Ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Schelkshorn, Institut für christliche Philosophie.
Ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Schelkshorn, Institut für christliche Philosophie.
Sommer-Serie zum Universitätsjubiläum (Folge 7): Univ.-Prof. Hans Schelkshorn (Institut für christliche Philosophie) über das Pontifikat von Papst Franziskus und seine Erwartungen an die Bischofssynode im Oktober.
|
Papst Franziskus trat sein Amt in einer Zeit an, als die katholische Kirche innerlich tief gespalten war. In Europa wurden christliche Bewegungen, die vom weltoffenen Geist des II. Vatikanischen Konzils inspiriert waren, immer mehr an den Rand gedrängt, während antimodernistische Gruppen wie die Pius-Bruderschaft an Einfluss gewannen. In Lateinamerika sind hingegen die Aufbruchsbewegungen im Umfeld der Theologie der Befreiung durch disziplinäre Maßnahmen und eine konsequente „Personalpolitik“ beinahe erstickt worden.
In dieser extrem schwierigen Situation hat Papst Franziskus die katholische Kirche mit seinem persönlichen Zeugnis und dem Leitspruch „Eine arme Kirche für die Armen“ mit einem neuen Geist durchflutet. Der Papst steht, wie im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium deutlich spürbar ist, der „Theologie des Volkes“, wie sie vom Befreiungstheologen Juan Carlos Scannone entwickelt worden ist, nahe.
Die lateinamerikanischen Völker haben nach dem II. Vatikanischen Konzil große Gestalten des Glaubens bis hin zu Märtyrern hervorgebracht, ein bislang oft verschmähter Schatz, der nun durch die Seligsprechung von Erzbischof Romero spät aber doch gewürdigt worden ist. In Europa, wo die Kirche vor allem in der Frage nach dem Verhältnis zur säkularen Welt gespalten ist, hat Papst Franziskus die festgefahrenen Fronten zwischen Konservativen und Reformgruppen durch die Fragen des Jüngsten Gerichts aufgeweicht: Was habt ihr den Armen, den Hungrigen, den Dürstenden, den Nackten und den Obdachlosen getan? Wer kann vor dieser Frage bestehen? Die Scham über unsere eigene Lauheit und Gleichgültigkeit ist ohne Zweifel ein wirksames Heilmittel gegen jede Form einer Selbstüberhebung gegenüber anderen Christinnen und Christen.
Die Volkstheologie von Papst Franziskus könnte jedoch den europäischen Christen auch einen neuen Blick auf die westliche Kultur eröffnen, die in den letzten Jahrzehnten oft nur mehr im verengten Blick eines atheistischen Relativismus wahrgenommen worden ist. Die positive Resonanz, die Papst Franziskus auch in den westlichen Gesellschaften erfahren hat, zeigt, dass das sogenannte säkulare Europa noch immer ein sicheres Gespür für ein authentisches Christentum hat.
Nach dem Konzil gab es in Europa zahlreiche Aufbrüche, die vor allem von Laien getragen worden sind. So haben gerade in Österreich und Deutschland noch nie so viele Laien Theologie studiert wie in den letzten Jahrzehnten, ein Schatz, der durch den verengten Blick auf die Zahl der Priesterstudenten kaum wahrgenommen worden ist.
Die europäische Theologie kann nicht zuletzt auf eine lange Tradition eines kritischen und differenzierten Umgangs mit der säkularen Moderne zurückblicken, ein Reichtum, der für die Klärung der weiterhin kontroversen Fragen (Pflichtzölibat der Priester, Erneuerung der christlichen Morallehren u.v.a.) von entscheidender Bedeutung sein wird.
Für diesen schwierigen Erneuerungsprozess hat Papst Franziskus zunächst einmal den Raum für freie Diskussionen geöffnet. Auf diese Weise stärkte Papst Franziskus, dem von manchen Kritikern mangelnde Intellektualität vorgeworfen wird, den sokratischen Geist der kritischen Prüfung, ein Geist, auf dem bekanntlich der ganze Stolz Europas liegt.
Bis 6. September schreiben Lehrende der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät im „Sonntag“ im Rahmen einer „Sommer-Akademie“ auf Seite 3 über das Pontifikat von Papst Franziskus und ihre Erwartungen an die Familien-Bischofssynode, die im Oktober in Rom stattfindet.
Zum Nachlesen:
Kommende Beiträge:
30. 8.: Ludger Schwienhorst-Schönberger (Altes Testament)
6. 9.: Regina Polak (Pastoraltheologie)
Katholisch Theologische Fakultät der Universität Wien
Die Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag"