Österreich-Verantwortliche der internationalen Entwicklungsgenossenschaft: Mikrokredite wichtig, damit Menschen in Armutsregionen eine wirtschaftliche und soziale Perspektive bekommen.
Geldanlagen in Mikrokredit-Genossenschaften geben Menschen in den Armutsregionen der Welt eine Starthilfe für ein besseres Leben und schwächen damit indirekt auch Migrationsbewegungen ab. Das haben die Verantwortlichen der Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit Austria am Donnerstag, 28. April 2016 bei ihrer Jahresbilanzpressekonferenz in Wien betont.
Fehlende Lebensperspektiven legten den Keim für Flucht und Migration, sagte Vorstandsvorsitzender Friedhelm Boschert. Mit Mikrokrediten allein stoppe man zwar nicht die Flüchtlingsströme. "Wir leisten aber einen wichtigen Beitrag, dass Menschen vor Ort eine wirtschaftliche und damit auch soziale Perspektive bekommen", so Boschert.
Mit Blick auf das vergangenen Geschäftsjahr berichtet der Oikocredit-Austria-Vorstand am Donnerstag von zwei "Meilensteinen": So verwalte die internationale Genossenschaft seit 2015 erstmals mehr als eine Milliarde Euro an Vermögenswerten. Oikocredit international gehöre damit zu den größten "sozialen Investoren" weltweit. In Österreich, wo die Entwicklungsgenossenschaft seit 25 Jahren aktiv ist, habe man zudem jüngst den 5.000 Anleger begrüßt, berichtete Boschert. Rund 88 Millionen Euro haben heimische heimischen Anleger derzeit bei Oikocredit veranlagt.
Insgesamt hat die auf Initiative des Weltkirchenrats Mitte der 1970er-Jahre gegründete Entwicklungsgenossenschaft aktuell weltweit rund 50.000 Anleger. Deren Investitionen werden im Sinne einer Anschubfinanzierung für Kleinstkredite und Kapitalbeteiligungen für derzeit 809 Partnerorganisationen in 69 Ländern verwendet. Von den Aktivitäten profitieren laut Schätzungen von Oikocredit weltweit rund 40 Millionen Menschen - viele von ihnen indirekt, weil sich mit den entstehenden Betrieben nicht nur die wirtschaftliche und soziale Lage der eigentlichen Kreditnehmer, sondern auch ihres Umfelds verbessert. Frauen seien mit 80 Prozent die größte Gruppe der Kreditnehmer, schilderte Boschert: "Davon profitieren auch die Familien."
Um mehr als die Hälfte erhöht hat sich laut den Bilanzangaben 2015 der Kapitaleinsatz von Oikocredit in Afrika. Der Kontinent stehe zunehmend im Fokus von Oikocredit, so Vorstandsvorsitzender Boschert. "Wir wollen helfen, Menschen Arbeitsplätze, Einkommen und Zukunftsperspektiven zu sichern, damit sie in ihrer Heimat bleiben können", sagte er. "Den Menschen in Afrika oder Asien geht es nicht darum, Geldströme aufzufangen, sondern darum, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Aber die Fähigkeiten kann man nur einsetzen, wenn man die Möglichkeit dazu hat", ergänzte der stellvertretende Oikocredit-Vorsitzende Günter Lenhart: "Wir reden von Leuten, die ein kleines Stück Land haben und ein Dach über dem Kopf, aber ihre Fähigkeit nicht nutzen können, weil ihnen die Mittel für einen Betrieb und Beratung fehlen." Das Geld der Oikocredit-Anleger biete diese Möglichkeit.
Im Kern gehe es der Entwicklungsgenossenschaft um eine finanzielle Partnerschaft mit Kleinstkeditnehmern. "Wir wollen den Menschen nicht nur Geld in die Hand geben, sondern auch Beratung", hob Lenhart hervor. Mit technischer Hilfe und Know-How über ein Vor Ort tätiges Beraternetz wolle Oikocredit mit seien Partnerorganisationen den Menschen helfen, effektiv mit ihrem Geld umzugehen. So werde vermieden, dass die Geldmittel zu einer Schuldenfalle werden.
In Österreich will Oikocredit in den kommenden Jahren mindestens 3.000 neue Mitglieder gewinnen. Gesucht sind dabei nicht einfach "nur Investoren, sondern Mitglieder, die bereit sind, mit ihrem Kapital zur Armutsbekämpfung in der Welt beizutragen", sagte Vorstandsvorsitzender Boschert. Die Chance mit der Geldanlage in Entwicklungsgenossenschaften etwas zu bewirken sei dabei größer als so mancher denke, betonte Lenhart. "Wir können so viel an Terrorismus, Flucht und Elend vermeiden, wenn wir nur ein bisschen unserer Mittel ein wenig vernünftiger und bewusster anlegen", sagte er. Jeder könne durch sein persönliches Kaufverhalten oder die Art der Veranlagung selbst kleinster Geldbeträge zu einer Änderung von Wirtschaft und Politik beitragen.
Die Hauptgeschäftsstelle der internationalen Genossenschaft Oikocredit, die nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, liegt im niederländischen Amersfoort. Wie in Österreich gibt es in vielen Ländern Förderkreise, über die Genossenschaftsanteile erworben werden können. Geldanlager erhalten jährlich eine maximale Dividende von zwei Prozent.
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