Donnerstag 25. April 2024
Ansprachen, Reden und Vorträge von Kardinal Christoph Schönborn

Rede vor dem Ukrainischen Rat aller Kirchen

Wortlaut der Rede von Kardinal Schönborn am 10. Dezember 2014 in Kiew.

Sehr geehrte Vertreter des Panukrainischen Rates der Kirchen und religiösen Organisationen!

 

Es ist mir eine große Ehre, Sie im Namen Seiner Heiligkeit Papst Franziskus grüßen zu dürfen. Er sendet Ihnen seine Grüße und den Ausdruck seines Mitgefühls und seiner Verbundenheit mit dem ukrainischen Volk und mit allen hier lebenden Menschen in dieser schwierigen, leidvollen Zeit.

    1. Am 24. Juni 2001 hat Papst Johannes Paul II. eine bedeutende Begegnung mit ihrem Rat gehabt und dabei seine Wertschätzung für die Arbeit zum Ausdruck gebracht, die sie leisten. Er hat damals vor allem den Dienst hervorgehoben, den Ihr Rat „für den Schutz und die Förderung der geistlichen und religiösen Werte“ leistet. Er hat dabei mit Anerkennung erwähnt, wie sehr sich ihr Rat für „die volle Achtung der Religionsfreiheit“ aller Bürger Ihres Landes einsetzt. Er sagte damals: „Wo eine der Grundfreiheiten der Person missachtet wird, herrscht keine wahre Demokratie“. Es ist klar, auf welche Situation sich der heilige Johannes Paul II. hier bezog: „In der langen und schmerzlichen  Zeit der Diktaturen hat die Ukraine die zerstörerischen Auswirkungen der atheistischen Unterdrückung erfahren, die den Menschen erniedrigt und einem Regime der Knechtschaft unterwirft“.

       

      Die Existenz Ihres Rates ist bereits ein Erweis, dass diese schlimme Zeit überwunden ist und dass die Kirchen und Religionen wieder frei ihr inneres Leben gestalten und ihren Beitrag für das Wohl der Gesellschaft leisten können. Dafür können wir nicht genug dem danken, „von dem jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt“ (Jakobusbrief 1,17).

       

    2. Alle Kirchen und Religionen haben dank des Endes der Diktatur und dank der wiedererlangten Freiheit in neuer Weise ihr religiöses und gesellschaftliches Leben entfalten können. Mit besonderer Dankbarkeit gedenkt Papst Franziskus in diesen Tagen der „Auferstehung“ der griechisch-katholischen Kirche, die seit der zwangsweisen Auflösung durch Stalin viel gelitten hat. Alle Kirchen und Religionen haben schwer unter dem Staatsatheismus gelitten. Vor 25 Jahren durfte die griechisch-katholische Kirche aus den Katakomben hervorkommen und ihr Leben neu gestalten. Dieses dankbare Gedenken ist Papst Franziskus ein besonderes Anliegen.

       

    3.  Gestatten Sie mir aus gegebenem Anlass ein persönliches Wort, das ich nicht im Auftrag von Papst Franziskus sage, sondern als ein Anliegen, das ich als Ordinarius für die Katholiken des byzantinischen Ritus in Österreich ausspreche. Nach alter Tradition ist nämlich der Wiener Erzbischof auch Ordinarius für die griechisch-katholischen Gläubigen in Österreich. Seit dem 18. Jahrhundert besteht eine intensive Beziehung zwischen Wien und der Ukraine in dieser Hinsicht. Ich spreche daher auch aus dieser besonderen Verbundenheit mit dem Schicksal der griechisch-katholischen Kirche.

    4. Als Mitglied der Internationalen Dialogkommission zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche ist mir das Konfliktthema „Uniatismus“ bestens vertraut. Die Katholische Kirche bekennt, dass sie den Weg des „Uniatismus“ nicht mehr als den für heute geeigneten erachtet. Dennoch verwehrt sie sich entschieden dagegen, die Kirchen, die aus den Unionen, etwa von Brest-Litowsk oder aus der Siebenbürgener Union hervorgegangen sind, als Hindernisse für die Ökumene zu betrachten. Die Geschichte unserer Kirchen oder Religionsgemeinschaften darf nicht den heute lebenden Gläubigen angelastet und zum Vorwurf gemacht werden. Die Gläubigen der griechisch-katholischen Kirche verdienen den gleichen Respekt wie alle anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Es ist  zutiefst bedauerlich, wenn Konflikte früherer Jahrhunderte den heute lebenden Gläubigen angelastet werden. Ich appelliere daher an alle, dass wir einander als heute Lebende begegnen, und nicht uns gegenseitig als die Träger von Konflikten sehen, die frühere Generationen gelebt haben. Die katholische Kirche hat sich im II. Vatikanischen Konzil klar zu den mit Rom verbundenen Ostkirchen bekannt und sie als vollgültigen Teil der katholischen Kirche betrachtet.

    5. Doch lassen Sie mich zum Rat der Kirchen und religiösen Organisationen zurückkehren. Wir können nur dankbar anerkennen, dass dieser Rat ein Beispiel der friedlichen Koexistenz und des fruchtbaren Dialogs zwischen den verschiedenen Kirchen und Religionen in der Ukraine darstellt. Es ist für die Menschen ein Zeichen der Hoffnung und der Ermutigung, dass die Religionen zusammenstehen, um am Aufbau eines gerechten, freien und friedlichen Landes mitzuwirken. Dieses Zusammenwirken ist nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, um die Wunden der Vergangenheit und der Gegenwart zu heilen. Von besonderer Bedeutung ist der Beitrag der Religionen zum Aufbau und zur Stärkung der Zivilgesellschaft.

Die langen Jahre des aufgezwungenen Staatsatheismus haben wesentliche Werte des Zusammenlebens verkommen lassen. Die Kirchen und Religionen leisten hier wirkliche moralische und gesellschaftliche Wiederaufbauarbeit.

 

Gebe Gott, dass die Kirchen und Religionen dieses Landes weiterhin in Freiheit ihre Mission ausüben können. Mit tiefem Respekt vor den vielen Opfern und Leiden der Menschen in der Ukraine, vom Holodomor angefangen über die Schrecken des Krieges, der Shoa, der massenhaften Tötung jüdischer Mitbürger und schließlich der vielen Opfer des Stalinistischen Terrors, mit tiefem Respekt vor all diesem Leid kann ich nur die Hoffnung verbinden, dass die gegenwärtigen Leiden nicht eine weitere große Leidensperiode für das vielgeprüfte ukrainische Volk bedeuten, sondern bald zu einem gerechten Frieden und einem guten Miteinander führen werden.

 

Die tiefe Gläubigkeit so vieler Menschen in diesem Land ist dafür ein starkes Hoffnungszeichen, gehört doch die Ukraine zu den Ländern Europas, in denen die Kirchen und Religionen am lebendigsten sind. So darf ich mit den Grüßen des Heiligen Vaters auch Seine Segenswünsche übermitteln. Gott segne und beschütze das geliebte ukrainische Volk heute und für immer!

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