Monsignore
Dr. Ewald Huscava
Pfarrvikar der Gemeinde
Donaucitykirche
Mehr als 40 Mal kommt das Wort „Weinstock“ im Ersten Testament vor.
Einerseits wird der Weinstock oft mit dem Volk Israel gleichgesetzt, etwa bei den Propheten Hosea (Kapitel 10 und 14) und Jeremia (z.B. 2,21), am eindrucksvollsten im Psalm 80, 9-15:„Einen Weinstock hobst du aus in Ägypten, du hast Völker vertrieben und ihn eingepflanzt. … Gott der Heerscharen, kehre doch zurück, … sorge für diesen Weinstock!“
Doch andererseits ist auch oft nur der Weinstock als Pflanze gemeint. Er ist ein Garant guter Ernten – wenn er gepflegt wird. So klagt der Prophet Joel (1,12): „Der Weinstock ist dürr, der Feigenbaum welk.“ Und auch als er das kommende Heil in Aussicht stellt (2,2), wird wieder der Weinstock ein Beispiel für das gelingende Leben: „Das Gras in der Steppe wird wieder grün, der Baum trägt seine Frucht, Feigenbaum und Weinstock bringen ihren Ertrag.“ (2,22f.)
In einer Passage, die stark an Jesajas Völkerwallfahrt zum Zion erinnert (Jes 2,2-8) verkündet Jesajas Zeitgenosse Micha seine Vision von der Völkerwallfahrt, die dazu führt, dass Gott Recht schafft zwischen den Völkern, dass die Menschen ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden, dass überall Friede herrscht. Und er schließt diese Vision von Frieden und Harmonie mit den Worten: „Und ein jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf.“ Auch beim Propheten Sacharja ist das Gedeihen des Weinstocks die Frucht des Friedens: „Der Weinstock gibt seine Frucht, das Land gibt seinen Ertrag und der Himmel gibt seinen Tau.“ (Sach 8,11)
Jesu Wort vom Weinstock und seinen Reben verändert dieses Bild noch einmal. Der Weinstock ist hier weder das Volk noch ein Hinweis auf Frieden und Wohlstand (oder besser: Wohlstand durch Frieden), sondern ein ganz neues Konzept, auf das sich seine Hörer erst einstellen müssen, obwohl natürlich die Aspekte des von Gott gepflanzten Weinstocks und des Weinstocks als Frucht des Friedens mitschwingen.
Eva R.
Hinweis: Lesungen und Evangelium finden Sie gemeinsamit mit Tagesgebet und Psamlen über den "Schott-Tagesliturgie" Knopf auf https://erzabtei-beuron.de/index.html.