn jemand einen besonders starken Draht zu Gott hat und danach handelt.“
Und wie kam sie auf die Idee, Heilige zu porträtieren? „Mich faszinieren generell Menschen und das, was sie aus ihrem Leben machen und somit Heilige ganz besonders. Das sind z.B. Märtyrer wie Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter, der bis zum Moment seiner Hinrichtung die Möglichkeit gehabt hätte, seine Meinung zu ändern. Doch lieber wollte er auf Gott vertrauend sterben, als für Adolf Hitler in den Krieg ziehen. Und neben Märtyrern gibt es unter den Heiligen auch so richtige Macher-Typen, die mich extrem inspirieren. Das sind Frauen und Männer, die allesamt eine großartige Karriere hinlegen hätten können und sich stattdessen für ein Leben für Glauben und Kirche entschieden haben und dort ihre Talente eingebracht haben.“
„Mitunter zum Schmunzeln“: Vorwort von Kardinal Schönborn
Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn erzählt in seinem Vorwort von seiner Beziehung zu den Heiligen, die stark geprägt wurde von Thérèse von Lisieux: „Diese Ordensfrau war überzeugt, dass wir alle heilig werden können, wirklich alle. Und dazu braucht es keine Wunder, keine übermenschlichen Leistungen. Nur zwei Dinge sind notwendig: ein kindliches Gottvertrauen und die kleinen Schritte des Guten im Alltag.“ Kardinal Schönborn wünscht den Leserinnen und Lesern, „dass dieses Buch zu einem Begleiter durchs Jahr wird, der sie inspirieren und zum Nachdenken, mitunter auch zum Schmunzeln bringen kann.“
Das soeben erschienene und nun im Handel erhältliche Buch bietet für jeden Tag im Jahr einen Heiligen (und an zwei Tagen zwei, nämlich heiliggesprochene Ehepaare), auch für die Schaltjahre (Hilarius am 29. Februar). Dazu auch noch Corona, sozusagen als Jahresheilige 2020, eine frühchristliche Märtyrerin, die seit jeher die Patronin gegen Seuchen ist. Eine kurze Historie der Heiligenverehrung und der Heiligsprechung rundet das Buch ab. David Kassl hat die Kurzbiographien beziehungsreich und humorvoll illustriert.
Bernadette Spitzer: „Von Bischofsstab bis Besenstiel. Mit 365 Heiligen durchs Jahr“, mit einem Vorwort von Kardinal Christoph Schönborn.
Wiener Dom-Verlag, 400 Seiten, ISBN: 978-3-85351-294-4 , 29,50 Euro.
Radiotipp: „Von Bischofsstab bis Besenstiel“, Mittwoch, 28. Oktober 2020 um 17:30 Uhr
auf radio klassik Stephansdom. Bernadette Spitzer über ihr neues Buch.
Geführte Buchpräsentation – ein Rundgang zu Heiligen in Wiens Innenstadt:
Samstag, 28. November 2020, 10 Uhr.
Treffpunkt: Buchhandlung Herder Zach-Buch, Wollzeile 33, 1010 Wien.
Telefonische Voranmeldung unbedingt erforderlich:
Gerhard Zach, Tel. 01 512 14 13