Appel: Die Staaten müssten zunehmend Verantwortung für eine solidarische Welt übernehmen.
Appel: Die Staaten müssten zunehmend Verantwortung für eine solidarische Welt übernehmen.
Der (Sozial-)Staat und die Barmherzigkeit: Univ.-Prof. Kurt Appel (demnächst bei den „Theologischen Kursen“) im Gespräch.
Wie haben Sie im „Jahr der Barmherzigkeit“ Barmherzigkeit erfahren?
Appel: Im Gebet, aber auch in der Begegnung lieber und liebender Menschen.
Wie kommt es, dass „Barmherzigkeit“ auch in der theologischen Grundlagenforschung einen so großen Stellenwert bekommen hat?
Appel: Die Barmherzigkeit Gottes ist im Zentrum des Gottesnamens; mit der Barmherzigkeit Gottes geht dessen Zärtlichkeit einher, für die wir in der Theologie eine ganz neue Sprache finden müssen. „Gott geht unter die Haut“, weil er uns in unendlicher Zärtlichkeit berührt...
Hat der Staat das christliche Erbe der Barmherzigkeit angetreten?
Appel: Der Sozialstaat ist eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit; wie die Barmherzigkeit einen Blick für die Verletzbarkeit des Lebens hat, so weiß auch der Sozialstaat darum, wie fragil der Mensch ist; er kann dem Menschen zwar keine emotionale Zärtlichkeit geben, wohl aber physischen und sozialen Schutz.
Ist der moderne Sozialstaat heute noch Hüter dieses Erbes?
Appel: Darum ist täglich in der Politik und der Gesellschaft zu ringen.
Wo und wie kann der Staat barmherzig sein?
Appel: Die Aufgabe des Staates liegt in institutionalisierter Sicherheit und Garantie menschenwürdigen Lebens. Dahinter steckt eine Sicht, die um die Kostbarkeit des Lebens weiß, gerade auch desjenigen, welches am Rande ist und nicht den Kriterien der Nützlichkeit gehorcht.
Warum kann der Staat nicht wie der barmherzige Samariter sein?
Appel: Der Staat kann nicht persönliche Zuwendung und Verantwortung ersetzen, er baut darauf auf.
Eine große Aufgabe der Kirche besteht in der „Herzensbildung“, sodass ein den Sozialstaat tragendes humanistisches und auch spirituelles Ethos weiterentwickelt wird.
Kann er sich vom Einzelschicksal leiten lassen oder steht das Gemeinwohl im Vordergrund?
Appel: Zunächst hat der Staat dafür zu sorgen, dass jedes (auch nicht menschliches!) Leben entsprechend respektiert wird, desweiteren geht es um eine Basisversorgung (Gesundheit, Wohnraum, Bildung, Nahrung) aller Staatsbürger (bzw. dauerhaft wohnhafter Bewohner), auch derjenigen, die selbständig nicht dazu in der Lage dazu sind.
Wie lassen sich trotzdem etwa Handlungsanweisungen im gegenwärtigen Konflikt von Migration und Integration ableiten?
Appel: Es geht darum, die staatlichen Funktionen dauerhaft aufrecht zu erhalten und den Staatspflichten gegenüber dem Staatsbürger nachzukommen, was Grenzen voraussetzt.
Daneben ist es natürlich ethisch und politisch notwendig, dass die Staaten zunehmend gemeinsam Verantwortung für die Herausbildung einer solidarischen Weltgesellschaft übernehmen.
zur Person
Univ.-Prof. DDr. Kurt Appel
Theologische Grundlagenforschung, Institut für Systematsche Theologie und Ethik, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien.
Der Sammelband „Barmherzigkeit und zärtliche Liebe. Das theologische Programm von Papst Franziskus“, herausgegeben von Kurt Appel und Jakob Helmut Deibl (Herder-Verlag) bietet eine bemerkenswerte Analyse des päpstlichen Schreibens „Evangelii gaudium“ angesichts aktueller, globaler Herausforderungen.
HRSG: Kurt Appel; Jakob Helmut Deibl
Das theologische Programm von Papst Franziskus
2016, Verlag Herder
Auflage: 1. Auflage
Vorwort von Christoph Schönborn
Hardcover
432 Seiten
ISBN: 978-3-451-34965-2
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
„Umbrüche & Aufbrüche“: das Semesterthema der „Theologischen Kurse“.
Ort: Stephansplatz 3, Wien 1.
Anmeldung, Information: 01/ 51552-3708 oder www. theologischekurse.at
7. 10. 2016, 18-21 Uhr: „Kirche am Rand? – Kirche an den Rändern“,
mit Univ.-Prof. DDr. Kurt Appel, Mag. Sybille Hamann, Assoc. Prof. Dr. Regina Polak und Dr. Rainald Tippow.
14. 10. 2016, 15.30-18 Uhr: „Ein Aufstand gegen Papst und Kirche? Die Reformation Martin Luthers – Wurzeln und Folgen“,
mit Bischof Dr. Michael Bünker, Evangelische Kirche AB.
19.10. 2016, 18.30 bis 20 Uhr: „Amoris laetitia – Freude der Liebe. Eine päpstliche Weichenstellung“,
mit Kardinal Dr. Christoph Schönborn. Ort: Festsaal des Eb. Palais, Wollzeile 2, Wien 1.
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