Seelsorge für Covid-Patienten
Gott kommt oft von selbst ins Gespräch

Die Dienstkleidung in Zeiten der Pandemie ist manchmal abschreckend, aber das Bedürfnis nach persönlichen Gesprächen ist ungebrochen groß.  | Foto: privat
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  • Die Dienstkleidung in Zeiten der Pandemie ist manchmal abschreckend, aber das Bedürfnis nach persönlichen Gesprächen ist ungebrochen groß.
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Zum „Welttag der Kranken“ am 11. Februar sprechen wir mit P. Marcus Klemens von den Herz-Jesu-Missionaren über die seelsorgliche Situation von Corona-Patienten. Der gebürtige Bayer und Krankenhausseelsorger ist seit Beginn der Pandemie für an Covid 19 erkrankte Spitalspatienten im Einsatz.

So stellt man sich einen Ordens­pater normalerwiese nicht vor: Er trägt einen blauen Schutzmantel mit weißem Gürtelband, auf dem Kopf einen schwarzen Kunststoffhelm mit durchsichtigem Gesichtsvisier, unter dem Helm eine Kapuze mit Mundschutz, darunter noch eine Atemschutzmaske, an den Händen medizinische Einweghandschuhe. In dieser Schutzausrüstung hat P. Marcus Klemens fast ein Jahr lang schwer an Covid erkrankte Patienten in der Klinik Favoriten besucht und seelsorglich betreut.

„Wir sind vier Hauptamtliche im Seelsorgeteam der Klinik, darunter ein weiterer Priester. Gerade bei schweren Krankheitsverläufen gab und gibt es oft die Bitte um Beichte und Krankensalbung. Da ich nicht zu einer Risikogruppe gehöre, fiel mir dieser Dienst zu“, erzählt der 44-jährige Ordensmann dem SONNTAG. Im Jänner wurde P. Klemens geimpft und hat auch schon die zweite Dosis seiner Corona-Impfung erhalten. Die Angst sich anzustecken habe er davor nicht gehabt, „so lange es Schutzkleidung gibt. Bei den ersten Besuchen war ich schon etwas angespannt. Da war es gut, dass mir beim An- und Ausziehen der Schutzkleidung geholfen wurde“.

Seelsorger und Psychotherapeut

Der gebürtige Bayer hat vor 25 Jahren seinen Weg in der Klostergemeinschaft der Herz-Jesu-Missionare begonnen. Heute ist er nach Stationen in Bayern, Rom und Innsbruck Krankenhausseelsorger in der Klinik Favoriten und macht eine Ausbildung zum Psychotherapeuten und Psychoanalytiker.

„Zu meinen Aufgaben als Novizenmeister in Innsbruck gehörte es, Menschen in kritischen Situationen zu begleiten. Dabei fiel mir auf, wie sehr eine Krise von frühen Beziehungserfahrungen geprägt ist, die unbewusst einen großen Einfluss auf das gegenwärtige Erleben, Verhalten und Entscheiden des Menschen ausüben. Gerade die in der Krise vorherrschenden unbewussten negativen Gottesbilder z.B. gleichen bei näherem Hinsehen oft eher den eigenen frühen Bezugspersonen als dem Gott Jesu Christi“, schildert P. Klemens seine seelsorglichen Erfahrungen.

Um besser biographisch-spirituell mit den Menschen arbeiten zu können, bot sich für ihn die Ausbildung zum Psychotherapeuten an, für die es in Wien viele Möglichkeiten gibt. „Die Krankenhausseelsorge als Ort der persönlichen Begleitung von Menschen in besonderen Situationen bot an, meine früheren Erfahrungen und die neue Ausbildung, die sich gegenseitig ergänzen, zusammenzuführen“, erzählt er.

Der Auferstandene kommt durch verschlossene Türen
Als Krankenhauseelsorger trifft er ganz unterschiedliche Menschen an, auch solche, die wegen einer anderen Erkrankung im Spital sind, bis hin zu den Sterbenden auf der Intensivstation.

„Die Isolation hat zur Folge, dass Gespräche oft sehr persönlich und ausführlich sind und dass das Handeln Gottes in den Sakramenten als besonders berührend empfunden wird“, erzählt der Seelsorger. „Ich habe es immer als einen Sieg des Auferstandenen erlebt, wenn er in der Hostie durch die zu Beginn der Pandemie hermetisch ,verschlossenen Türen‘ (Joh 20,19) einer COVID19-Station trat, um den Menschen nahe zu sein. Und ich habe erlebt: ,Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.‘“

Großes Bedürfnis nach Gesprächen
Auf Covid-Stationen isolierte Patientinnen und Patienten haben ein großes Bedürfnis nach Gesprächen von Angesicht zu Angesicht. „Normalerweise werden wir zu den PatientInnen gerufen, sei es über die Station, über die Angehörigen oder über die Pfarre. Gerade am Anfang der Pandemie kam es vor, dass Angehörige uns baten, für sie eine Besuchsmöglichkeit zu erwirken, mittlerweile ist ein Besuch unter besonderen Umständen möglich“, erklärt der Seelsorger.

Manchmal ist P. Klemens einer der letzten, der einen Patienten lebend gesehen hat. Wenn er dann den Angehörigen etwas rückmelden kann, wenn diese den Kranken über Telefon aufgrund seines Zustands nicht mehr erreichen konnten, wird das als tröstend empfunden.

Ängste und Sorgen der Patienten
„Mit einem Menschen ausführlich von Angesicht zu Angesicht sprechen zu können, ist für viele ein echtes Bedürfnis. Dabei sind die Themen sehr verschieden: Angst vor einer Verschlechterung des Zustandes, vor dem Tod, vor Folgeschäden, Sorge um die Familie, den Beruf, die finanzielle Situation und vieles mehr“, gibt der Seelsorger Einblick. Für manche sei die Krankheit der Beginn eines dankbareren und aufrichtigeren Lebens.

„Vieles relativiert sich, wenn man einen schweren Krankheitsverlauf auf der Intensivstation überlebt hat und manche werden ermutigt, endlich Themen ihres Lebens anzugehen, die schon lange auf Klärung und Veränderung warten. Gott kommt oft ganz von selbst von Seiten der Patient­Innen ins Gespräch, begleitet von dem Wunsch, sein Handeln in ihrem Leben besser zu verstehen.“

P. Marcus Klemens liegen auch die MitarbeiterInnen in der Klinik am Herzen, „besonders jene auf den COVID-Stationen, die lange Dienstzeiten in einer schwierigen Situation meistern“. Und auch die Patienten und Patientinnen der Nicht-COVID-Stationen leiden unter den Einschränkungen der Besuche. „Auch mit ihnen sind die Gespräche teilweise deutlich länger und noch persönlicher als sonst.

So erlebe ich die Klinik auch als Gnadenort, an dem die Herzen so offen sind und manche Menschen vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben zu ahnen beginnen, dass Gott es wirklich gut mit ihnen meint.“

Krankenhaus– und Pflegeheimseelsorge der Erzdiözese Wien | Foto: privat
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Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorger/innen begleiten Menschen im Kontext von Erkranken, Gesunden und Sterben sowie ältere Menschen in Pflegeheimen. Sie nehmen sich Zeit für eine persönliche Begegnung, um die Menschen zu unterstützen und spirituell zu begleiten.

▶ Eine Liste aller Krankenhausseelsorger/innen der Erzdiözese Wien finden Sie
unter www.erzdioezese-wien.at/khps

Autor:

Agathe Lauber-Gansterer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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