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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

Was ich von einer chronischen Erkrankung über Krisenzeiten gelernt habe

Seit fast zehn Jahren leide ich unter einer chronischen Erkrankung, weswegen ich fast ständig im Rollstuhl sitzen muss und ab und zu erschöpft und geschwächt bin. Als ich mit 15 krank geworden bin, hätte ich mir aber nicht gedacht, dass ich so viel in dieser schwierigen und sehr unangenehmen Situation lernen würde.

In dieser jetzigen Corona-Krise habe ich das Gefühl, dass andere gesunde Leute, die bis jetzt keine Grenzen oder fast keine hatten, jetzt erfahren, wie es sich anfühlt mit Einschränkungen zu leben. Natürlich weiß ich, dass es schwierig ist, denn ich selbst habe es immer wieder erlebt. Man lebt nicht gerne beschränkt.

 

So habe ich mir gedacht, dass ich ein paar Tipps aus meinem von Einschränkungen geprägten Leben für die jetzige Corona-Krise mit dir teilen möchte!

 

#1 Alltägliche Dinge genießen

Die Freude am Kochen © iStockphoto.com / MEINPLAN.at
 

Die Freude am Kochen © iStockphoto.com / MEINPLAN.at.

 

In den ersten zwei Jahren meiner chronischen Erkrankung war ich so geschwächt, dass ich viele alltäglichen Tätigkeiten nicht mehr erledigen konnte, wie z.B. den Geschirrspüler ausräumen, kochen oder einfach gehen. Als es mir dann besser ging, genoss ich es wirklich, wieder einen Geschirrspüler auszuräumen. Ich hätte mir niemals gedacht, dass ich mich so sehr über so was freuen würde.

 

Nach dieser schlechteren Phase habe ich all das, was ich wieder machen konnte, sehr geschätzt. Weil mir diese scheinbar banalen alltäglichen Handlungen vorenthalten worden war, entwickelten sie nun eine ganz besondere Bedeutung.

 

 

Ich habe gelernt, dass man den Wert der alltäglichen Dinge nur kennt, wenn einem diese vorenthalten werden. Das ist schon merkwürdig, aber bei mir war es so.

 

 

Jetzt dienen meine schlechteren Tage, die ab und zu wieder vorkommen, als Erinnerung, wie schön alltägliche Dinge eigentlich sind. Wenn ich mich schwach an einem Tag fühle und im Bett bleiben muss, weil ich sehr geschwächt bin, freue ich mich immer, wenn ich am nächsten Tag wieder gehen kann!

 

Ich glaube, die jetzige Corona-Krise ist auch eine Art für uns, die kleinen alltäglichen Dinge wertzuschätzen, die vorher selbstverständlich waren: einkaufen, spazieren, Freunde treffen, etc. Auch wenn wir jetzt nicht alles wieder machen können, wissen wir eines: Diese Krise ist vorübergehend. Der Tag, an dem es besser gehen wird, wird kommen. Und dann werden wir sicher diese alltäglichen Dinge, die einmal selbstverständlich waren, sehr genießen.

 

#2 Auf die eigenen Bedürfnisse achten

Auf seine Bedürfnisse aufzupassen sollte nicht egoistisch klingen. Wenn ich einen schlechteren Tag habe und mich deswegen deprimiert fühle, ist es sehr wichtig für mich, auf mich aufzupassen, eine Pause zu machen und für Abwechslung zu sorgen. Es ist auch OK, wenn man sich nicht gut fühlt, wenn man einen schwierigen Tag hat, wenn man einfach eine Pause braucht. Das kann jedem passieren. Wenn es geschieht, sollte man sich auch keine Vorwürfe machen.

 

 
Schwere Phasen zu haben, heißt nicht, dass man schwach ist. Im Gegenteil glaube ich, dass man besonders stark ist, wenn man weiß, wann man auf sich hören sollte. Stark sein heißt auch, Zeit für sich zu nehmen, sich zu entspannen und auf sich aufzupassen.
 
 

 

Einfach mal eine Pause machen © iStockphoto.com / MEINPLAN.at
 

Einfach mal eine Pause machen © iStockphoto.com / MEINPLAN.at.

 

Wenn ich spüre, dass meine Erschöpfung zunimmt, dann gönne ich mir eine Pause. Ich schaue, dass ich einen ruhigen Abend habe und ein gutes Buch lese, einen netten Film anschaue, einen heißen Tee trinke, Freunde anrufe, wenn ich noch genug Kraft habe, oder noch etwas anderes mache. Hauptsache, ich mache etwas, das entspannend und ausruhend ist.

 

Nur wenn ich auf mich selbst aufpasse, kann ich auf die Bedürfnisse der anderen eingehen. Wenn ich nicht auf mich gehört habe, müssen die anderen auf mich aufpassen, weil es mir dann wieder schlechter geht. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, immer wieder Pausen für sich zu machen, um die Batterien wieder aufzuladen. So kann man das Leben auf der guten Seite sehen und Kraft und Energie für die anderen haben.

 

#3 Geduldig sein

Geduldig sein © iStockphoto.com / MEINPLAN.at
 

Geduldig sein © iStockphoto.com / MEINPLAN.at.

 

Geduld war immer schwierig für mich. In schlechteren Phasen meiner chronischen Erkrankung musste ich immer wieder sehr geduldig sein, weil ich abhängig war, weil ich immer erklären musste, was ich gebraucht habe, weil ich müde und erschöpft war und ich mir wünschte, dass ich mich schneller besser fühlen würde.

 

In unserer heutigen Gesellschaft, wo alles so schnell geht und wo man immer alles so schnell bekommen kann, ist es schwieriger geworden, geduldig zu sein. Ich denke, dass solche Krisenzeiten uns wieder zeigen, wie wichtig es eigentlich ist, geduldig zu sein. Wenn man die Umstände nicht ändern und vor allem nicht kontrollieren kann, ist es besonders wichtig, geduldig zu sein.

 

 
Geduld verstehe ich dann als die Akzeptanz von den Umständen und deren Auswirkung auf unser Leben, aber auch als die Realisation, dass nicht alles immer geschieht, wie wir es uns vorgestellt oder gewünscht hatten. Es ist bestimmt nicht immer einfach. Aber mit Humor und Flexibilität kann man auch entscheiden, sich überraschen zu lassen und die Dinge anzunehmen, wie sie kommen. So kann man das Leben akzeptieren, wie es tatsächlich ist, und nicht, wie es sein sollte.
 
 

 

Bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich das geschafft habe, und es gibt immer wieder Zeiten, in denen es schwieriger ist. Aber die jetzigen Umstände zu akzeptieren erlaubt mir, Neues zu probieren, neue Leute zu treffen, Neues zu lernen. Wenn man lernt geduldig zu sein, bin ich überzeugt, dass man (fast) alle neuen und unerwarteten Situationen meistern kann, besonders indem man alltägliche Dinge genießt und auf seine Bedürfnisse auf der der anderen aufpasst. So versuche ich es zumindest!

 

Clotilde Aubet

Ursprünglich aus Frankreich ich bin in Wien aufgewachsen. Nach einem Studium in Public Management und International Business in Frankreich und in der Schweiz arbeite ich nun in Wien im Bildungsbereich. Seit 10 Jahren erlebe ich die Welt auf einer anderen Höhe, in einem Rollstuhl. Mein Motto: Immer weiter, nie aufgeben. Ich beschäftige mich viel seit ein paar Jahren mit der Bewusstseinsbildung für Behinderungsfragen.

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