Das Interviewbuch des französischen Soziologen Dominique Wolton mit Papst Franziskkus erscheint am Mittwoch, 6. September 2017.
Das Interviewbuch des französischen Soziologen Dominique Wolton mit Papst Franziskkus erscheint am Mittwoch, 6. September 2017.
Kritik an Waffenhandel mit Afrika und dessen Ausbeutung, Bestätigung der Ehe als Bund zwischen Mann und Frau.
Papst Franziskus hat in früheren Jahren eine jüdische Psychoanalytikerin konsultiert. "Sechs Monate lang bin ich einmal in der Woche zu ihr gegangen, um Licht in bestimmte Sachen zu bringen", zitiert das französische "Figaro Magazin" aus einem Interviewbuch des französischen Soziologen Dominique Wolton, das am Mittwoch, 6. September 2017 erscheint. Das Magazin und das römische Portal "Vatican Insider" veröffentlichten vorab einige Auszüge aus den Gesprächen mit dem Papst.
Er sei damals 42 Jahre alt gewesen, so Franziskus. Jorge Mario Bergoglio war damals Provinzial der Jesuiten für Argentinien. Wegen welcher Probleme er beschlossen hatte, die Psychoanalytikerin aufzusuchen, enthüllte der Papst nicht. Es habe sich um einen Moment in seinem Leben gehandelt, in dem er diese Hilfe benötigt habe. Die Psychoanalytikerin habe ihm in dieser Zeit "sehr geholfen", sie sei eine "sehr gute" Person gewesen. Bevor sie starb, habe sie ihn angerufen und um einen "spirituellen Dialog" gebeten.
Das Interviewbuch "Politique et societe, Pape Francois, rencontres avec Dominique Wolton" (Politik und Gesellschaft, Papst Franziskus, Begegnungen mit Dominique Wolton) erscheint am kommenden Mittwoch. Für das Buch hatte sich Wolton zwölfmal mit dem Papst getroffen und ihn zu seiner Vergangenheit sowie zu aktuellen Themen wie der Flüchtlingskrise, dem Islam und der Ehe befragt. Wolton hatte sich durch ein auch auf Deutsch erschienenes Interviewbuch mit dem verstorbenen französischen Kardinal Jean Marie Lustiger (1926-2007) ein Renommee erworben.
Europa machte der Papst im Interviewbuch für die Ursachen von Migration mitverantwortlich. Viele Migranten kämen nach Europa, weil sie keine Arbeit hätten oder aufgrund von Krieg. "Wer macht den Krieg? Wer stellt die Waffen zur Verfügung? Wir", zitiert "Figaro Magazin" weiter daraus. Die Afrikaner seien von europäischen Kolonialmächten ausgebeutet worden, so Franziskus. Heutzutage seien es internationale Firmen, die ganze Wälder in afrikanischen Ländern abholzten. Es müssten mehr Arbeitsmöglichkeiten in Afrika geschaffen werden; Firmen müssten dort investieren.
Bekräftigung kam von Franziskus für eine Sicht der Ehe als Bund zwischen Mann und Frau. "Wir können das nicht ändern. Das ist die Natur der Dinge", erklärte er im Interviewbuch. Ehe sei ein "historisches Wort". In der Geschichte der Menschheit, nicht nur in der Kirche, sei sie seit jeher zwischen Mann und Frau geschlossen worden. Ein Bund zwischen Menschen des gleichen Geschlechts solle "eingetragene Partnerschaft" genannt werden, so Franziskus.
An Europa appellierte der Papst, seine Wurzeln wiederzufinden. "Ich würde gerne eine Mutter Europa sehen", sagte er. Der Kontinent dürfe keine Angst haben und sich nicht verschließen, so der Papst. "Im Moment hat Europa Angst." Europa sei eine Geschichte der "kulturellen, multikulturellen Integration", betonte Franziskus. Um die europäische Kultur heute zu definieren, seien die christlichen Wurzeln sicherlich wichtig, darüber hinaus aber auch die verschiedenen Sprachen und die Fähigkeit, zu integrieren. So würden etwa in der spanischen Sprache 40 Prozent der Wörter aus dem Arabischen stammen, führte Franziskus als Beispiel an.
In Frankreich, wo es eine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche gebe, müssten die Religionen auch als Teil der Kultur angesehen werden, forderte der Papst. Es sei eine "Dummheit" zu sagen, man dürfe ein Kreuz nicht sichtbar um den Hals tragen. Religionen seien keine "Subkulturen". "Der eine trägt ein Kreuz, der andere etwas anderes, der Rabbiner eine Kippa und der Papst eine Kappe", so Franziskus. Das sei eine "gesunde" Trennung von Staat und Kirche.
Wichtig sei ihm, dass unter "Kirche" nicht der Papst, die Bischöfe und die Priester verstanden würden, erklärte Franziskus. "Die Kirche ist das Volk." Um sich ein Bild von der Kirche zu machen, müsse man sich "in ein Dorf begeben, in dem das Leben der Kirche gelebt wird, in ein Spital, wo so viele Christen - Laien oder Schwestern - hinkommen, um zu helfen, oder nach Afrika, wo so viele Missionare tätig sind". Bei all diesen Tätigkeiten gehe es nicht wie in früheren Epochen darum, andere zu bekehren, "sondern um zu dienen" - wodurch eine "Revolution" in Gang gesetzt werde, sagte der Papst.
Zum Umgang mit Missbrauch erklärte Papst Franziskus, die Kirche dürfe keine "defensive" Position einnehmen. Wenn ein Priester jemanden missbraucht habe, sei er "krank", sagt er laut dem vorab verbreiteten Interview-Auszug. Die Kirche müsse vermitteln, wie Missbrauch vorgebeugt werden könne, und ein Kind ermutigen, darüber zu reden, was passiert sei. In Frankreich hatte es im Jahr 2016 eine Welle von Anschuldigungen gegen Priester wegen Missbrauchs gegeben. Bischöfen wurde vorgeworfen, nicht reagiert zu haben, obwohl sie von Vorwürfen gewusst haben sollen.
Der Gesprächspartner des Papstes, der Franzose Dominique Wolton, wurde am 26. April 1947 in Kamerun geboren. Er studierte Jura in Paris am Institut d'etudes politiques de Paris (IEP Paris), das auch unter dem Namen "Siences Po" bekannt ist, und promovierte anschließend in Soziologie. Derzeit ist Wolton Forschungsdirektor des "Centre national de la recherche scientifique" (CNRS) und befasst sich unter anderem mit den Medien, politischer Kommunikation und Europa. Im Laufe seiner Karriere verfasste er mehr als 30 Bücher, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden. Unter anderem publizierte er Interviewbücher mit dem französischen Philosophen und Soziologen Raymond Aron (1981), dem Pariser Kardinal Jean-Marie Lustiger (1987) und dem Politiker Jacque Delors (1994).
Über sich selbst sagt Wolton, er sei "laizistisch französisch". Die christliche Kultur und der Katholizismus hätten ihn geprägt, er sei jedoch Agnostiker. Im Interview mit der französischen Zeitung "Figaro" sagte Wolton über den Papst, er selbst sei "beeindruckt von seinem Glauben, seiner Freude, Güte, Bescheidenheit und Klarheit". In den Gesprächen habe es kein Tabu gegeben und keine Zensur.