Freitag 19. April 2024
Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
Joh 4,19
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zu Pfingsten 2018

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, zu Pfingsten, am 20. Mai 2018, im Dom zu St. Stephan, im Wortlaut:

Liebe Brüder und Schwestern!

 

„Lasst Euch vom Geist leiten!“ Das ist die Anweisung, die uns der Apostel Paulus gibt für die Zeit nach Pfingsten, die jetzt beginnt. Diese Anweisung gilt natürlich auch für das ganze Jahr und für unser ganzes Leben: „Lasst euch vom Geist leiten!“ Leiten, wie macht man das? Was sind die Kriterien, dass wir uns vom Geist leiten lassen und nicht beherrscht werden vom Begehren des Fleisches? Wir brauchen so etwas wie ein „Pneumatometer“, - ich erfinde jetzt einfach etwas-, also ein Maßstab für das, was es heißt, sich vom Geist leiten zu lassen.

 

Der Heilige Geist zeigt sich ja nicht, zumindest sehr selten mit Flammen und Sturm, er zeigt sich in dem, was wir tun. Er zeigt sich in unserem Leben. Folgt dem Antrieb des Geistes, so können wir das auch übersetzen: „Lasst euch vom Geist leiten“, den Antrieb des Heiligen Geistes. Wann sind wir vom Geist bewegt und wann sind wir vom Fleisch beherrscht?

 

Ein deutlicher Unterschied wird schon in diesen beiden Worten sichtbar: der Geist leitet, das Fleisch beherrscht. Das heißt, der Geist setzt Freiheit voraus, das Fleisch nimmt uns die Freiheit. Was heißt „das Fleisch“ bei Paulus? Das ist das, von dem wir normaler Weise sagen: so ist es eben! So ist die Welt, so sind wir, da kann man nichts machen, die Ungerechtigkeit. Da haben wir gleich eine ganze Liste, wo wir sehen können, was das Fleisch ist. Streit, Eifersucht, Feindschaft, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid, Missgunst, Trink- und Essgelage, Zauberei, Aberglaube.

 

Brüder und Schwestern, es gibt ein ganz einfaches Kriterium, um diese Werke des Fleisches zu unterscheiden von der Leitung des Geistes. Alle diese Werke machen unfrei. Wenn ich in Zorn gerate, bin ich nicht frei, dann bin ich beherrscht. Wenn ich mich beherrsche, dann bin ich frei.

Brüder und Schwestern, geht es Ihnen auch so? Wenn wann jemanden im Zorn sieht, bekommt man manchmal Angst, aber sehr oft wirkt das lächerlich, peinlich, unbeherrscht. Spaltungen machen nicht frei, Spaltungen spalten, trennen. Das ist nicht der Geist Gottes, das ist nicht der Geist, der frei macht. Feindschaften können uns fesseln, können uns wirklich zu Sklaven machen. Gott aber will uns einen Geist der Freiheit geben. Der Heilige Geist macht frei.

 

Interessant ist, dass Paulus, wenn er vom Wirken des Geistes spricht, nicht in der Mehrzahl spricht. Die Werke des Fleisches spalten, sie machen unfrei, sie machen unglücklich. Wenn Paulus vom Wirken des Geistes spricht, dann spricht er in der Einzahl. Die Frucht des Geistes, auch wenn sie vielfältig ist, ist sie eine, weil sie die Menschen vereint, versöhnt und zusammenbringt. Was ist die Frucht des Geistes? Gleich neun Mal nennt Paulus „die Frucht des Geistes“: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung.

 

Brüder und Schwestern, nichts von dem ist peinlich! Wie oft sind wir peinlich für die anderen, wenn wir unbeherrscht die Werke des Fleisches tun! Das Gespür für das Wirken des Geistes, das „Pneumatometer“, ist genau hier aufgelistet bei Paulus. Und wenn wir ehrlich sind, spüren wir es: so ist es. Das macht frei. Aber eines bleibt schon: es ist nicht leicht. Es ist verbunden mit Opfer, wir müssen es ehrlich sagen. Es kostet, freundlich zu sein. Es kostet, langmütig zu sein. Güte kann manchmal schwer fallen. Treue kann eine Herausforderung sein. Sanftmut, gerade, wenn das Temperament aufbrausen will. Selbstbeherrschung, all das ist verbunden mit Opfer. Mit einem ganz einfachen Opfer, das aber gar nicht leicht ist: mich zurückzustellen um des anderen Willen. Alle, die zu Christus gehören, haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt. Kreuzigen? Das ist nicht sehr gemütlich. Das kann sehr wehtun. Die Frucht des Geistes macht frei. Aber sie kostet etwas, weil die Freiheit etwas kostet. Nur so werden wir glücklich. Und Gott will, dass wir glücklich werden. Deshalb bitten wir heute intensiv um die Frucht des Heiligen Geistes für uns alle. Amen.

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