Rabbiner David Rosen und Kurienkardinal Kurt Koch präsentierten das Dokument im vatikanischen Pressesaal.
Rabbiner David Rosen und Kurienkardinal Kurt Koch präsentierten das Dokument im vatikanischen Pressesaal.
Dokument zu 50 Jahre "Nostra aetate": Dialog zwischen Katholiken und Juden "nicht Kür, sondern Pflicht“.
Der Vatikan hat sich für eine Intensivierung des Dialogs und der Zusammenarbeit von Juden und Christen ausgesprochen. Beide Religionen seien unwiderruflich aufeinander angewiesen, das Gespräch zwischen ihnen sei in theologischer Hinsicht "nicht Kür, sondern Pflicht", heißt es in einem am Donnerstag, 10. Dezember 2015 veröffentlichten Text zum 50. Jahrestag von "Nostra aetate", dem Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen.
Eine institutionell verankerte Judenmission kenne die katholische Kirche nicht, schreibt die Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Auch wenn Katholiken im Dialog mit dem Judentum Zeugnis für ihren Glauben an Jesus Christus ablegten, enthielten sie sich jedoch jeder Bemühung, sie aktiv zu bekehren oder zu missionieren.
Juden und Katholiken müssten sich im Dialog besser kennenlernen und die Schätze ihres gemeinsamen geistlichen Erbes entdecken und heben, heißt es in dem Dokument weiter. Sie sollten gemeinsam für Gerechtigkeit, Frieden, die Bewahrung der Schöpfung und die Versöhnung der Welt eintreten. Zudem müssten sie alle rassistische Diskriminierung gegenüber Juden und jeden Antisemitismus bekämpfen. Schließlich sollten beide Seiten im karitativen Bereich zur Linderung menschlicher Not zusammenarbeiten, und damit für eine bessere Welt eintreten.
Das Dokument wendet sich gegen die Vorstellung, der Bund Gottes mit dem jüdischen Volk sei aufgekündigt worden und auf die Kirche übergegangen, die das Gottesvolk Israel ersetzt habe. Der Neue Bund sei für Christen nicht die Aufhebung, sondern vielmehr die Erfüllung der Verheißung des Alten Bundes.
Bei dem 17-seitigen Papier handelt es sich nach vatikanischen Angaben nicht um eine offizielle Aussage des kirchlichen Lehramtes, sondern um "Überlegungen" der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum.
Kirche und Judentum könnten "nicht als zwei parallele Heilswege" dargestellt werden, heißt es. Aus dem christlichen Bekenntnis, dass es nur einen Heilsweg geben könne, folge in keiner Weise, dass die Juden von Gottes Heil ausgeschlossen seien, weil sie nicht an Jesus Christus als den Messias Israels und den Sohn Gottes glaubten. Vielmehr hätten sie "Anteil an Gottes Heil". Wie dies jedoch "ohne explizites Christusbekenntnis möglich sein kann, ist und bleibt ein abgrundtiefes Geheimnis Gottes", so das Dokument.
ERKLÄRUNG
NOSTRA AETATE
ÜBER DAS VERHÄLTNIS DER KIRCHE ZU DEN NICHTCHRISTLICHEN RELIGIONEN
(Quelle: vatican.va/archive)
Die jüdische Religion
4. Bei ihrer Besinnung auf das Geheimnis der Kirche gedenkt die Heilige Synode des Bandes, wodurch das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist.
So anerkennt die Kirche Christi, daß nach dem Heilsgeheimnis Gottes die Anfänge ihres Glaubens und ihrer Erwählung sich schon bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden.
Sie bekennt, daß alle Christgläubigen als Söhne Abrahams dem Glauben nach (6) in der Berufung dieses Patriarchen eingeschlossen sind und daß in dem Auszug des erwählten Volkes aus dem Lande der Knechtschaft das Heil der Kirche geheimnisvoll vorgebildet ist. Deshalb kann die Kirche auch nicht vergessen, daß sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfing und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Heiden als wilde Schößlinge eingepfropft sind (7). Denn die Kirche glaubt, daß Christus, unser Friede, Juden und Heiden durch das Kreuz versöhnt und beide in sich vereinigt hat (8). Die Kirche hat auch stets die Worte des Apostels Paulus vor Augen, der von seinen Stammverwandten sagt, daß "ihnen die Annahme an Sohnes Statt und die Herrlichkeit, der Bund und das Gesetz, der Gottesdienst und die Verheißungen gehören wie auch die Väter und daß aus ihnen Christus dem Fleische nach stammt" (Röm 9,4-5), der Sohn der Jungfrau Maria.
Auch hält sie sich gegenwärtig, daß aus dem jüdischen Volk die Apostel stammen, die Grundfesten und Säulen der Kirche, sowie die meisten jener ersten Jünger, die das Evangelium Christi der Welt verkündet haben.
Wie die Schrift bezeugt, hat Jerusalem die Zeit seiner Heimsuchung nicht erkannt (9), und ein großer Teil der Juden hat das Evangelium nicht angenommen, ja nicht wenige haben sich seiner Ausbreitung widersetzt (10). Nichtsdestoweniger sind die Juden nach dem Zeugnis der Apostel immer noch von Gott geliebt um der Väter willen; sind doch seine Gnadengaben und seine Berufung unwiderruflich (11). Mit den Propheten und mit demselben Apostel erwartet die Kirche den Tag, der nur Gott bekannt ist, an dem alle Völker mit einer Stimme den Herrn anrufen und ihm "Schulter an Schulter dienen" (Soph 3,9) (12).
Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist.
Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben (13), kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen.
Gewiß ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, daß niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht.
Im Bewußtsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle VerfoIgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben. Auch hat ja Christus, wie die Kirche immer gelehrt hat und lehrt, in Freiheit, um der Sünden aller Menschen willen, sein Leiden und seinen Tod aus unendlicher Liebe auf sich genommen, damit alle das Heil erlangen. So ist es die Aufgabe der Predigt der Kirche, das Kreuz Christi als Zeichen der universalen Liebe Gottes und als Quelle aller Gnaden zu verkünden.