Alle Szenarien prognostizieren einen mehr oder weniger starken Anstieg der Muslime sowie der Konfessionslosen - je nach Zuwanderung. Auch ein weiterer Rückgang des Katholikenanteils in Österreich ist laut allen Szenarien zu erwarten.
Alle Szenarien prognostizieren einen mehr oder weniger starken Anstieg der Muslime sowie der Konfessionslosen - je nach Zuwanderung. Auch ein weiterer Rückgang des Katholikenanteils in Österreich ist laut allen Szenarien zu erwarten.
Alle vier Modelle gehen von Anstieg der Muslime und Konfessionslosen sowie Rückgang der Katholiken aus. Seit Volkszählung 2001 sank Katholikenanteil von drei Viertel auf nunmehr 64 Prozent.
Vier mögliche Szenarien der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung in Österreich skizziert eine neue Studie im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF). Alle Modelle prognostizieren einen mehr oder weniger starken Anstieg der Muslime sowie der Konfessionslosen - je nach Zuwanderung. Auch ein weiterer Rückgang des Katholikenanteils in Österreich ist laut allen Szenarien zu erwarten.
Unter dem Titel "Demographie und Religion in Österreich" hat ein Team um Anne Goujon vom Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auch die gegenwärtige religiöse Zusammensetzung der österreichischen Bevölkerung analysiert. Zusammen mit Prognosen über die zukünftige Entwicklungen wurde die Studie am Freitag veröffentlicht.
Sollten in Zukunft vor allem Menschen aus dem europäischen Raum nach Österreich zuwandern, komme es laut Studie zu einem Anstieg der Konfessionslosen auf ein Viertel der Bevölkerung. Grund dafür seien die Säkularisierungstendenzen in den meisten europäischen Staaten. In diesem Szenario würde der Bevölkerungsanteil von Katholiken in Österreich 2046 bei 45 Prozent statt wie derzeit bei 64 Prozent liegen, jener der Muslime bei 14 Prozent statt derzeit 8.
Das zweite Szenario ("Diversität") berücksichtigt jüngste Entwicklungen der Migration, die nicht nur durch europäische Zuwanderung, sondern auch durch stärkere nicht-europäische Migration aus Ländern des Nahen Ostens geprägt ist. Ähnlich wie beim ersten Szenario geht man dabei von einem Rückgang der Zahl an Katholiken auf 45 Prozent sowie einem Anstieg der Zahl an Konfessionslosen auf 24 Prozent und Muslimen sogar auf 17 Prozent aus.
Sollte die Migration nach Österreich in Zukunft abnehmen und zum Stillstand kommen, wären künftige Entwicklungen hauptsächlich auf "religiöse Mobilität" sowie "Fertilität" zurückzuführen. Dieses Szenario geht davon aus, dass der Anteil der Konfessionslosen bis 2046 auf 28 Prozent ansteigen wird. Die Zahl der Katholiken sinkt auch in diesem Szenario auf unter die Hälfte, während Muslime dann einen Bevölkerungsanteil von 12 Prozent ausmachen.
Das letzte Szenario geht von einer starken Zuwanderung aus dem Nahen Osten und Afrika aus, die zu einem bedeutenden Anstieg des Anteils der Muslime in Österreich auf 21 Prozent 2046 führen würde. In Wien könnte gemäß dieser Annahme dann nahezu jeder Dritte (30 Prozent) Muslim sein. Der Islam würde damit in 30 Jahren die größte Religion in Wien darstellen.
Aus heutiger Sicht erscheinen den Studienautoren die Szenarien "Europäische Mobilität" und "Diversität", die auf demografischen und religiösen Trends der vergangenen zehn Jahren basieren, plausibler als die Szenarien der hohen oder geringen Zuwanderung.
Seit der letzten Volkszählung haben sich die religiösen Zugehörigkeiten in Österreich deutlich verändert: Bekannten sich vor 2001 noch drei Viertel aller Österreicher zum römisch-katholischen Glauben, sank ihr Anteil auf nunmehr zwei Drittel der Bevölkerung (5,16 Mio.). Die Katholiken sind damit aber weiterhin die mit Abstand größte Religionsgemeinschaft im Land. Den stärksten Zuwachs gab es in den vergangenen 15 Jahren bei der Bevölkerung ohne Religionszugehörigkeit: Waren es 2001 noch 12 Prozent, sind es im Jahr 2016 schon 17 Prozent.
Die Studie bestätigt auch den deutlichen Anstieg der Muslime in Österreich. Demnach gibt es derzeit rund 700.000 Menschen, die sich zum islamischen Glauben bekennen. Seit der letzten Volkszählung 2001 hat sich deren Anteil von vier auf acht Prozent verdoppelt.
Mehr als verdoppelt hat sich die Zahl der orthodoxen Christen: von zwei Prozent auf fünf Prozent, was 400.000 Personen entspricht. Der Anteil an Evangelischen blieb in den letzten Jahren konstant, genau sind es nach Informationen der Austria Presseagentur (APA) 302.000.
Unter "Sonstige" fallen in der Studie zwei Prozent der österreichischen Bevölkerung, was etwa 160.000 Personen entspricht. Darin enthalten sind auch die Juden, wovon es laut APA-Informationen aktuell rund 15.000 gibt.
Christentum in Europa – Auf dem Rückzug?
Die aktuelle Religionsstudie im Auftrag des Integrationsfonds belegt einen generellen gesellschaftlichen Trend hin zu mehr Pluralität und Mobilität bei gleichzeitig abnehmender Bindung an Institutionen.
Das führe im Blick auf Glaubensgemeinschaften zu einer "religiösen Verbuntung", erinnerte der Pressereferent der Österreichischen Bischofskonferenz, Paul Wuthe, an Diagnosen des Wiener Pastoraltheologen und Religionssoziologen Paul Zulehner. Diese "Verbuntung" gelte es als Chance zu nutzen: Denn auch "die bewusste und freie Entscheidung für den Glauben wird immer wichtiger und ist daher sehr positiv", betonte Wuthe.
Die katholische Kirche spüre die Auswirkungen des Trends zur weltanschaulichen Pluralisierung bereits seit Jahren. Die Kirchenaustritte, die in den letzten Jahren etwas zurückgingen (2016: 54.886), seien auch Ausdruck einer wachsenden Distanz gegenüber Institutionen, von der die Kirche genauso betroffen sei wie Parteien, die Gewerkschaft oder andere Großinstitutionen.
Dennoch bleiben laut Wuthe "viele, die aus der Kirche austreten, offen für den Glauben". Er verwies auf die zuletzt kontinuierlich gestiegene Anzahl jener Menschen, die wieder in die Kirche eintreten (2016: 5.265). Papst Franziskus bestärke die Kirche in Österreich in ihrem Bemühen, "ein einladender Ort für alle Menschen zu sein, wo sie Sinn und Halt für ihr Leben durch einen lebendigen Glauben erfahren", erklärte der katholische Kommunikationsverantwortliche.
Dass Pluralität und Mobilität die Kirche in Österreich nicht schwächen, sondern auch bereichern und wachsen lassen, zeige zudem die wachsende Zahl von Katholiken mit Migrationshintergrund: Rund 500.000 Katholiken, von denen rund zwei Drittel aus europäischen Ländern stammen, feiern und leben ihren Glauben hierzulande in rund 30 Sprachen, so Wuthe.
Wenn laut einer IMAS-Umfrage vom Oktober 2016 76 Prozent der Österreicher wollen, dass Österreich ein christliches Land bleiben soll, komme hier jedem und jeder Gläubigen Verantwortung zu, betonte Wuthe: "Es liegt es nicht nur an der Kirche als Institution, sondern an allen, sich dafür im persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben einzusetzen." Für die Kirche insgesamt heiße das: "Religiöse Verbuntung" und ein Mehr an Freiheit bieten auch viele Chancen, die es kreativ zu nützen gilt.