Der Ruf Gottes zur Gemeinschaft mit ihm ist eine “gefährliche“ wie beglückende Erfahrung: Ehrfürchtige Scheu und der Wunsch, Gott zu loben und vor ihm zu “tanzen“, sind Antworten des Menschen, bezeugt die Bibel.
Ps 114, ein traditioneller Psalm der Sonntagsvesper, besingt die wunderbare Errettung Israels am Schilfmeer durch JHWH, den mächtigen König. Dass Gottes Erscheinen und Eingreifen die Welt in ihren Grundfesten erschüttert, formuliert die Einheitsübersetzung so: "Vor dem Herrn erbebe, du Erde ..."; in einer anderen wörtlichen Übertragung heißt es: "Tanze, du Erde, vor dem Antlitz des Gottes Jakobs." Kann, wen Furcht gepackt hat, denn tanzen? – Offenbar besteht hier kein Widerspruch, denn beide Reaktionen gründen in derselben bestürzenden Erfahrung und ergreifen den ganzen Menschen: erzitternd vor Gottes Größe und doch in leibhaftigem Ausdruck ihm ganz hingegeben.
Auch der vom 2. Vatikanischen Konzil als Dialog zwischen Gott und Mensch verstandene Gottesdienst der Kirche führt die Feiernden in diese gleichermaßen ,gefährliche' wie beglückende Gegenwart des Höchsten, "in der in Christus die Heiligung der Menschen und die Verherrlichung Gottes verwirklicht werden." (SC 10; vgl. SC 5; 7; 9). Wo Menschen einander wahrhaft begegnen, verspüren sie Nähe und zugleich Respekt vor der unauslotbaren Tiefe des anderen. Wie sollte im Angesicht Gottes jene ehrfürchtige Scheu nicht aufsteigen, die der Psalm "Erbeben" nennt und zugleich der Wunsch, ihm zu nahen, "mit Herzen, Mund und Händen" (GL 266) zu danken und zu loben, vor Gott zu "tanzen"?
Was Gott an den Menschen wirken will, seine erlösende, mitunter bestürzende und immer heilsame Nähe, wird im vielfältigen symbolischen Handeln der Gemeinde vermittelt und erfahrbar. Sie inkarniert sich in "sinnenfällige Zeichen" (SC 7): die Heilige Schrift, Texte und Gesänge, Handlungen und Haltungen, den Umgang mit den Elementen, Raum und Zeit. Diese mit Bedacht zu wählen und sorgsam auszuführen, trägt auf irdischer Ebene entscheidend zum Gelingen der gott-menschlichen Begegnung bei. Ebenso kommt in den liturgischen Vollzügen die Antwort und Hingabe der Gemeinde angemessen zur Darstellung: Beben und Tanz ...
Kommunizieren (lat. communicare) bedeutet "gemeinsam an einer Gabe teilhaben und Anteil geben". Wird die Selbstmitteilung des Gebers angenommen und erwidert, entsteht Gemeinschaft (communio). Kaum treffender lässt sich beschreiben, was im liturgischen Dialog zwischen Gott und den Feiernden geschieht: Die Gläubigen empfangen Gottes Gabe, die er selber ist; "mit Christus Jesus leben sie für Gott ... als neue Menschen" (vgl. Röm 6,4–11) in der Gemeinschaft aller "Heiligen, die im Licht sind" (Kol 1,12; communio sanctorum). Jede geglückte zwischenmenschliche Kommunikation verwandelt die Beteiligten. Wer dem lebendigen Gott begegnet, sollte nicht weniger erwarten.