Freitag 29. März 2024

Ein wahrhaft weises Wort

„Im Mittelpunkt des Krankenhauses steht der kranke Mensch“! So las ich in einer Festschrift des Krankenhauses, in dem ich viele Jahre gearbeitet habe. Über diesen Leitsatz habe ich oft nachgedacht und im Alltagsbetrieb seine Umsetzung angestrebt.

 

Der tägliche Umgang mit kranken Menschen und deren Angehörigen hat mich geprägt. Für die meisten Betroffenen war ich mit meinem Team im Rahmen der Aufnahmeformalitäten die erste Kontaktperson, also die Person, die einen ersten Eindruck von der zum Teil unbe-kannten, unangenehmen Welt eines Spitals vermitteln durfte. Die ganze Bandbreite zum Themenkreis „Geburt, Krankheit, Sterben“ hat den Arbeitstag geprägt!

 

Während es ein Leichtes ist, sich mit einem jungen Paar mitzufreuen, das sich über die Möglichkeiten der bevorstehenden Entbindung erkundigt, ist es bei weitem schwerer, bei einer bevorstehenden Krebsoperation Anteilnahme, Mitgefühl und Hoffnung zu vermitteln. Und was eben auch dazu gehört: Das Gespräch mit Angehörigen, die um ein verstorbenes Familienmitglied trauern.

 

Ich habe viele sehr engagierte Menschen kennen und schätzen gelernt: Ärzt*innen, Pflegekräfte und weitere Berufsgruppen, die ihre Arbeit spürbar als Dienst an den Kranken ausgeübt haben.

 

Sehr berührend ist mir jedoch folgende Begebenheit in Erinnerung:

Heiliger Abend, Vormittag: Wer nicht unbedingt über Weihnachten im Spital bleiben musste, wurde entlassen oder über die Feiertage „beurlaubt“. Eine junge Mutter mit ihrem Kind im Kindergartenalter kommt und erkundigt sich, ob es Patienten gibt, die heute keine Besuche erwarten. Sie würde gerne jemandem eine Freude machen und die kleine Tochter würde ein selbstgemachtes Geschenk übergeben.

 

Ähnliches hatte ich vorher und nachher nicht erlebt und meine leichte Irritation veranlasste die Mutter, mir zu erklären: „ Meine Tochter soll die Erfahrung machen, wie es ist, wenn man einer unbekannten leidenden Person an einem Tag, wo man gerne im Kreis der Familie feiern würde, eine Freude macht und sie mit einem Besuch und einem Geschenk überrascht!“ Ein wahrhaft weises Wort!

 

Ich wünsche unserer Gesellschaft, dass immer mehr Menschen diese Gesinnung gegenüber physisch oder psychisch leidenden Mitmenschen entwickeln und pflegen.

L.G.

 

 

 

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