Die Fastenzeit hat begonnen
Jenseits des Verzichts

Die Fastenzeit birgt die Chance, einen bewussten Blick auf die eigene Lebensweise zu werfen und das Gemeinsame wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. | Foto: Pixabay
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  • Die Fastenzeit birgt die Chance, einen bewussten Blick auf die eigene Lebensweise zu werfen und das Gemeinsame wieder mehr in den Vordergrund zu rücken.
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Die Fastenzeit bewusst zu gestalten, anders zu leben „als sonst“, hat in den vergangenen Jahren eine regelrechte Renaissance erlebt. Quer durch alle Schichten und alle Altersgruppen wird in den Wochen vor Ostern auf bestimmte Nahrungs- und Genussmittel verzichtet. Es wird versucht, alte Gewohnheiten abzulegen und neue, bessere, zu entwickeln.

Wir haben in der Schulküche des Schulzentrums Friesgasse nachgefragt, wie die Fastenzeit dort gehandhabt wird. Und wir haben Ideen für all jene eingeholt, die vielleicht noch auf der Suche nach einer Idee für die Fastenzeit sind.

Aschermittwoch im Schulzentrum Friesgasse, Wien 15: Vegetarischer Linseneintopf mit Semmelknödel steht heute auf dem Speiseplan. Und das ist kein Zufall. „Linseneintopf oder vegetarisches Kartoffelgulasch hat bei uns am Aschermittwoch Tradition“, erzählt Sr. Bernadette, die Leiterin der Schulküche. Bereits lange vor der Fastenzeit bekäme sie bereits Anfragen, was es denn geben werde. „Von den Schülern, aber auch von den Lehrern“, sagt Sr. Bernadette: „Es ist offensichtlich so, dass ihnen das wichtig ist. Und das freut mich.“ Generell sieht der Speiseplan in der Fastenzeit in der Friesgasse durchwegs anders aus als im Rest des Jahres. „Wir haben viele, die in der Fastenzeit bewusst auf Fleisch verzichten wollen“, so Sr. Bernadette: „Viele essen auch keine Nachspeise.“

Verzicht wird nicht als negativ erlebt
Für die Schulküche sind diese „Sonder­wünsche“ kein Problem. „Wir bekommen gemeldet, wer und vor allem eben auch wie viele das sind und dann kochen wir entsprechend.“ Gemüse und Salat werde in der Friesgasse sowieso gerne und viel gegessen. In der Fastenzeit gebe es das eben vermehrt und außerdem auch noch mehr Obst.

Etwa 500 Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden hier in „Normalzeiten“ bekocht. Derzeit sind es corona- und damit schichtbetriebsbedingt wesentlich weniger. „Aber egal für wie viele wir kochen: Es ist uns wichtig, dass jeder das bekommt, was er braucht“, sagt Sr. Bernadette: „Das gilt das ganze Jahr im Hinblick auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Und das gilt natürlich dann auch in der Fastenzeit.“ Sie habe den Eindruck, dass vielen Kindern und Jugendlichen dieser bewusste Verzicht wirklich wichtig ist. „Gezwungen wird hier niemand, anders zu essen als sonst. Das kommt von den Schülern selbst“, sagt Sr. Bernadette: „Und ich habe wohl auch deshalb gar nicht den Eindruck, dass sie den Verzicht als negativ erleben, als Einschränkung. Die Fastenzeit hebt sich durch dieses Verhalten einfach vom Rest des Jahres ab.“

Die Fastenbörse
Der Fastenzeit ganz bewusst einen anderen Charakter zu geben, ist auch Alexandra Becker wichtig. Sie ist Mama von fünf Kindern und betreibt seit einigen Jahren den Blog www.regesleben.com, auf dem sie – unter anderem – von ihrem bunten und turbulenten Familienalltag berichtet. „Diese 40 Tage vor Ostern sollen nicht einfach nur so durchlaufen und am Ende kommt dann das Osterfest mit seinen bunten Ostereiern und einem Geschenk daher“, erzählt sie im Gespräch mit dem SONNTAG: „Wir versuchen mit unseren Kindern möglichst bewusst durch das Jahr zu gehen und bestimmte Jahreszeiten, Feste und Bräuche hervorzuheben.“ Dazu gehöre damit selbstverständlich auch Ostern und eine ganz bestimmte Tradition in der Fastenzeit: die Fastenbörse – eine kleine Schachtel, in der Zettel liegen, auf denen für jeden der 40 Fastentage eine Aufgabe notiert ist.

Die Idee zur Fastenbörse sei ihr vor vielen Jahren gekommen, als ihre ältesten Kinder noch im Kindergartenalter waren. „Durch den Besuch eines katholischen Kindergartens und durch die feste Einbindung von Bräuchen und Festen im Jahr bei uns zu Hause, wissen unsere Kinder ganz genau, dass die Zeit vor Ostern eine ganz besondere Zeit ist“, sagt Alexandra Becker.

Das Fasten in Form eines Verzichts von Nahrungsmitteln und sogar von ganzen Mahlzeiten sei aber natürlich gerade für Kinder keine Option. Die Frage, die sie sich daher stellte, war: „Wie schaffe ich es, den Spannungsbogen vor Ostern aufzubauen und sie gleichzeitig mit Freude durch die Fastenzeit zu geleiten? Wir wollten etwas gemeinsam mit den Kindern gestalten, basteln und vorbereiten. Dafür sollten sie sich mit uns gemeinsam ,alternative‘ Fastenideen ausdenken – etwa eine plastikfreie Zone, das heißt, wir verzichten einen Tag lang auf Plastik. Oder eines der Kinder erzählt uns allen eine kleine Geschichte. Oder wir sammeln gemeinsam Äste für das Osterfeuer. Oder wir räumen gemeinsam auf.“

Es gehe dabei also nicht nur um das Verzichten, sondern oft auch um Zeit miteinander und Aktionen füreinander. „Die Fastenbörse stärkt den Familienzusammenhalt und bietet eine Plattform für gemeinsame Tage vor Ostern“, erzählt Alexandra Becker von ihren Erfahrungen: „Die Kinder freuen sie sich jedes Jahr aufs Neue auf die Fastenbörse und vor dem ersten Fastentag herrscht immer eine ähnliche Aufregung wie vor dem ersten Türchen des Adventskalenders.“

Beziehungen fruchtbringend gestalten
Eine ähnliche Aktion wie die Fastenbörse von Alexandra Becker und ihrer Familie hat der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien in diesem Jahr im Angebot. Das Thema der bereits traditionellen Aktion plusminus lautet für heuer „Beziehungen“. Wie kann ich bestehende Beziehungen vertiefen und stärken? Wie kann ich spüren, was mein Gegenüber gerade benötigt? „Gerade das letzte Jahr hat gezeigt, wie wichtig starke Beziehungen in einer Krisensituation sind“, sagt Antonia Indrak Rabl, Geschäftsführerin des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien: „Wir versuchen deshalb mit unserer Fastenaktion Anregungen zu geben, wie wir Beziehungen fruchtbringend gestalten können.“

Ein sichtbares Familiennetzwerk
Der Katholische Familienverband hat dazu ein Plakat gestaltet, auf dem 40 verschiedene Aufgaben vermerkt sind. „Heute werde ich über niemanden schlecht reden“, steht da zum Beispiel oder „Ich verzichte auf Filme und Videos – auch am Handy“ oder auch „Ich werde Kleidungsstücke und Schuhe aussortieren und sinnvoll weitergeben“. „Jeden Tag oder jede Woche – je nachdem, wie es passt – suchen sich die Familienmitglieder einzeln oder miteinander eine Aufgabe aus, um sie zu erfüllen. Auf dem Plakat wird das bildlich festgehalten, indem jedes Familienmitglied mit einem Buntstift die ausgewählte Herausforderung und Aufgabe mit den Tagen verbindet, an denen diese durchgeführt werden. Mit jeder weiteren Aufgabe entsteht dadurch bis Ostern ein sichtbares ,Familiennetzwerk‘“, sagt Antonia Indrak-Rabl.

Nicht der Verzicht an sich stehe damit, wie es auch schon der Name „Aktion plusminus“ ausdrücken soll, im Mittelpunkt, sondern der Mehrwert, den ein Verzicht bringen kann. „Die Fastenzeit birgt damit die Chance, einen bewussten Blick auf die eigene Lebensweise zu werfen und das Gemeinsame wieder mehr in den Vordergrund zu rücken.“

Das Plakat mit den Impulsen kann unter www.aktionplusminus.net heruntergeladen oder per Mail an familienverband@edw.or.at bestellt werden.

Die Fastenzeit birgt die Chance, einen bewussten Blick auf die eigene Lebensweise zu werfen und das Gemeinsame wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. | Foto: Pixabay
Fastensuppe | Foto: Pixabay
Autor:

Andrea Harringer aus Wien & NÖ-Ost | Der SONNTAG

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