Donnerstag 18. April 2024
Predigten von Kardinal Christoph Schönborn

Predigt zum Gründonnerstag 2019

Predigt von Kardinal Christoph Schönborn, zum Gründonnerstag, am 18. April 2019, im Dom zu St. Stephan, im Wortlaut:

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Heute ist von Überlieferungen die Rede, und von einer Überlieferung handelt auch das, was wir in dieser Heiligen Messe, in dieser Abendmahlmesse tun. Die erste Lesung spricht von der uralten Überlieferung des Pessachmahles der jüdischen Glaubensgemeinschaft. Die Nacht, in der in Ägypten das jüdische Volk aufgebrochen ist, befreit aus der Sklaverei, und wo es noch hastig das Paschamahl zu sich genommen hat.

 

Überlieferung. Morgen Abend beginnen unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, Brüder und Schwestern, so darf ich schon sagen, das Pessachfest zu feiern. Das ist das jüdische Osterfest, seit Jahrhunderten treu von Generation zu Generation weitergegeben. Morgen am Karfreitag Abend beginnt es. Es ist keine leichte Erinnerung, denn sehr oft war der Karfreitag für die Juden in unseren Ländern ein Schreckenstag. Wenn die Christen des Todes Jesu gedachten, dann wurde das oft zum Anlass von Ausschreitungen gegen die Juden mit dem Vorwurf, sie haben Gott getötet, Gottesmörder, weil sie Jesus gekreuzigt haben. Für viele Juden war der Karfreitag durch Jahrhunderte ein Schreckenstag.

 

Überlieferung. „Ich habe euch überliefert, was ich vom Herrn empfangen habe“, sagt Paulus. Auch wir haben eine Überlieferung, die wir treu weitergeben. Wir dürfen nur nicht vergessen, dass sie ganz tief in der jüdischen Überlieferung wurzelt. Das Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern an diesem Abend gefeiert hat, war das Pessachmahl. Er hat es in der Tradition seiner Väter gefeiert, so wie es die Juden auch morgen Abend feiern werden.

 

Überlieferung. Zweites Stichwort: Gedächtnis. Diese Überlieferungen werden weitergegeben von Generation zu Generation, damit man sich erinnert. Vergiss nicht, erinnere dich, gedenke! Bewundernswert dieses Gedächtnis über Jahrhunderte, weitergegeben von Generation zu Generation. So ist es im Pessachmahl, wenn die Kinder fragen müssen: Was bedeutet das, was wir jetzt feiern? Dann wird der Vater oder die Eltern den Kindern Schritt für Schritt erklären, was sie jetzt im Pessachmahl machen. So ist es auch bei uns mit dem Gedächtnis „Tut dies zu meinem Gedächtnis, zu meinem Gedenken“. Was ist das dieses Gedenken, Gedächtnis? Nicht einfach eine Erinnerungsfeier, nicht einfach sozusagen ein Gedenktag, wie wir sie viele haben, oder Gedenkfeiern. Nein, Gedächtnis ist Vergegenwärtigung. Indem wir uns erinnern, wird es gegenwärtig, indem wir es feiern, wird es jetzt Gegenwart. Im jüdischen Pessach gibt es einen wunderbaren Satz, der auch für uns für das christliche Abendmahl gilt: Jeder, der an dieser Feier teilnimmt, betrachte sich als einer, der jetzt aus Ägypten auszieht. Wenn unsere jüdischen Brüder und Schwestern Pessach feiern, dann ist es für sie nicht eine ferne Erinnerung, sondern das geschieht jetzt. Sie gedenken der Befreiung und so wird die Befreiung Gegenwart. Jesus hat uns aufgetragen: Tut dies zu meinem Gedächtnis! Das ist nicht einfach nur eine Erinnerungsfeier, sondern es wird gegenwärtig. Wenn wir das tun, was der Herr getan hat, Brot und Wein nehmen und darüber die Worte sprechen, die er selber im Abendmahlsaal gesprochen hat, dann wird das Gegenwart, dann geschieht das jetzt. Erinnerung, Überlieferung, Gedächtnis.

 

Aber, Brüder und Schwestern, das kann alles verblassen. Erinnerung kann verblassen, Überlieferung kann vertrocknen, leblos werden. Deshalb hat der Herr uns ein drittes gegeben, ein Zeichen. Das hat er mit seinen Jüngern getan: Ich habe euch ein Vorbild gegeben, die Fußwaschung. Die Fußwaschung ist gewissermaßen die Aktualisierung, damit wir nicht vergessen, worum es wirklich geht. Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Sie sind erschrocken darüber. Das macht doch der Sklave! Aber Du, der Herr wäscht uns die Füße! Aber dieses Symbol, - denn sie waren bereits rein, sagt Jesus -, aber dieses Symbol erinnert uns daran, worum es Jesus geht, wenn er sagt: Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ich, der Herr, der Meister, und ihr nennt mich zurecht so, ich habe euch diesen Sklavendienst gemacht, ich habe euch die Füße gewaschen. Deshalb tut es auch ihr, dient einander.

 

Schwestern und Brüder, der Schriftsteller Peter Turrini, mit dem ich auch persönlich befreundet bin, hat dieser Tage ein Wort gesagt, das mich berührt hat: „Der Weg in die Erkaltung der Herzen, dieser allerneueste Klimawandel, hat einen symbolischen Anfang und kein absehbares Ende“. Der Klimawandel des Erkaltens der Herzen, das ist die Gefahr bei diesem allerneuesten Klimawandel. Er hat einen symbolischen Anfang, wenn wir nämlich einander nicht mehr dienen, wenn wir einander ausschließen, wenn ganze Menschengruppen verächtlich gemacht werden, Flüchtlinge, Asylwerber. Das ist ein Klimawandel, der erschreckend ist. Das hat einen symbolischen Anfang, aber kein absehbares Ende.

 

Brüder und Schwestern, das, was wir heute Abend in der Fußwaschung machen, da geht es auch um Klimawandel. Es geht gegen die Erkaltung der Herzen Zeichen zu setzen. Natürlich ist es nur ein Zeichen, aber es soll uns daran erinnern. Die Brüder und Schwestern, denen ich jetzt die Füße waschen darf, sind Menschen mit schweren Schicksalen. Flüchtlinge, körperlich Behinderte, Menschen mit Krankheit, Menschen, die bittere Armut erlebt haben, Brüder und Schwestern. Klimawandel gegen die Erkaltung der Herzen. Diesen Klimawandel brauchen wir. Der andere macht uns genug Sorgen, dass wir einen ganzen April praktisch ohne Regen haben. Das ist erschreckend! Umso wichtiger ist, dass wir gegen die Erkaltung der Herzen Zeichen setzen. Das will Jesus, und das wollen wir mit der Fußwaschung.

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