Donnerstag 28. März 2024
Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht
Joh. 15, 5
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Silbernes Bischofsjubiläum Bischof Klaus Küng

Die Predigt von Kardinal Christoph Schönborn bei der Festmesse im Dom zu St. Pölten

am Sonntag, 2. März 2014, im Wortlaut:

Lieber Bischof Klaus!

 

"Macht euch keine Sorgen!" Dieses fünf Mal wiederholte Wort Jesu im heutigen Sonntagsevangelium ist schon eine Zumutung! Sie war es damals und ist es heute. Damals, wenn wir bedenken, an wen Jesus diese Worte richtet. Bei seiner Predigt am Berg beim See Genezareth waren die vielen hunderten, tausenden Hörer großteils Menschen, deren Alltag von drückenden Sorgen belastet waren: Arme, Tagelöhner, die ständig in Unsicherheit über den nächsten Tag lebten, ob sie eine Tagesarbeit finden und ihre Familie ernähren können, die kein Arbeitslosengeld, keine Krankenversicherung kannten. Denen sagt Jesus: „Sorgt euch nicht um morgen. Denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage“. Ja, das stimmt, jeder Tag der meisten seiner damaligen Zuhörer hatte genug an Plagen. Aber dass der morgige Tag für sich selber sorgen werde, und dass seine armen Zuhörer auf die Lilien des Feldes schauen sollten und auf die Vögel des Himmels, die nicht säen und nicht ernten, und dass Gott der Vater ja weiß, was sie, diese Armen, brauchen, das wirkt wie eine große Provokation, wie eine, fast wage ich zu sagen, zynische Vertröstung!

 

Und ich bin versucht zu fragen: Herr, wenn Du schon so gut für die Vögel und die Blumen sorgst, warum sorgst du dann nicht mehr für die von Hunger, Krieg, Gewalt und Unrecht geplagten?

 

Es war damals schon provokant, und es ist es erst recht heute. Lieber Bischof Klaus! Sagt Jesus auch Dir heute: Mach dir keine Sorgen um morgen!? Spricht Paulus nicht heute vom treuen Verwalter? Von den Dienern Christi, die "Verwalter der Geheimnisse Gottes" sein dürfen. Sagt Jesus nicht, dass Verwalter sich treu sorgen müssen um das ihnen anvertraute Gut? Ist der Bischof, - das Wort ist eine Verballhornung des griechischen ἐπίσκοπος, - nicht wörtlich der „Drauf-Schauer“, der die Auf-sicht hat und die Übersicht haben soll, also sich sorgen soll und nicht sorglos wie die Vögel und die Blumen leben kann?

 

Und ist es nicht erst recht eine Provokation für einen Vorarlberger, dieses Evangelium von der Sorglosigkeit? Gibt es ein Evangelium, das für Vorarlberger provokanter ist als dieses? Im Land der fleißigen Sparer und eifrigen Häusle-Bauer wirken Jesu Worte als Herausforderung.

 

Lieber Bischof Klaus!

Ich freue mich einfach, dass die Worte der Heiligen Schrift des heutigen Sonntags so für Deinen bischöflichen Dienst zutreffen. Brüder und Schwestern, lasst mich das ein wenig betrachten und dem Herrn für seinen Diener und Verwalter Klaus danken. Sorgenvoll, schwierig, schmerzlich war der Anfang deines bischöflichen Dienstes. Der 5. März 1989, der Tag Deiner Bischofsweihe, war überschattet von schwarzen Luftballons und heftigem Widerstand. Du hast Dir den Auftrag nicht ausgesucht, ihn nicht angestrebt. Papst Johannes Paul II. hat ihn Dir und der Diözese zugetraut und zugemutet. Und Du hast mit bewundernswerter Geduld, Liebe, Klugheit und Herzlichkeit Deinen Weg als Bischof begonnen und beschritten, wohl mit vielen schmerzlichen Stunden, aber auch mit genau dem Vertrauen, zu dem Jesus aufruft: "Sorgt euch nicht um morgen." Du hattest allen Grund zur Sorge, und hast trotzdem vertraut, bist ruhig und konsequent den Weg gegangen, Du bist Dir treu geblieben, mehr noch: dem Auftrag, den Du als Hirte bekommen hast. Und immer deutlicher ist in Deinem Dienst hervorgetreten, was Gott durch Jesaia in der 1. Lesung sagt: Gott sorgt für uns wie eine Mutter, und damit ist er auch Maß und Vorbild für den Dienst seiner Hirten: liebevoll zu sorgen wie eine Mutter, und nicht wie ein unerbittlicher Zuchtmeister!

 

Es waren keine leichten Jahre, diese 25 Jahre Deines Dienstes, weder für Dich persönlich, noch für die Kirche in Österreich. Dein vertrauendes Sorgen (wenn ich so die Haltung beschreiben darf, die Jesus uns nahelegt), Dein vertrauendes Sorgen hat mit dazu beigetragen, dass die Kirche in Österreich wieder in ruhigeren Wassern fährt und sich wieder mehr ihren Kernaufgaben widmen kann.

 

Dein vertrauendes Sorgen galt stets der Familie. Ehe und Familie – das große Thema der beiden kommenden Synodensitzungen – war stets vorrangig Dein Thema. Vertrauend in das Gespür der Menschen für das, was gut, heilsam, glücklich machend ist, und zugleich sorgend für das hohe Ideal von Ehe und Familie, wie der Schöpfer sie "im Anfang" wollte: Deine lange Seelsorgserfahrung hat Dich gelehrt, "zu begleiten, nicht zu verurteilen", wie Papst Franziskus noch dieser Tage zum Thema gesagt hat.

 

In Deinem an Sorgen reichen Dienst war wohl die Visitation in der Diözese St. Pölten im Sommer 2004 und die darauf folgende  Ernennung zum Bischof von St. Pölten die schwierigste und heikelste Mission. Es braucht ein sehr hohes Maß an Klugheit, Einfühlung, Geduld und Liebe, um diese Situation zu meistern. Mit Gottes Hilfe hast Du sie gemeistert, und dafür dürfen wir Dir heute von Herzen danken.

 

Doch nicht genug damit: die überaus schmerzliche Wirklichkeit der Missbrauchsfälle im kirchlichen Bereich. Du hast mit Deiner Erfahrung als Arzt und als Seelsorgen hier Vorbildliches geleistet, mit den Vielen, die hier geholfen haben, diese Wunde offenzulegen und das Mögliche zur Heilung zu tun. Du hast hier wirklich im guten Sinne Sorge getragen für die, denen von Menschen der Kirche schweres Leid zugefügt worden ist.

 

"Macht euch keine Sorgen": ausgerechnet dem "Finanzbischof" wird das heute ins Stammbuch geschrieben! Als echtem Vorarlberger (der nicht wie ich nur ein "Zuagraster" Vorarlberger ist) haben die Mitbrüder Dir seit Jahren das Finanzreferat anvertraut. Du bist ein umsichtiger Sparmeister, und manchmal denke ich mir, wir sollten doch mehr medial deutlich machen, dass die öffentliche Hand von uns lernen könnte: Die Kirche lebt wirtschaftlich vom Kirchenbeitrag – und weiß, dass sie deshalb keine Schulden machen darf. Warum weiß das die öffentliche Hand, die vom Steueraufkommen lebt, so wenig?

 

"Macht euch keine Sorgen!" Lieber Bischof Klaus! Trotz aller vielfältigen Sorgen bist Du ein vertrauender Mensch. Nicht nur weil Du ein fleißiger Arbeiter bist, wirklich unermüdlich, sondern vor allem weil Du ein tiefes Vertrauen in den Herrn hast. Du nimmst es mir hoffentlich nicht übel, wenn ich eine persönliche Erinnerung nenne: Wie oft habe ich festgestellt, wenn wir in der Bischofskonferenz am Morgen miteinander die Messe feiern: Du bist meist der erste in der Kapelle, noch lange vor dem Meßbeginn. Ist das Gebet die Kraftquelle, die Dir hilft, Jesu Wort zu leben: "Macht euch keine Sorgen"?

 

Ein Letztes, was mir Dein tiefes Vertrauen in den Herrn – und damit in die Zukunft der Kirche – bezeugt: Wir kommen in die Jahre, lieber Bruder! Aber Jüngere kommen nach, nicht nur unter uns Bischöfen (in Vorarlberg wirkt schon Dein zweiter Nachfolger!). Deine ganz besondere Freude gilt den jungen Familien. Sie sind sozusagen Dein Augenstern, Deine Freude und Hoffnung. Im Blick auf sie kannst Du das Wort Jesaia leben: "wie eine Mutter…" Und Du hast das Vertrauen, zu dem uns Jesus einlädt: "Euer himmlischer Vater weiß, was ihr alles braucht."

 

So darfst Du selber vertrauensvoll auf den morgigen Tag hoffen und kannst mit Dietrich Bonhoeffer sagen: "Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

Amen.

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