Mittwoch 24. April 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zum Stephanitag 2018

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, zum Stephanitag, am Mittwoch, 26. Dezember 2018, im Dom zu St. Stephan, im Wortlaut:

Liebe Schwestern und Brüder!

 

„Als sie seine Rede hörten, wurden sie von Wut erfasst“(Apg 6,8-10). Das hören wir jedes Jahr am Stephanitag. Die Rede des Stephanus hat sie rasend gemacht, sodass es zu diesem Lynchmord, zu diesem Justizmord kam, ohne Gerichtsverfahren, Stephanus wurde einfach aus Wut gesteinigt. Aber was hat er denn gesagt, was sie so aufgeregt hat?

 

Schwestern und Brüder, ich möchte heute in der Predigt zuerst ein wenig auf diese Rede eingehen, die wir eben nicht gehört haben, weil sie so lange ist, dass wahrscheinlich manche von Ihnen sagen würden: schon damals hat man zulange gepredigt!

 

Das ganze 7. Kapitel der Apostelgeschichte ist die lange, lange Rede des Stephanus. Am Ende dieser Rede kommt es zu diesem Zornausbruch. Schauen wir kurz auf diese Rede und dann drei praktische Schlussfolgerungen vor allem für Euch, liebe Diakone, aber auch für uns alle passend, so hoffe ich.

 

Ausgangspunkt ist der Streit um den Tempel in Jerusalem. Manche Leute werfen dem Stephanus vor, dass er genau das gemacht, was Jesus schon gesagt hat: Reißt diesen Tempel nieder! Sie werfen ihm vor, dass er gegen den heiligen Tempel in Jerusalem und überhaupt gegen die Gebräuche der Väter wegen diesem Jesus alles umstürzen will. Sie führen ihn vor das jüdische Gericht, den Sanhedrin, und als er zu reden beginnt, sagen die Leute: Sein Antlitz war strahlend wie das eines Engels! Voller Begeisterung redet er und sie hören lange zu. Er beginnt ihnen die ganze Geschichte des eigenen jüdischen Volkes zu erzählen, angefangen von Abraham, Isaak und Jakob, den Patriarchen, von den zwölf Söhnen des Jakob, von deren Weg nach Ägypten, weil Joseph der zweitjüngste von seinen eigenen Brüdern verkauft worden ist. In Ägypten wird er zum Heil, weil eine Hungersnot ausbricht und die Brüder zu ihm kommen und finden Hilfe. So geht die Geschichte weiter. Die vielen Jahre, die Israel in Ägypten gelebt hat bis zur Zeit des Moses. Dann erzählt Stephanus ausführlich über die Geschichte des Mose wie er, der 40 Jahre lang am Pharaonenhof gelebt hat, bis er dann sich um sein Volk gekümmert hat, flüchten musste in die Wüste Sinai und dort 40 Jahre lang als Hirte gelebt hat, bis er schließlich von Gott zurückgerufen wurde, um als 80jähriger sein Volk aus Ägypten herauszuführen.

 

Da sagt Stephanus etwas, was uns aufhorchen lässt: „Schon damals habt ihr euch gegen Moses aufgelehnt, habt ihm nicht gehorcht“. Dann kommt es bis zur Geschichte des König Davids, dem Bau des Tempels durch Salomon. Die Rede hat schon lange gedauert und plötzlich sagt er ganz unvermittelt und hart: „Ihr Halsstarrigen, unbeschnitten an Herzen und Ohren, immerzu widersetzt ihr euch dem Heiligen Geist, eure Väter schon und nun auch ihr. Welchen der Propheten haben eure Väter nicht schon verfolgt! Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid. Ihr, die ihr durch die Anordnung von Engeln das Gesetz empfangen habt, aber es nicht gehalten habt“.

 

Liebe Diakone, wenn Ihr in Eurem Predigtdienst so redet, werdet ihr wahrscheinlich auch gesteinigt, oder bekommt zu mindestens Probleme. Eine solche Rede muss Wut auslösen. Warum hat Stephanus so hart geredet? Warum war seine Rede nicht etwas diplomatischer?

Liebe Diakone, liebe Schwestern und Brüder, drei kurze Gedanken: Was sagt uns diese Rede des Stephanus, was können wir daraus lernen? Sollen wir auch so reden? Sollen wir die anderen mit ihren Fehlern so direkt konfrontieren wie Stephanus es gemacht hat? Mein erster kurzer Gedanke ist eine Frage an mich selber. Im Angesicht des Stephanus, dessen Bild wir auf dem Hochaltar sehen, wie er mit leuchtendem Gesicht hinaufschaut zu Christus, den er zur Rechten Gottes stehen sieht, den Himmel offen, frage ich mich selber: Bin ich zu wenig mutig in meiner Rede, bin ich zu leise? Manche werfen dem Wiener Erzbischof vor, dass er zu diplomatisch ist, dass er deutlicher Reden sollte. Das bewegt mich. Das ist die Frage an mich, es ist die Frage an uns alle, es ist die Frage an die Kirche, an die Hirten der Kirche. Müssen wir nicht deutlicher reden? Sind wir zu stromlinienförmig geworden, zu angepasst? Aber andererseits geht es auch darum Brücken zu bauen. Nicht, wie man auf Wienerisch sagt, dem anderen mit dem Stellwagen ins Gesicht zu fahren.

 

So ist Stephanus für mich eine große Frage: wie sage ich dem anderen seine Fehler? Mit Liebe, mit Klarheit? Jeder und jede von uns kann darüber nachdenken. Stephanus hat mutig gesprochen, aber es war auch der richtige Moment. Erkennen wir den richtigen Moment, wann wir ein klares Wort sagen müssen, und wann wir eher besänftigen müssen? Bitten wir den Heiligen Geist darum.

 

Das zweite: Stephanus war glaubwürdig. Glaubwürdig sind die Märtyrer, weil sie mit dem ganzen Einsatz ihres Lebens für die Wahrheit eingetreten sind, wie die vielen Märtyrer unserer Zeit. Ich habe letztes Jahr über die koptischen Märtyrer gesprochen, die 21 Gastarbeiter, die nicht bereit waren Jesus zu verleugnen und dafür einer nach dem anderen enthauptet wurden. Sind wir glaubwürdig?

 

Liebe Diakone, liebe Schwestern und Brüder, man wirft uns vor, manchmal zu Recht, der Kirche, vor allem uns den Hirten, den Verantwortlichen: Ihr predigt Wasser und trinkt Wein! Haltet ihr euch auch an das, was ihr predigt? Wie steht es mit dem Missbrauch durch Vertreter der Kirche? Wie leidet die Glaubwürdigkeit der Kirche unter diesen schweren Verfehlungen? Sind wir wahrhaftig genug? Man sagt uns zu Recht: Kehrt vor der eigenen Tür! Wie steht es mit den Konflikten in der Kirche, beispielsweise in Kärnten? Wo ist die Wahrheit? Wie mit Konflikten umgehen? Man wirft uns vor: ganz so unrecht ist es nicht, wenn man uns diesen Vorwurf macht, dass wir uns schwer tun mit Konflikten richtig umzugehen.

 

Liebe Diakone, ich möchte doch einen dritten und letzten Punkt nennen. Die Glaubwürdigkeit geschieht nicht durch die großen öffentlichen Erklärungen. Die Glaubwürdigkeit geschieht im Alltag, im täglichen Dienst. Da möchte ich doch eine Lanze brechen für die vielen Schwestern und Brüder in den Gemeinden, in den sozialen Einrichtungen, die Tag für Tag ihren stillen Dienst der Nächstenliebe tun, für euren Dienst als Diakone. Das ist die wahre Glaubwürdigkeit. Das wird nicht plakativ, öffentlich kundgetan. Muss es auch nicht. Es muss nicht von allen gesehen werden, was Gutes geschieht. Aber es ist wichtig, dass es geschieht. Und wir müssen uns nicht zuerst darum kümmern, ob die Kirche glaubwürdig ist, sondern ob wir glaubwürdig leben, ob wir glaubwürdig das Evangelium leben.

 

So stelle ich am Schluss dieses Wort hin, das der heilige Franziskus gesagt hat, und das gilt für uns alle: Verkündet allen Menschen das Evangelium, wenn notwendig auch mit Worten!

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