Salomon Perel ist heute 92-jähriger Zeitzeuge und tritt seit Jahren in Schulen als Mahner gegen die NS-Gräuel auf.
Salomon Perel ist heute 92-jähriger Zeitzeuge und tritt seit Jahren in Schulen als Mahner gegen die NS-Gräuel auf.
Die Lebensgeschichte von Salomon Perel ist außergewöhnlich: Als Jude überlebt er den Zweiten Weltkrieg in einer Schule der Hitlerjugend. Seine Eltern hat er mit 14 das letzte Mal gesehen.
Dass ich ein Hitlerjunge werde, hätte ich nie geglaubt“, sagt Salomon Perel im Gespräch in Wien.
Vor 92 Jahren am 21. April 1925 erblickte Sally Perel im niedersächsischen Peine das Licht der Welt. Die Familie Perel ist jüdischer Abstammung, der Vater führt ein Schuhgeschäft. Mutter Rebekka, Tochter Bertha und die Söhne, Isaak, David und Salomon haben ein unbeschwertes Leben.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ändert sich das. „Ich war der einzige jüdische Bub in meiner Schule und wurde hinausgeworfen“, schildert er. Die Familie verlässt Deutschland und zieht ins polnische Lodz, wo eine Schwester der Mutter lebt.
Als am 1. September 1939 Deutschland Polen überfällt und der Zweite Weltkrieg beginnt, beschließt die Familie, dass sein ältester Bruder Isaak und Sally nicht ins jüdische Ghetto der Stadt ziehen, sondern flüchten sollen. „Mein Vater sagte: ‚Vergiss nie, wer du bist’, meine Mutter: ‚Sally geh, du sollst leben!“ Es wird für den damals 14-Jährigen ein Abschied für immer.
Isaak und Sally machen sich auf den Weg nach Weißrussland. Sally wird aufgegriffen, kommt in ein Kinderheim bei Grodno, sein Bruder flüchtet weiter nach Wilna. Zwei Jahre verbringt Sally im Kinderheim. „Ich hatte durch Postkarten Kontakt mit meinen Eltern im Ghetto.“
Als Deutschland Russland Ende Juni 1941 angreift, müssen die Heimkinder flüchten. Vor Minsk werden sie mit anderen Flüchtlingen von deutschen Truppen festgenommen und zu einem Wald geführt. „Es waren Tausende. Ich hörte permanent Schüsse, denn Juden wurden im Wald sofort exekutiert, die Männer mussten ihre Hosen runterlassen. Wer beschnitten war, wurde gleich erschossen.“
Sally erinnert sich geistesgegenwärtig, was ihm die Mutter auf den Weg mitgegeben hat: „Du sollst leben!“ Er gräbt mit Schuhabsätzen ein Loch, wirft seine Papiere hinein. Als ein deutscher Soldat fragt, wie er heißt, sagt er: „Josef Perjel, ich bin Wolgadeutscher und habe keine Papiere!“ Da er perfekt Deutsch und Russisch spricht, glaubt man ihm. Das rettet ihm das Leben.
Sally bekommt eine deutsche Wehrmachtsuniform und wird Übersetzer. Die Kameraden nennen ihn „Jupp“. Er hat ständig Angst, dass doch entdeckt wird, dass er Jude ist. Schließlich kommt er an die Front: „Jeden Tag neue Verluste von Menschen und Begräbnisse.“
Sally überlebt und wird mit der Eisenbahn nach Braunschweig gebracht. In einer Schule der Nationalsozialisten erhält er die Ausbildung für die Hitlerjugend. „Besonders die Rassenkunde hat mich beeinflusst, sie haben mich so indoktriniert, dass ich ein überzeugter Hitlerjunge wurde.“
Sally lernt Leni kennen und lieben. Ihre Mutter stellt ihn aber eines Tages, als Leni nicht da ist, zur Rede: „Bist du wirklich Deutscher?“ Er gibt zu, ein Jude zu sein. Sie, eine Katholikin, verspricht nichts zu verraten.
Als Sally einige Tage freibekommt, fährt er nach Lodz, um seine Eltern im Ghetto zu suchen. Er kann mit der geschlossenen Straßenbahn durchfahren, sieht aber nur „eingefrorene Leichen herumliegen“. Beim Volkssturm erlebt Perel die letzten Kriegstage, kommt in Gefangenschaft: „Ich als Jude in Naziuniform in amerikanischer Gefangenschaft!“.
Bruder Isaak überlebt das Konzentrationslager Dachau. 1948 wandern sie nach Israel aus. Jahrzehnte später macht Salomon Perel seine Überlebensgeschichte öffentlich. Bis heute hält er Vorträge in Schulen und unterstreicht: „Ich möchte eine Stimme für die ermordeten jüdischen Kinder sein.“
„Dieses Doppelleben habe ich heute noch in mir“, schildert Salomon Perel (vorne rechts). In der Hitlerschule in Braunschweig wurde er gemeinsam mit anderen Jugendlichen mit der NS-Ideologie infiltriert. Die jungen Menschen wurden auch für den Zusammenbau von Vergeltungswaffen eingesetzt.
Sally Perels Überleben als jüdischer Hitlerjunge und sein Engagement gegen das Vergessen hören Sie am Samstag, 25. März, von 19 - 20 Uhr.
Das DaCapo am Mittwoch, 29. März, von 19 - 20 Uhr.
Nachhörbar auf www.radioklassik.at als podcast.
Fastenzeit - die Vorbereitungszeit auf Ostern
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at