Dietmar Winkler ist Professor für Patristik und Kirchengeschichte an der Universität Salzburg.
Dietmar Winkler ist Professor für Patristik und Kirchengeschichte an der Universität Salzburg.
Ökumene-Experte über die Begegnung von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill.
Eine betont positive Bilanz des Treffens von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill I. hat der Salzburger Ostkirchen- und Ökumene-Experte Prof. Dietmar W. Winkler gezogen. Die persönliche Begegnung und die von beiden Kirchenoberhäuptern unterzeichnete Erklärung könnten ein wichtiger Schritt vorwärts in den orthodox-katholischen Beziehungen sein, so Winkler am Samstag, 13. Februar 2016 im "Kathpress"-Interview.
Er hob zum einen die betont herzliche Begegnung zwischen Papst und Patriarch hervor, die sich über Freundlichkeiten hinaus aber auch in einem bedeutsamen schriftlichen Dokument niedergeschlagen hätte, in dem durchgängig die notwendige Zusammenarbeit von Orthodoxer und Katholischer Kirche betont wird. Winkler sprach von einem "starken Papier" mit "hoher Relevanz".
Bedeutsam sei auch der Ort der Begegnung gewesen. Kuba zeige das Potenzial Lateinamerikas auf, mit dem die belastete Geschichte der alten europäischen Welt durchbrochen werden könnte, so Winkler: "Ausgerechnet von Kuba geht ein neues kirchliches Hoffnungszeichen aus. Wer hätte das gedacht."
Das gemeinsame Dokument von Papst und Patriarch habe über aktuelle Themen hinaus auch eine solide theologische Basis, wenn die gemeinsame Tradition des ersten Jahrtausends genannt wird. Papst Franziskus habe zudem bei der Begegnung sofort angesprochen, dass man die gemeinsame Taufe bekenne und dass beide als Bischöfe zusammenkamen. Dies sei durchaus eine gegenseitige Anerkennung der apostolischen Sukzession, so Winkler.
Mit dem Fokus auf dem Nahen Osten und der Situation der Christen vor Ort, dem Anschneiden zentraler weltweiter ethischer, sozialer und gesellschaftlicher Probleme liege ein ausgewogenes Dokument vor, das den Interessen und Anliegen beider Seiten gerecht werde, erläuterte Winkler. Sehr positiv habe er auch wahrgenommen, dass sich die beide Kirchenoberhäupter mit einem Appell direkt an die Jugendlichen in aller Welt richten, sich in Kirche und Gesellschaft im Geiste Jesu zu engagieren, sagte Winkler.
Besondere Bedeutung maß Winkler der Erklärung insofern zu, dass damit nun auch das Oberhaupt der Russischen Orthodoxie erstmals das Existenzrecht der mit Rom unierten katholischen Ostkirchen schriftlich bestätigt. Zwar werde die historische Form des Unitarismus richtigerweise nach wie vor verurteilt, und man wende sich gegen jede Form von Proselytismus, dafür werde aber die Realität der katholischen Ostkirchen akzeptiert und diesen auch ein eigenständiges seelsorgliches Wirken für ihre Gläubigen zugestanden. Diese Anerkennung sei innerhalb der orthodoxen Kirche keine Selbstverständlichkeit. Gerade auch in der russischen Orthodoxie gebe es von manch konservativer Seite starke Widerstände dagegen und die katholischen Ostkirchen würden mitunter immer noch als eine Art "abtrünniger Kirchen" gesehen. Umso mutiger sei deshalb auch der konkrete Schritt Patriarch Kyrills, befand Winkler. Sein Resümee: "Ein starkes Papier. Diese Erklärung hat theologische und praktische Relevanz."
Besonderes Lob zollte der Salzburger Kirchenhistoriker dem Dominikanerpater Hyacinthe Destivelle, der im Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen für den Dialog mit den slawischen orthodoxen Kirchen zuständig ist. Er sei auf katholischer Seite maßgeblich am Zustandekommen des Textes beteiligt gewesen.
Winkler relativierte gegenüber "Kathpress" allerdings auch, dass es sich bei dem Treffen zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill um das erste Treffen zwischen den Oberhäuptern beider Kirchen seit der Trennung 1054 gehandelt habe, wie Medien vielfach berichteten. Das Patriarchat von Moskau als eigenständige orthodoxe Kirche bestehe erst seit dem späten 16. Jahrhundert. Zuvor, seit der Taufe der Kiever Rus (988), unterstand die Kirche mit ihrem Metropoliten von Kiew (und später von Moskau und ganz Russland) jahrhundertelang dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel. Beim Konzil von Ferrara-Florenz (1438/39) kamen Papst und Metropolit von Russland bereits zusammen.
Eigentlich habe die Russisch-orthodoxe Kirche mit dem Treffen in Kuba nun nachvollzogen, was das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel seit gut 50 Jahren pflege: den offenen und freundschaftlichen Dialog mit der Katholischen Kirche. Winkler erinnerte an die historische Begegnung von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras 1964 in Jerusalem. Das Moskauer Patriarchat scheine nun auch auf einen positiven Kurs einzuschwenken. Das sei auch für die innerorthodoxen Beziehungen bedeutsam, so Winkler im Hinblick auf das in wenigen Monaten auf Kreta geplante Panorthodoxe Konzil.
Schon bei der Begrüßung sagte Patriarch Kyrill zu Papst Franziskus, dass das Treffen wohl schon früher stattfinden hätte können, dies aber durch die Umstände verhindert wurde. Die Aussage des Patriarchen, dass nun "die Dinge leichter seien", lasse berechtigterweise auf einen neuen Aufbruch in den orthodox-katholischen Beziehungen hoffen.