Freitag 19. April 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zur Vesper zum Tag des Geweihten Lebens 2017

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, zur Vesper zum Tag des Geweihten Lebens, am 29. Jänner 2017, im Dom zu St. Stephan, im Wortlaut:

 

Liebe Brüder und Schwestern hier im Dom oder über Radio Maria verbunden in dieser Vesper, in der wir Dank sagen für unsere Jubilarinnen und Jubilare und für die geistlichen Berufungen im Ordensstand der Säkularinstitute, im Stand der geweihten Jungfrauen oder einfach in der vita consecrata, dem Gott geweihten Leben.

 

Wir haben eben die zweite Lesung vom Sonntag aus dem 1. Korintherbrief gehört. Was mich immer wieder bewegt, wenn ich in den Korintherbriefen lese, muss man sich ein bisschen vorstellen: Korinth, das war eine riesige Hafenstadt. In diesen Städten gibt es alles, und es sind nicht immer die besonderen moralischen Stätten. Paulus kommt von Athen, dort hatte er ziemlichen Misserfolg gehabt mit seiner Verkündigung. Kaum jemand ist ihm gefolgt. Er hat dort mit philosophischen Worten gesprochen, wollte die gescheiten und gebildeten Athener ansprechen. In Korinth hat er gesagt: „Unter euch wollte ich nur Christus und Christus als den Gekreuzigten kennen“. Er hat dort zu verkündigen begonnen, wie in allen Städten zuvor in den jüdischen Synagogen, als Jude konnte er nämlich dort hineingehen. Aber sehr bald hat sich auch eine Gemeinde aus Heiden gebildet, also aus Nichtjuden, die sich der Predigt des Paulus zugewendet haben und Christus-Gläubige geworden sind. Aber wir müssen es uns ganz nüchtern vorstellen: Korinth hatte etwa 200.000 Einwohner und man schätzt die Gemeinde des Paulus in Korinth auf ungefähr 200 Personen. Das ist etwa ein Promille! So klein hat das begonnen, und er spricht von der Berufung. Das war noch nicht die Berufung zum Ordensstand, den es damals noch nicht gab, sondern das war einfach Berufung durch Christus, die Berufung zum christlichen Leben. Er ist sehr nüchtern, wenn er sagt: „Unter euch, Brüder und Schwestern in Korinth, da gibt es keine mächtigen Leute“. Die „Großkopferten“ sind anderswo. Da sind keine Mächtigen, keine Vornehmen, keine Weisen im irdischen Sinn, keine Universitätsprofessoren waren da in dieser ersten Gemeinde in Korinth. Es ging ja auch ziemlich bunt zu, wie wir aus seinen Briefen wissen. Paulus musste manches erst mühsam korrigieren und im Glauben und im Leben ausbilden. Sie kamen ja zum Teil auch von ganz weit her und brachten auch vieles mit in ihrer Einstellung zum Leben und in ihrer Haltung. Diesen sagt Paulus: „Das Törichte hat Gott erwählt, um das Weise zuschanden zu machen und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen“(1 Kor 1, 27). Schaut auf eure Berufung! Wir sind keine glorreiche Schar, die meisten von uns sind arm. Und diese hat Gott erwählt, diese sind die Träger seiner Herrlichkeit. In ihnen will er seine Kraft zeigen, in ihnen will er zeigen: „Von Ihm seid ihr in Christus Jesus,  der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“.

 

Was sagt uns das jetzt für das Gott geweihte Leben? Ich glaube zuerst einmal die ganz einfache Feststellung, dass wir alle ohne Unterschied, die wir Christen sind, zur Nachfolge berufen sind, vor aller speziellen Berufung gibt es die gemeinsame Berufung im Christsein. Wenn eine Ordensschwester oder ein Ordensgründer, ein Mönch oder eine Nonne heiliggesprochen werden, dann werden sie nicht wegen ihrem Stand heiliggesprochen, sondern wegen ihrer Nachfolge. Im Heiligenkalender gibt es keine Stände mehr, sondern nur mehr die Heiligen, ob Hausfrau oder Universitätsprofessor, ob Papst oder einfache Küchenmagd, heilig wird man nur durch die Heiligkeit, und nicht durch den Stand. Der Stand soll eine Hilfe sein, eine Hilfe auf dem Weg zur Heiligkeit. Aber diese Hilfe ist in allen Ständen angeboten. Manchmal denke ich mir selber als Ordensmann: Ich bewundere die Eheleute! Die Eheleute, die sich aneinander hin zur Heiligkeit bewegen. Dazu darf ich auch etwas Lustiges erzählen: Bei einer diamantenen Hochzeit hat der Pfarrer das Paar gefragt: Habt ihr nie daran gedacht, euch zu trennen, euch scheiden zu lassen? Darauf sagte sie: „Scheiden nie, aber „derschlogn“ schon manchmal!“

 

Der Weg der Heiligkeit ist gangbar auf der gemeinsamen Grundlage unserer Berufung. Ich glaube, es tut uns gut, uns vom Heiligen Paulus daran erinnern zu lassen, hinzuschauen auf die Spuren der Heiligkeit in unserer Umgebung. Bei uns im Kloster war es oft der Blick auf die Laienbrüder. Hier die Studierten, da die einfachen Laienbrüder. Das waren oft ganz besondere Schätze. Sie hatten ein ganz feines Gespür, ob wir, die Studierten, auch ein bescheidenes und demütiges Herz haben oder nicht. Ich glaube es ist gut, - auch wenn es noch nicht genau der Tag des geweihten Lebens ist -, wenn wir auf das schauen, was uns der Heilige Paulus heute sagt: „Seht auf eure Berufung, Schwestern und Brüder!“ Die vielen einfachen, die Jesus so geliebt hat, die Kleinen, in denen er die Größe Gottes gesehen hat. „Vater, ich preise dich, dass du alles vor den Klugen und Weisen verborgen hast, den Kleinen hast du es geoffenbart“. Das gibt eine Freude, die unvergleichlich ist, wenn wir die Spuren der Heiligkeit in den ganz einfachen Kleinen entdecken.

 

Ich möchte schließen mit einem Wort von Papst Benedikt. Er hat ja in seinen Katechesen auch eine lange Reihe von Katechesen über die Heiligen gehalten. Die allerletzte Katechese, an der ich zufällig dabei war, war genau über dieses Thema. Er hat gesagt, er sei in seinem Leben vielen einfachen Menschen begegnet, in den er die Heiligkeit Gottes, die Spuren der Heiligkeit richtig gespürt hat. Er meinte dann, die Heiligen, die im Kalender stehen, sind nur ein ganz kleiner Ausschnitt. Die vielen, vielen, die den Himmel bilden, das sind zur allergrößten Zahl ganz einfache Christinnen und Christen, ja weit darüber hinaus, ganz einfache Menschen, die mit geradem Herzen Gottes Ruf gefolgt sind.

Amen.

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