Fasten ist somit auch eine Rückbesinnung auf die Schöpfung und ihre Würde, ein Gedanke, der hochaktuell ist.
Fasten ist somit auch eine Rückbesinnung auf die Schöpfung und ihre Würde, ein Gedanke, der hochaktuell ist.
Die Orthodoxie übersetzt die Fastenpraxis der frühen Kirchenväter in unsere Zeit. Am vergangenen Sonntagabend hat die „Große Fastenzeit“ der Ostkirche mit der Vesper der Versöhnung begonnen. Das Ziel heißt: Pascha/Ostern und damit neues Leben.
Der zentrale Begriff der ostkirchlichen Fastenzeit heißt „Askese“, erklärt P. Nikolaus Rappert, Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde der griechisch-orthodoxen Kirche in Wien. Der aus der antiken Athletensprache entlehnte Ausdruck bezeichnet einen bestimmten Lebensstil, der Körper und Geist zum Wettkampf rüstet. In der Sicht der Kirchenväter ist das christliche Leben geprägt von der Auseinandersetzung mit Leidenschaften, die den einzelnen in seiner „Sprungkraft“ auf dem Weg der Nachfolge Christi hemmen oder sogar davon abbringen. Das Bild des Wettkampfs findet sich schon im Neuen Testament. Paulus spricht im 9. Kapitel des 1. Korintherbriefes ausdrücklich vom „Wettlauf um den Siegespreis“, im 2. Timotheusbrief resümiert er sein Leben noch einmal betont kämpferisch: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.“
In der orthodoxen Kirche entstand ein neunwöchiger Parcours. In einer dreiwöchigen Vorfastenzeit bereiten sich die Gläubigen auf die eigentliche Fastenzeit vor, die mit der Vesper der Versöhnung am Sonntag vor dem ersten Fastensonntag beginnt. Vor jeder Fastenübung steht die Versöhnung mit Gott und untereinander.
Mit dem darauffolgenden „reinen Montag“ beginnt ein sechswöchiges, fast ausschließlich veganes Fasten. Es ist zugleich eine deutliche Einschränkung aber auch Erinnerung an das Paradies, in dem das erste Menschenpaar ausschließlich von den Früchten der Erde gelebt hat. Öl, Wein oder gar Fisch sind nur an den wenigen Festtagen, die in die Zeit des Großen Fastens fallen, gestattet. Fasten ist damit auch eine Rückbesinnung auf die Schöpfung und ihre Würde, ein Gedanke, der hochaktuell ist.
Ein grundlegendes geistliches Prinzip in der Orthodoxie gilt aber auch gerade auch für die Askese in der Fastenzeit: Trotz des vorgesehenen „Maximalprogramms“ kann jeder mit seinem geistlichen Begleiter einen persönlichen Weg finden, diese individuell zu definieren.
Das Ziel ist nicht in erster Linie eine besondere Leistung , sondern eine größere Nähe zu Gott und vor allem die Freude des Osterfestes. Noch bedeutender als jeder äußerliche Verzicht ist die Disziplin der Gedanken, der Worte und der liebevolle Umgang miteinander.
Im Unterschied zur westlichen Tradition endet die orthodoxe Fastenzeit am Samstag vor dem Palmsonntag. Das Fasten in der Karwoche ist noch ein Stück intensiver.
Am Ende gilt jedoch - und das ist vielleicht die eigentliche Pointe der orthodoxen Fastenzeit – was in der Liturgie der Osternacht mit den Worten des Hl. Johannes Chrysostomos verkündet wird:
„Wenn jemand fromm ist und Gott liebt, erquicke er sich an dieser schönen und glänzenden Feier.
Wenn jemand ein wohlgesinnter Knecht ist, gehe er fröhlich ein in die Freude seines Herrn.
Wenn jemand sich beim Fasten abgemüht hat, empfange er jetzt den Denar [Silbermünze].
Wenn jemand von der ersten Stunde an gearbeitet hat, empfange er heute seinen gerechten Lohn.
Wenn jemand nach der dritten Stunde gekommen ist, feiere er dankend.
Wenn jemand nach der sechsten Stunde angelangt ist, so zweifle er nicht, denn er wird nichts einbüßen.
Wenn jemand bis in die neunte Stunde säumte, trete er unverzagt herzu, ohne sich zu fürchten.
Wenn jemand erst zur elften Stunde angelangt ist, fürchte er sich nicht ob seiner Saumseligkeit.
Denn der Gebieter ist freigebig und nimmt den Letzten an wie den Ersten.
Er erquickt den, der um die elfte Stunde gekommen ist, ebenso wie den, der von der ersten Tagesstunde an gearbeitet hat.“
Zum später Kommenden ist Er gnädig und zum Ersten freundlich.
Jenem gibt Er und diesen schenkt Er.
Die Werke nimmt Er an und den Entschluss begrüßt Er.
Die Tat ehrt Er und die Absicht lobt Er.
Geht also alle ein in die Freude unseres Herrn!
Die Ersten und die Letzten, empfanget den Lohn!
Die Reichen und die Armen, freut euch miteinander!
Die Ausdauernden und die Nachlässigen, ehret den Tag!
Die ihr gefastet und die ihr nicht gefastet habt, freuet euch heute!
Der Tisch ist reich gedeckt, genießet alle!