Stefan Maier ist Nahost-Koordinator der Caritas.
Stefan Maier ist Nahost-Koordinator der Caritas.
Nahost-Referent der Caritas, Maier: Schon 11 Prozent der syrischen Bevölkerung im Krieg getötet oder verwundet.
Der Krieg in Syrien hat bisher mindestens 470.000 Todesopfer gefordert. 400.000 Personen starben unmittelbar durch Kampfhandlungen, 70.000 starben, weil es keine ausreichende medizinische Versorgung mehr im Land gibt. Auf diese Fakten hat der Nahost-Experte Stefan Maier von der Caritas-Salzburg aufmerksam gemacht. Er referierte am Montag, 19. September 2016 in Salzburg im Rahmen der Jahrestagung der Initiative Christlicher Orient (ICO). 11,5 Prozent der syrischen Bevölkerung wurde bereits getötet oder verletzt, so Maier. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Syrer sei von 2010 auf 2015 von 70,5 auf 55,4 Jahren gesunken.
Während in Österreich derzeit eine Notverordnung wegen befürchteter 37.500 neuer Flüchtlinge 2016 vorbereitet wird, seien die Dimensionen vor Ort in den syrischen Anrainerstaaten unvorstellbar dramatischer. Allein die Türkei habe 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die Türkei sei damit weltweit das Land mit den meisten aufgenommen Flüchtlingen. Im Libanon gibt es mehr als eine Million offiziell registrierte syrische Füchtlinge. Die Dunkelziffer wird von Experten und Behörden auf bis zu zwei Millionen geschätzt. Der Libanon ist damit mit einer eigenen Beölkerung von rund vier Millionen mit Abstand jenes Land, das weltweit die höchste Flüchtlingsbelastung.
Die Lage in Syrien sei so schlimm, dass 250.000 Menschen sogar im selbst vom Krieg gebeutelten Irak Zuflucht gesucht hätten. Auch Jordanien habe mit 657.000 Flüchtlingen eine ungeheure Belastung zu tragen. Das führe schon dazu, dass im Norden des Landes die Trinkwasserversorgung für die einheimische Bevölkerung rationiert werden muss, berichtete Maier.
Die Lebensbedingungen der syrischen Flüchtlinge wo auch immer seien katastrophal. Maier sprach von einer "verlorenen Generation", die in Syrien wie auch in den Nachbarländern heranwächst - Millionen Kinder ohne ausreichende Bildungsmöglichkeiten. Die Caritas bemühe sich daher in ihren Hilfsprogrammen inzwischen vor allem, Flüchtlingskindern den Schulbesuch zu ermöglichen, so Maier
Eröffnet wurde die Tagung vom Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer. Er erinnerte in seinen Grußworten u.a. an die große Hilfsbereitschaft der Österreicher im vergangenen Jahr gegenüber den ankommenden Flüchtlingen. Er rief dazu auf, in der Hilfe nicht nachzulassen, nicht in Österreich und auch nicht vor Ort in der Krisenregion im Nahen Osten. Scheuer erinnerte u.a. an die vielen Solidaritätsappelle des irakischen Patriarchen Louis Sako. Demnach könnten die Christen nur dann in ihrer Heimat eine Zukunft haben, wenn ihnen vom Westen massiv geholfen wird.
Genauso wichtig wie Hilfe vor Ort sei auch eine ordentliche wahrheitsgemäße Information, so Bischof Scheuer weiter. Schließlich sei jeder Krieg inzwischen auch ein Propagandakrieg mit falschen Informationen, Halbwahrheiten oder dem Verschweigen gewisser Informationen. Umso notwendiger seien Organisationen wie die ICO, die über ihre Partner vor Ort in Syrien oder im Irak über die tatsächlichen Vorgänge im Bilde seien.
Schwerpunkt der diesjährigen ICO-Tagung im Bildungszentrum St. Virgil ist die Situation im Heiligen Land. Unter dem Titel "Israel-Palästina-Jordanien. Leben im Konflikt und im Miteinander" werden am Montagnachmittag und Dienstag Experten aus dem In- und Ausland den Konflikt beleuchten. Hauptreferent ist der Patriarchalvikar für Jordanien, Erzbischof Maroun Lahham, weiters halten u.a. der Generaldirektor der Caritas Jerusalem, P. Raed Abusahlia, und "Pro Oriente"-Konsultor P. Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei in Jerusalem Vorträge.
ICO-Obmann Slawomir Dadas ging in seinen Ausführungen u.a. scharf mit dem Waffenhandel ins Gericht. Wenn die USA kürzlich Israel Militärhilfe in der Höhe von 38 Milliarden Dollar zugesprochen haben, dann könnte wohl mit nur einem Bruchteil dieses Betrags wesentlich mehr zum Frieden in der Region beigetragen werden. Etwa durch mehr Bildungsmöglichkeiten für Flüchtingskinder, die Unterstütung von Kindergärten, Waisenhäusern oder Unterkünfte für Obdachlose.
Die ICO bemühe sich in zahlreichen kleinen Projekten um Hilfe vor Ort in Syrien und im Irak. Vor allem wolle man der kleinen christlichen Minderheit Mut machen, um in ihrer Heimat bleiben zu können. "Wir dürfen unsere Augen vor der Not dieser Menschen nicht verschließen", so der Appell des ICO-Obmanns. Deshalb habe es sich die ICO auf zur Aufgabe gemacht, neben der konkreten Hilfe vor Ort in Österreich zu informieren.