Freitag 29. März 2024
Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
Lk 19 9-10
Briefe und Impulse von Kardinal Schönborn

Zwei Zeugen der Barmherzigkeit

Brief Kardinal Schönborns an die Leserinnen und Leser von "der Sonntag" vom 27.4.2014:

Beeindruckende neue Heilige: Johannes XXIII. und Johannes Paul II.“

Liebe Leserinnen und Leser des „Sonntag“!
 
Als Papst Johannes XXIII. starb, im Jahr 1963, war ich 18 Jahre alt. Gesehen habe ich ihn nur – und auch das nicht oft - im Fernsehen. Ich möchte ihn mit einer Geschichte charakterisieren, die nicht ich erlebt habe, sondern einer meiner besten Freunde. Jörg war 1961 auf Maturareise in Italien, ist in Ostia beim Baden auf eine Betonplatte aufgeschlagen und kam – querschnittgelähmt und zwischen Leben und Tod schwebend – nach Rom ins Spital. Dort hat er, der Evangelische, dem katholischen Spitalsseelsorger nachgerufen: „Und sagen Sie dem Papst einen schönen Gruß von mir!“

 

Wunderbarer Mensch

Irgendwie hat dieser Seelsorger tatsächlich Johannes XXIII. getroffen, denn wenige Tage später stand der Sekretär des Papstes, Monsignore Capovilla, im Krankenzimmer und sagte: „Der Papst wäre gerne selber gekommen, aber er hat leider wenig Zeit, denn er muss gerade ein Konzil vorbereiten.“ Noch vier Mal schickt der Papst seinen Sekretär zu dem Kranken ins Spital und empfängt die Eltern in Privataudienz und tröstet sie.
 Als Jörg nach Deutschland zurückgeflogen wird, stehen mehrere Kardinäle am Flugplatz, und der Nuntius in Deutschland ist auch schon verständigt und lädt den jungen Mann zwei Mal pro Jahr zum Essen ein. Denn der Papst möchte wissen, wie es ihm geht. Vor wenigen Jahren durfte ich mit Jörg und seiner Frau zum 50. Jahrestag des Unfalls zum Grab von Johannes XXIII. gehen. Er wollte allen Menschen ein „papa buono“, ein guter Vater sein. Er muss ein wunderbarer Mensch gewesen sein.

 

Humor & Fröhlichkeit

Wir haben einen Vater verloren – das haben viele Menschen auch empfunden, als Johannes Paul II. vor neun Jahren starb. Ihn habe ich natürlich sehr oft gesehen, zunächst während meiner Zeit als Redakteur des Weltkatechismus, das erste Mal bei einer der ersten Audienzen nach dem Attentat 1981, und dann als Erzbischof von Wien.
 Was mich am meisten bei Johannes Paul II. beeindruckt hat, war sein Beten. Das war unvergleichlich. Einmal durfte ich nach einem Abendessen mit ihm in seine Kapelle zum Abendgebet. Wie er dort buchstäblich in Gott eingetaucht ist, völlig ohne Befangenheit durch die Gegenwart eines anderen Menschen – das werde ich nie vergessen.


 Wie jeder Papst, hat sicher auch Johannes Paul II. nicht immer alles richtig gemacht. Ich habe ihn aber als jemanden erlebt, der wirklich dankbar war, wenn man ihm offen und ehrlich auch unangenehme Dinge gesagt hat. Ich erinnere mich, wie ich bei meiner ersten Audienz als neuer Wiener Erzbischof ungeschminkt die Probleme der Kirche in Österreich und unter den Bischöfen angesprochen habe. Das war’s dann wohl mit seinem Wohlwollen, habe ich mir gedacht – aber drei Wochen später hat er mich eingeladen, ihm die Exerzitien zu halten. Ein Zeichen des Vertrauens, das mich sehr gefreut hat.
 Und sein Humor! Trotz seines wirklich schwierigen Lebensweges hat er ihn nie verloren – er, der als achtjähriger Bub die Mutter verloren hat, als Zwölfjähriger den geliebten Bruder, mit 21 den Vater, der heimlich und unter Lebensgefahr in der Nazizeit im Priesterseminar war, Zwangsarbeit verrichten musste, in den Jahrzehnten des Kommunismus immer mit einem Fuß im Gefängnis war. Trotz alledem hat er sich seine Fröhlichkeit erhalten. Eine meiner liebsten Erinnerungen an ihn ist sein schallendes Lachen, als ich ihm einmal eine Anekdote über den polnischen Philosophen und Dominikaner Joseph Bochenski erzählt habe.

 

„Der Große“

Sein Lebenswerk hat für mich drei miteinander in Verbindung stehende Schwerpunkte: Erstens die Verteidigung der unermesslich hohen Würde jedes Menschen. Zweitens die Besinnung auf die Barmherzigkeit Gottes, von der wir Christen Zeugnis geben müssen. Und drittens der zentrale Wert der Familie als Grundort der Menschenwürde und der Barmherzigkeit. So geht etwa die Gründung des Internationalen Theologischen Instituts für Ehe und Familie (ITI) in Trumau auf Johannes Paul II. zurück, der davon überzeugt war, dass die Zukunft der Welt von der Familie abhängt. Darum war es ihm ein Anliegen, gerade in Österreich als der Schnittstelle zwischen Ost und West einen Ort zu haben, der sich der theologischen, philosophischen und gesellschaftlichen Fundierung der Familie annimmt.


 Im Blick auf sein Leben und sein Wirken, auf die Dimensionen seines Pontifikats und die von ihm beeinflussten welthistorischen Veränderungen, ist es nicht übertrieben, wenn man von „Johannes Paul dem Großen“ spricht. Nicht, weil wir heutzutage immer Superlative brauchen, um unser Leben aufregend zu machen. Sondern weil er als Mann Gottes ein solcher Fels war. Ganz in dem Sinne des Wortes seines Vor-vor-vorgängers Johannes XXIII: „Der Mensch ist nie so groß, als wenn er kniet.“

 

Ihr

 

+ Christoph Kardinal Schönborn

 



 

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