Die katholische Tradition hat immer eine länderübergreifende und völkerverbindende Dimension. - Hier das Treffen von Jugendlichen aus aller Welt mit Papst Franziskus in Krakau im Sommer 2016.
Die katholische Tradition hat immer eine länderübergreifende und völkerverbindende Dimension. - Hier das Treffen von Jugendlichen aus aller Welt mit Papst Franziskus in Krakau im Sommer 2016.
Theologin Regina Polak macht sich Sorgen um die heimische Politik: „Sobald Hierarchien eingeführt werden, die Menschen in ‚weniger und mehr wert‘ einteilen, ist dies nicht mehr christlich.“
Die Wahlkämpfe für das Amt des Präsidenten in den USA und Österreich in diesem Jahr zeigen Gemeinsamkeiten auf. Es treten Kandidaten zur Wahl an, die Gott gleichsam als Schild vor sich hertragen. Wenn man es von der biblischen Seite betrachtet, sei es ein Irrweg, sich als Politiker zu berufen, im Namen Gottes zu handeln, sagt Regina Polak, Theologieprofessorin an der Universität Wien, im Gespräch mit dem SONNTAG.
Dabei verweist sie auf den roten Faden, der sich durch die biblischen Texte zieht: „Die Erfahrung des Volkes Israel und später dann auch der Christen zeigt, dass Gott sich langfristig nicht für die Rechtfertigung der Machterhaltung der Mächtigen oder der Erlangung von Macht benützen lässt. Wenn Gott Position bezieht, stellt er sich in der Regel auf die Seite der Ohnmächtigen und Unsichtbaren.“
Im Laufe der Vorbereitungen auf die Bundespräsidentschaftswahl sei ein „Kulturchristentum“ sichtbar geworden, „ein Religionsverständnis, das aus der katholischen Perspektive mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil obsolet geworden ist: nämlich eine Form von Christentum, das sich vor allen Dingen national definiert.“
Die Pastoraltheologin Regina Polak erinnert an die römisch-katholische Tradition. Das Katholische zeichne sich dadurch aus, dass es transnational und völkerverbindend denke. Zum Selbstverständnis gehöre dabei, zwischen den verschiedenen Völkern und auch zwischen den verschiedenen Religionen als Brückenbauer zu dienen. „Gott mit einer bestimmten Nationalität, einem bestimmten Land, einer bestimmten Form der Religionsausübung in enge Verbindung zu bringen – das ist eigentlich nicht katholisch.
Gleichwohl gibt es nach wie vor in der Bevölkerung Personen, die diese Veränderungen noch nicht ganz wahrgenommen haben.“
Wie soll politisches Handeln von Christen aussehen? Theologin Polak gibt eine rasche Antwort: „Glaube ohne Ethik ist aus christlichen Perspektive Götzendienst, das ist überhaupt kein Glaube.
Wenn wir uns die biblische und kirchliche Tradition anschauen, sind ethisches Handeln und der Glaube zwar zu unterscheidende Phänomene, weil Glaube eine Beziehung zu Gott ist. Aber diese gibt es überhaupt gar nicht ohne ethische Dimension. Das heißt jetzt nicht, dass man durch ethisches Handeln vollkommen erlöst wird. Ich kann für alle möglichen Praxisformen Gott herbeireden, aber die entscheidende Frage ist, welche Rolle doch das Ethos, das wir in der Heiligen Schrift finden, in unserem Leben spielt.“
Was das für den politischen Alltag heißt, ist nicht ganz so einfach zu beantworten: „Natürlich stehen in der Bibel und der kirchlichen Tradition keine Patentrezepte und Anleitungen, die man nur zu nehmen braucht und dann in der Gegenwart quasi eins zu eins umsetzt.“
Die Sache sei viel komplizierter, so Polak. „Innerhalb der Bibel lassen sich unterschiedliche Vorstellungen finden, was politisches Handeln im konkreten Fall bedeutet.
Es stellen sich zwei Probleme. Erstens: Wie interpretiere ich die Texte? Zweitens: Kenne ich die Gegenwart gut genug, um den biblischen Befund und den Gegenwartsbefund miteinander in Verbindung zu bringen?“
Christen müssen laut Polak in den politischen Fragen nicht zu den selben Urteilen kommen und können dies oft gar nicht. Aber einige Eckpfeiler zeichnen christliches politisches Handeln aus, um die immer wieder, in jeder konkreten Situation neu gerungen werden muss. „Das ist die Frage nach der sehenden und nicht blinden Gerechtigkeit, die sich an der Lebensqualität der Menschen am Rande der Gesellschaft orientiert.
Die Frage nach dem Gemeinwohl, dem Wohl jeder einzelnen Person, aber auch dem Wohl des gesamten Zusammenlebens. Und die Frage nach der Versöhnung unter Bewahrung und Förderung des Friedens. Ein zentrales Thema ist immer: die Würde des Menschen.“
Für Regina Polak gibt es in der Politik, ob links oder rechts, klare Grenzen. Sie spricht es klar aus: „Rassismus ist keine politische Option für Christen.“
Unter Rassismus versteht sie jede Art eines politischen Ordnungssystems, das darauf aufbaut, dass es innerhalb der Menschen eine Hierarchisierung gibt, egal ob nach Geschlecht, Behinderung, Beitrag zum Wirtschaftswachstum, Zugehörigkeit zu einer Kultur, Ethnie oder Religion.
„Sobald Hierarchien eingeführt werden, die Menschen in ‚weniger und mehr wert‘ einteilen, kann man ganz sicher sein, dass dies nicht christlich ist.“
Warum Politiker, die sich selbst als christlich bezeichnen, Politik auf dem Rücken von Mindestsicherungsbeziehern, Arbeitslosen, Flüchtlingen, Obdachlosen und Bettlern machen, ist für Regina Polak nicht nachvollziehbar: „Einen Kampf nicht gegen die Armut, sondern gegen die Armen zu führen, finde ich in einem Land, das seine Christlichkeit momentan wieder sehr stark vor sich her trägt, wirklich beschämend und empörend: Das Mindestsicherungsbudget macht 0,87 Prozent des Gesamtbudgets aus.
Es ist offenkundig, dass hier politische Interessen markiert werden: Wir sind stark und setzen uns nun durch.“ Die Theologieprofessorin versucht es so zu erklären: „Es bleibt zu wenig Zeit, um sich in religiösen Fragen weiterzubilden.
Bestimmte Entwicklungen, die im Bereich von Theologie und religiöser Bildung stattgefunden haben, haben noch nicht alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst und möglicherweise auch nicht manche unserer politischen Funktionäre.“
Regina Polak: „Gott stellt sich auf die Seite der Ohnmächtigen.“
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