Mathematiker und Evolutionsbiologe Martin Nowak: "Jede wissenschaftliche Methode ist auch auf einem Glauben aufgebaut."
Mathematiker und Evolutionsbiologe Martin Nowak: "Jede wissenschaftliche Methode ist auch auf einem Glauben aufgebaut."
Viele Naturwissenschaftler distanzieren sich vom Glauben. Nicht so
Harvard-Professor für Evolutionsbiologie und Mathematik Martin
Nowak. Er ist einer der weltweit führenden Forscher auf diesem Gebiet.
Wir treffen Martin Nowak in seinem Geburtsort Klosterneuburg bei Wien. Genauer gesagt im österreichischen "Institute of Science and Technology". Ein Ort für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, hier wirkt Nowak ebenso als Berater. Auf den Gängen laufen einem dort Neurowissenschaftler, Physiker und Robotiker über dem Weg. Doch bei uns geht es heute um seinen persönlichen Glauben.
Wie passen Naturwissenschaft und Glaube zusammen, wollen wir von ihm wissen?
"Ich sehe keinen Wettbewerb zwischen Naturwissenschaft und dem christlichen Glauben. Der christliche Glaube, der sich über die Jahrtausende entwickelt hat, besteht sehr auf einer Verknüpfung, einer Offenbarung, gemeinsam mit der rational vernünftigen Erfahrung der Welt. Das, was wir jetzt Wissenschaft nennen, kommt zudem aus dem Christentum heraus. Die katholische Kirche war sehr einflussreich, die wissenschaftliche Methode mitzuprägen."
Wie viel Glaube steckt in der Wissenschaft?
Martin Nowak: Jede wissenschaftliche Methode ist auch auf einem Glauben aufgebaut. Man glaubt, indem man eine Hypothese formuliert. Diese beruht auf einer Intuition. In der Mathematik glaubt man beispielsweise oft an Ideen, die man nie beweisen wird können, geschweige denn sehen. Ein religiöser Mensch kann sich zumindest vorstellen, Gott irgendwann gegenüber zu stehen.
Viele andere bekannte Kollegen in der Biologie können aber nichts mit dem Glauben anfangen. Woher kommt das?
Martin Nowak: Dass Wissenschaftler nicht religiös sein dürfen, hatte eine längere Tradition. Für mich ist das soziologisch begründet und nicht wissenschaftlich rational. Jeder Wissenschaftler müsste mir hierbei zustimmen, dass Wissenschaft, korrekt interpretiert, überhaupt kein Argument gegen einen christlichen Gott liefert. Ich sehe hier ein falsches Gottesbild. Man will Gott als ein Objekt in unserem Universum beschreiben, das man mit wissenschaftlichen Methoden messen und untersuchen möchte. Die Wissenschaft wird dabei tendenziell fast zu einer Religion erhoben. Für mich eine Bestätigung: Der Mensch braucht Religion und wenn er die traditionelle ablehnt, versucht er es mit einer neugegründeten Religion auf Basis der Wissenschaft – eine Religion des wissenschaftlichen Atheismus.
Und gibt es einen wissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes?
Martin Nowak: Der Heilige Thomas von Aquin war überzeugt, dass Gott existiert. Diese Existenz sei seiner Meinung nach nicht unzweifelhaft, aber fast. Dabei spricht er von fünf Methoden, um darüber nachzudenken. Diese sind jetzt keine Beweise, wie man sie aus der Mathematik kennt, aber Reflexionen. Diese Überlegungen brachten mich zu dem Schluss, dass die Anwesenheit Gottes etwas sehr Vernünftiges ist.
Anmerkung der Redaktion: Die Fünf Wege des Thomas von Aquin, auch bekannt als der sogenannte "Gottesbeweis" des mittelalterlichen Theologen, besteht – ganz grob gesagt – darin, alles, was ist, auf einen letzten Urgrund zurückzuführen. Und dieser ist Gott.
Der Urvater der modernen Evolutionsbiologie, Charles Darwin, hat die Schöpfungsgeschichte für Millionen Menschen im Jahr 1859 endgültig platzen lassen. Darwin und die Schöpfungsgeschichte, ein Widerspruch?
Martin Nowak: Ich sehe keinen Widerspruch. Es gibt auch dazu ein Schreiben von Papst Johannes Paul II., der die Evolutionstheorie anerkannt hat. Aber für mich ist auch klar, ohne Gott keine Evolution.
Darwins bekanntester Ausspruch "survival of the fittest" wurde übersetzt mit "der Stärkste überlebt". Was meinen Sie dazu?
Martin Nowak: Nach jahrzehntelanger Arbeit auf diesem Gebiet kann ich sagen, dass es nicht nur den Wettkampf gibt, sondern auch das Miteinander in allen Ebenen der Biologie. Somit ist die Kooperation ein ganz wesentlicher Bestandteil der Evolution. Beispielsweise bei der Entstehung des Lebens, bei den ersten Zellen, Vielzellern, oder der menschlichen Sprache. Kooperation ist für mich ein Architekt der Evolution.
Vielleicht hätte heute Charles Darwin seinen Spaß mit unseren Überlegungen. Denn er meinte: Wer am besten angepasst ist, überlebt. So könnte man auch sagen: Wer mit anderen und seiner Umwelt kooperiert, überlebt am besten. Bereitet Ihnen das auch Sorgen im Hinblick auf die Menschheit?
Martin Nowak: Unser Planet wird sehr stark von uns, dem sogenannten intelligenten Leben, dominiert. Dies könnte das Leben auf der Erde sehr stark verändern und auch schaden. Deswegen ist es unklar, wie lange der Planet eine Nische zulässt, die das intelligente Leben möglich macht. Wenn wir weiterhin das Klima zerstören, wird es immer weniger Lebensraum für die Menschheit und auch für höhere Tierformen geben. Dies könnte wieder in einem Planeten der Bakterien enden.
Werden Glaube und Wissenschaft jemals miteinander kooperieren?
Martin Nowak: Die Menschen werden irgendwann erkennen, dass sowohl die Religion als auch die Wissenschaft sehr wichtige Bausteine sind für die Suche nach der Wahrheit. Es gibt keinen Grund für das eine, das andere auszuschließen. Das Beste ist eine schöne Zusammenarbeit. Eine Kooperation.
Unser Fazit: Es gibt sie also doch. Wissenschaftler, die Evolution und Religion unter einen Hut bringen. Und einer davon ist Harvard-Professor für Evolutionsbiologie und Mathematik, Martin Nowak.
Sie wollen erfahren, was Martin Nowak in der Evolutionsbiologie zum Staunen bringt? Dann hören Sie die Sendung von Georg Gatnar via Podcast von radio klassik Stephansdom nach: https://radioklassik.at/wissenschaft-vs-religion/