„Wir haben es in der Hand den Mädchen und Buben in Banya, Malko Tarnovo und Sofia die Chance auf ein Leben in Würde zu schenken.“
„Wir haben es in der Hand den Mädchen und Buben in Banya, Malko Tarnovo und Sofia die Chance auf ein Leben in Würde zu schenken.“
Bulgarien gilt als Armenhaus in der Europäischen Union. Die österreichische Caritas unterstützt Projekte für Kinder aus Romafamilien. Ein Bericht im "SONNTAG".
Nadia freut sich. Auch heute geht sie wieder in die Schule in Banya. „Ich mag es Gedichte zu lernen und vorzutragen“, sagt die 13-jährige brünette Schülerin, mit einem Lächeln im Gesicht.
Banya ist ein kleines Dorf in Mittelbulgarien. Früher war es im ganzen Land bekannt für seine Heilquellen und in der Zeit des Kommunismus ein beliebter Urlaubsort.
Heute leben in der Gemeinde mit 4.000 Einwohnern größtenteils Menschen der Bevölkerungsgruppe der Roma, die meisten auf zwei Hügeln, die nur schwer erreichbar sind.
Die Wege sind im Winter vereist. Schmilzt der Schnee, ist es matschig, kaum asphaltiert, große Wasserpfützen machen den Weg beschwerlich.
Besonders für Kinder wie Nadia. Sie lebt in einer der Siedlungen gemeinsam mit ihren Eltern, vier Schwestern und den Großeltern. Schulunterricht ist für Romakinder hier erst seit eineinhalb Jahrzehnten etwas Normales.
1998 wurde mit Hilfe der Caritas Steiermark „das alte Schulhaus saniert und eine kleine Kantine eröffnet“, schildert Brigitte Kroutill-Krenn, die seit Jahren die Projekte der Caritas in Bulgarien betreut.
„Es war anfangs nicht leicht, denn Bildung war für die Eltern der Kinder ein Zauberwort. Sie hatten Angst, dass ihre Kinder später weg gehen, wenn sie Bildung erfahren und sehen, man könnte ein besseres Leben führen.“
Daher galt es, viel Überzeugungsarbeit bei den Eltern zu leisten. Wesentlich war die Einführung einer kleinen warmen Mittagsmahlzeit. „Warmes Essen war nicht selbstverständlich für die Kinder“, weiß Kroutill-Krenn.
Die Eltern konnten damit überzeugt werden und zahlen auch einen kleinen Betrag für das Essen.
Mit Hilfe der Caritas Steiermark wurde in Banya auch ein Spielplatz errichtet mit Basketballkörben und Fußballtoren.
Viele Eltern arbeiten in den Sommermonaten im Ausland, in Griechenland oder Spanien als Erntehelfer. Auch die Eltern von Nadia. Sie zieht mit ihren Geschwistern mit, wenn sie im Ausland arbeiten. Im Herbst kommen die Kinder mit den Großeltern rechtzeitig zu Schulbeginn zurück, während die Eltern noch bis Ende November arbeiten.
Bulgarien gilt als das ärmste Land Europas. Der Generalsekretär der Caritas Bulgarien, Emanouil Patashev: „Ich höre das seit 20 Jahren, das bedeutet für uns Arbeit und Einsatz für die Menschen, besonders auch für die Bevölkerungsgruppe der Roma. Jedes zweite Kind bei uns ist arm.“
46 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze, die liegt bei 280 bulgarischen Lew, umgerechnet 143 Euro.
Die Roma müssten die Landessprache Bulgarisch soweit beherrschen, dass sie später Schul- und Berufsausbildungen erfolgreich abschließen und sich und ihre Familien eigenständig versorgen können, erläutert Caritas-Bulgarien Generalsekretär Patashev über die Ziele der Hilfsprogramme der Caritas Bulgarien. Damit soll auch der Armutsmigration vorgebeugt werden.
Rund 3.000 Menschen leben in der südbulgarischen Stadt Malko Tarnovo, nahe der türkischen Grenze. In vielen Familien wird hier oft nicht Bulgarisch, sondern Romanes oder Türkisch gesprochen. Viele Erwachsene können weder schreiben noch lesen.
Etwa 70 Prozent der Vier- bis Siebzehnjährigen kommen aus Roma-Familien. Anstatt regelmäßig die Schule zu besuchen, müssen viele Kinder ihre Eltern unterstützen und mithelfen, das Notwendigste für den Lebensunterhalt aufzubringen.
Das „Community Support Center“ der Caritas ist für 50 sozial benachteiligte und von Gewalt betroffene Kinder die einzige Anlaufstelle in der Umgebung. Wie in Banya wird auch im Caritas-Zentrum in Malko Tarnovo gelernt und gespielt.
„Wir führen einen Kampf gegen Verwahrlosung, Gewalt und Armut“, bringt Maria Dimieva die Zustände auf den Punkt. Sie leitet das Tageszentrum.
Diemieva und ihre Mitarbeiterinnen bemühen sich, auch die Eltern und weitere Familienangehörige in das Caritasprogramm zu integrieren.
Ein Hauptaspekt: gewaltfreie Erziehungsformen. „Viele Kinder haben sich schon positiv verändert“, berichtet die Caritas-Mitarbeiterin stolz. Und auch die Zahl der Schulabbrecher geht zurück.
Schauplatzwechsel in die bulgarische Hauptststadt Sofia. Der Stadtteil Fakulteta ist mit etwa 50.000 Bewohnern eine der größten Roma-Siedlungen Südosteuropas.
Der Großteil der dort lebenden Familien wohnt in desolaten Gebäuden ohne Fließwasser und Strom. Und es ist das gleiche Bild wie an anderen Orten in Bulgarien auch: Viele Kinder wachsen bei Großeltern oder Bekannten auf, weil die Eltern im Ausland arbeiten.
Yane Nikolov leitet das Projekt „I am studying and playing in Bulgarian“. 60 Romakinder erhalten hier spielerische Förderung beim Spracherwerb.
Eine davon ist die vierjährige Bojidarka. Ihre Mutter Anka schildert: „Ich habe noch drei Kinder, die sind in staatlichen Einrichtungen.“ Anka ist arbeitslos, ihr Mann Straßenkehrer.
Ein Team, bestehend aus Pädagogen und Früherziehern, fördert spielerisch den Spracherwerb der Kinder und leistet Hygiene-Erziehung. Psychologen helfen bei der Verarbeitung von Gewalterfahrungen und Traumata, für die Eltern werden Erziehungs-Trainings angeboten.
Auch der 12-jährige dunkelhaarige Traian kommt täglich ins Zentrum der Caritas in Sofia: „Ich lerne gerne Mathematik.“ Berufswunsch hat er einen anderen: „Ich will Fußballer werden, so einer wie Messi.“
Österreichs Caritaspräsident Michael Landau machte sich Ende Jänner ein Bild von der Not der Menschen, insbesondere der Kinder in Bulgarien: „Wir dürfen diese Kinder nicht vergessen“, appelliert er an die Solidarität der Österreicher.
Die bulgarische Caritas könnte ihre Projekte ohne Hilfe aus dem Ausland nicht betreiben. Bei aller Not würden die Projekte zeigen, dass Hilfe möglich sei.
Caritaspräsident Landau: „Wir haben es in der Hand den Mädchen und Buben in Banya, Malko Tarnovo und Sofia die Chance auf ein Leben in Würde zu schenken.“
Christoph Schweifer leitet die Auslandshilfe der österreichischen Caritas.
Die Caritas sammelt traditionell im Februar für benachteiligte Kinder in Osteuropa. Was steht dabei im Mittelpunkt?
Wir sehen in vielen Ländern Osteuropas, dass es langsame Fortschritte gibt, aber viel langsamer, als wir das alle erhofft haben.
Aber davon profitieren nicht alle. Es gibt viele Kinder, die nach wie vor nicht zur Schule gehen, die keine Ausbildung haben und unter erbärmlichen Umständen leben müssen.
Wir als Caritas verstehen es als unsere Aufgabe beizutragen und mitzuhelfen, damit diese Kinder eine Chance auf Zukunft haben.
Sie dürfen auch die Hilfe für geflüchtete Menschen nicht außer Acht lassen?
In der Caritas sind wir gewohnt, dass sich immer viele Herausforderungen gleichzeitig stellen. Die Caritas arbeitet in den Ländern, aus denen Flüchtlinge kommen, auch in Syrien und seinen Nachbarländern und jenen, wo Flüchtlinge durchreisen.
Das ist eine Herausforderung, die sich stellt, jenseits aller politischen Fragestellungen.
Wie schafft man Bewusstseinsbildung für die vielen benachteiligten Menschen auf Teilen der Erde?
Neben der einfachen Tatsache, dass es immer darum geht, wenn man Menschen sieht, die in Not leben, diesen beizustehen, geht es sicher darum, dass wir merken, dass die Welt zusammenwächst.
Wenn es Menschen schlecht geht in Osteuropa, in Syrien, hat das irgendwann einmal direkte Auswirkungen auf uns.
Erste Bank, IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, BIC GIBAATWWXXX,
Kennwort: Kinder in Not
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien