Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk).
Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk).
Religionsvertreter reagieren besorgt und teils entsetzt auf Bundestagswahl.
Nach dem Einzug der AfD in den Bundestag sollte die Kirche aus Sicht des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk), Thomas Sternberg, die Partei nicht "besonders hofieren". Dazu gebe es keinen Grund, sagte Sternberg im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn am Sonntagabend, 24. September 2017 nach der Wahl. "Die Kirche hat noch nie eine Partei hofiert, das tut man auch nicht."
Es sei wichtig, "dass wir als Kirche wahrnehmen, was die Menschen dazu getrieben hat, in so hoher Zahl eine solche Partei zu wählen. Damit müssen wir uns noch intensiver auseinandersetzen. Das werden wir auch mit aller Kraft tun", sagte Sternberg, der auch CDU-Landtagsabgeordneter war.
"Ein solches Wahlergebnis heißt nicht automatisch, dass man Menschen hochschätzen sollte, die sich mit ihren Äußerungen aus dem demokratischen Konsens entfernen", so Sternberg. "Wir haben es mit einer Partei zu tun, in der zum Kirchenaustritt aufgerufen wurde und die Ausdrücke wie christliches Abendland und Christlichkeit missbräuchlich verwendet."
Insgesamt sprach Sternberg von einem "bitteren Abend" und ergänzte: "Man muss bedenken, wir sind in einem europäischen Gleichschritt: In fast allen Ländern gibt es solch rechtsradikale Parteien. Es bleibt festzustellen: 87 Prozent der Deutschen haben die AfD nicht gewählt."
Angesichts des Wahlergebnisses für die AfD bei der Bundestagswahl sehen Religionsvertreter große Herausforderungen und äußern sich teils entsetzt. "Leider sind unsere Befürchtungen wahr geworden: Eine Partei, die rechtsextremes Gedankengut in ihren Reihen duldet und gegen Minderheiten in unserem Land hetzt, ist jetzt nicht nur in fast allen Länderparlamenten, sondern auch im Bundestag vertreten", erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Sonntagabend in Berlin. Der Zentralrat sieht den Bundestag vor der größten demokratischen Herausforderung seit 1949.
"Ich erwarte von unseren demokratischen Kräften, dass sie das wahre Gesicht der AfD enthüllen und die leeren, populistischen Versprechen der Partei entlarven", so Schuster weiter. "Ein Ziel sollte alle demokratischen Parteien vereinen: Den Wählern zu verdeutlichen, dass die AfD keine Alternative ist, damit sie dort landet, wo sie hingehört - unter der Fünf-Prozent-Hürde!"
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, zeigte sich "in großer Sorge" um die Demokratie. "Dieses Ergebnis ist ein wahr gewordener Albtraum, eine historische Zäsur." Der Einzug der AfD in den Bundestag mit nach ersten Hochrechnungen etwa 13 Prozent verändere die politische Debatte und Kultur und beeinträchtige das Ansehen Deutschlands in der Welt. Es sei eine Katastrophe, "dass es den demokratischen Kräften nicht gelungen ist, die rechtsextremen Hetzer zu entzaubern".
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, erklärte in New York, es sei "abscheulich", dass die AfD nun die Möglichkeit habe, im deutschen Parlament ihr "widerwärtiges" Programm anzupreisen. Er bezeichnete die Partei als "schändliche, rückschrittliche Bewegung, die das Schlimmste der deutschen Vergangenheit in Erinnerung ruft und geächtet werden sollte". Zugleich gratulierte er Angela Merkel (CDU), eine "wahre Freundin Israels und des jüdischen Volkes". Die CDU/CSU war stärkste Kraft geworden.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, erklärte: "Wir brauchen jenseits von Klientelinteressen eine Koalition für ein offenes, soziales und gerechtes Deutschland, in dem Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit mehr zählen als Ausgrenzung und Angstmache."
Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, forderte: "Wir müssen deutlich machen, dass eine vielfältige und offene Gesellschaft keine Belastung ist, die durch Zuwanderung entsteht, sondern vielmehr eine Chance, um überkommene Verfahrensweisen und Systeme mutig zu überdenken und Chancengleichheit aller in Deutschland lebenden Menschen zu ermöglichen."